Drastische EU-Verordnung könnte das Ende des gedruckten Buches bedeuten
Kommt das Ende des gedruckten Buches? Diese Befürchtungen wurden in den vergangenen Monaten immer wieder in verschiedenen sozialen Netzwerken geäußert. Hintergrund ist die sogenannte „EU-Entwaldungsverordung“ (EUDR), die ursprünglich am 30. Dezember dieses Jahres in Kraft treten sollte.
Die Verordnung ist Teil des „EU-Green Deals“, der nach Aussagen der Europäischen Kommission darauf abzielt, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Die Hauptziele sind die erhebliche Reduzierung der Treibhausgasemissionen, die Förderung erneuerbarer Energien, die Verbesserung der Energieeffizienz, der Schutz der Biodiversität, die Förderung nachhaltiger Landwirtschaft und die Gewährleistung eines gerechten Übergangs für alle Gesellschaftsschichten.
Die EU-Entwaldungsverordung legt strikte Vorgaben für die Einfuhr und den Handel von Produkten fest, die aus bestimmten Rohstoffen wie Holz, Palmöl, Soja, Kaffee, Kakao, Rindfleisch und Kautschuk hergestellt werden.
Ziel der Verordnung soll es sein sicherzustellen, dass diese Produkte nicht aus Gebieten stammen, die seit dem 31. Dezember 2020 entwaldet oder degradiert wurden. Unternehmen müssen deswegen nachweisen, dass ihre Produkte gemäß den Umwelt- und Sozialgesetzen des Produktionslandes hergestellt wurden und umfassende Sorgfaltspflichten erfüllen, um das Risiko von Entwaldung auszuschließen.
Verlage und Druckereien müssen nach Inkrafttreten der Richtlinie in Zukunft sicherstellen, dass das verwendete Papier und andere Materialien aus Quellen stammen, die die Kriterien der Verordnung erfüllen. Dies kann durch den Bezug von Papier aus zertifizierter nachhaltiger Forstwirtschaft geschehen, was bereits von vielen Unternehmen in der Branche praktiziert wird. Die Regelung erfordert von den Unternehmen, ihre Lieferketten transparenter zu gestalten und Sorgfaltspflichten einzuhalten.
„Praxisferne Vorgaben“ und „nicht erfüllbare Nachweispflichten“
Die Verbände „Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger“, „Börsenverein des Deutschen Buchhandels“, der Bundesverband kostenloser Wochenzeitungen, der Bundesverband Druck und Medien und der Medienverband der freien Presse als Spitzenverbände der Verlags- und Druckindustrie kritisieren die Pläne der EU. In einer Pressemitteilung macht die Branche ihrem Ärger Luft.
„Grundsätzlich teilen die Branchenverbände das Ziel der EU-Verordnung gegen Entwaldung (EUDR), die Wälder weltweit zu schützen“, heißt es in der Erklärung. Kritik von den Verbänden kommt aber an den „nicht erfüllbare Nachweispflichten, praxisferne Vorgaben und eine weitere drastische Bürokratiebelastung für Unternehmen“. In einem Brief fordern die Verbände „dringend“ die Bundesregierung auf, „die durch die Verordnung drohenden Risiken, Sanktionen und Belastungen für Unternehmen zu entschärfen.“
Die Spitzenverbände monieren hauptsächlich, dass die EU-Richtlinie aus ihrer Sicht in „ganz wesentlichen Teilen“ nicht umsetzbar seien. Hilfsmittel zur Umsetzung würden „derzeit noch“ fehlen. Auch würde es an „an qualifizierten branchenspezifischen Umsetzungshilfen“ fehlen.
Die unzureichende Vorbereitung seitens der EU-Kommission führe neben der Tatsache, dass sich „globale Händler aufgrund der enormen Hürden aus dem europäischen Markt zurückziehen“, im schlimmsten Fall dazu, dass die „Unternehmen nicht gesetzeskonform ihre Produkte in Verkehr bringen“ könnten, so die Spitzenverbände. Das sei nicht nur eine große Gefahr für die Herstellung gedruckter Produkte für die Bevölkerung, sondern auch für Presseprodukte, Wahlunterlagen, technische Dokumentationen, Etiketten und Verpackungen, die zur kritischen Infrastruktur gehörten.
Verordnung wird um ein Jahr verschoben
Inzwischen hat die EU-Kommission beschlossen, die Entwaldungsverordnung 12 Monate nach hinten zu verschieben. Damit will sie „Drittländern, Mitgliedstaaten, Marktteilnehmern und Händlern mehr Zeit geben, sich darauf vorzubereiten, ihre Sorgfaltspflichten zu erfüllen“, heißt es in einer Erklärung des Rates vom 16. Oktober. Für „große Marktteilnehmer und Händler“ würden die Regelungen nun ab dem 30. Dezember 2025 in Kraft treten. Kleinst- und Kleinunternehmen haben damit bis zum 30. Juni 2026 Zeit, die Richtlinie umzusetzen.
Der Bundesverband Druck und Medien (BVDM) hatte schon bei der Ankündigung des EU-Rates, das Inkrafttreten der Richtlinie um ein Jahr zu verschieben, diese Entscheidung begrüßt. Weiter wies der Verband darauf hin, „dass mit dem Hinausschieben der Anwendung nicht die mit der EUDR verbundenen grundlegenden Probleme gelöst sind“. Nach wie vor müsse die Verordnung „grundlegend überarbeitet“ werden, betont der Verband. Das sei notwendig, um „gerade kleinere und mittlere Unternehmen vor überbordender Bürokratie zu schützen und Arbeitsplätze in der Druckbranche zu erhalten“, heißt es in der Erklärung weiter.
„Die Verschiebung der EU-Entwaldungsverordung verschafft der Politik Zeit, um den gewählten Ansatz beim Schutz der Wälder grundsätzlich zu überdenken“, sagt Kirsten Hommelhoff, Hauptgeschäftsführerin des BVDM. „Die EU selbst ist in der Pflicht, im Rahmen von Handelsabkommen den Walderhalt zu fördern, anstatt die Unternehmen mit nicht erfüllbaren bürokratischen Lasten zu erdrücken. Die nächsten Monate werden zeigen, ob die EU willens und in der Lage ist, eine Schneise in den selbst gepflanzten Entwaldungs-Dschungel zu schlagen.“
Wie ein „Damoklesschwert“ über der Buchbranche
Düstere Aussichten für die europäische Buch- und Verlagsbranche skizziert die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (AVJ) in einem offenen Brief an Kultusstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), Umweltminister Cem Özdemir (Grüne) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Wie das „Börsenblatt“ berichtet, heißt es in dem Brief, dass die EU-Entwaldungsverordung „wie ein Damoklesschwert über der deutschen und europäischen Buch- und Verlagsbranche“ hänge – „und dies nicht nur wegen des immensen bürokratischen Aufwandes, der allen Marktteilnehmern droht“.
Entlang der gesamten Buchproduktionskette können die meisten Partner die geforderten Anforderungen bisher kaum erfüllen. „Bis auf wenige Ausnahmen können weder deutsche, europäische noch außereuropäische Druckereien die erforderlichen Daten an uns Verlage liefern. Die digitale Infrastruktur befindet sich zudem noch in der Entwicklungsphase“, erläutert die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (AVJ) die derzeitige Lage.
Die Implementierung der EUDR könne zum Zusammenbruch sowohl internationaler als auch nationaler Lieferketten führen. Das wiederum könnte Auswirkungen bis in den Buchhandel hinein haben, erläutert die Arbeitsgemeinschaft. Es entstünden erhebliche wirtschaftliche Risiken durch die Ungewissheit über das Schicksal neuer Titel und Nachauflagen ab Januar 2025 oder 2026 für die, denen die EUDR-konformen Prozesse fehlten. „Dies könnte für kleine und mittlere Unternehmen eine existenzielle Bedrohung darstellen“, warnt die AVJ.
Kahlschlag in der Buchbranche befürchtet
Weiterhin könnte der internationale Lizenzhandel sowie der Export und Import zum Erliegen kommen. Auch Lieferungen an große Handelspartner wie Buchhandelsketten, Großhändler und Onlinehändler ohne EUDR-Nachweise wären nicht mehr möglich.
Die Jugendbuchverlage wenden sich direkt an die zuständigen Minister mit dringenden Appellen:
„Herr Özdemir – die aktuelle Umsetzung der EUDR könnte einer Brandrodung gleichkommen, die alle Beteiligten der Branche betrifft, vom Holzhändler bis zum Buchhändler!“
Frau Roth – die EUDR könnte einen kulturellen Kahlschlag in unserer fein und fragil strukturierten Kulturbranche bedeuten!“
Herr Habeck – der wirtschaftliche Schaden könnte insbesondere mittlere und unabhängige Verlage hart treffen, die ohnehin schon durch steigende Energie- und Produktionskosten und einen zunehmenden bürokratischen Aufwand bedroht sind!“
Abschließend appelliert die Arbeitsgemeinschaft an die Minister:
„Nutzen Sie die Zeit, um die EUDR nach realistischen Machbarkeitskriterien zu überarbeiten.“
Im Kern nichts verändern
Auf europäischer Ebene denkt man aber offenbar nicht daran, die geplanten Regelungen zu überdenken. In der Pressemitteilung des Europäischen Rates zur Verschiebung des Geltungsbeginns der Verordnung macht der Rat deutlich, dass das Ziel bleibe, „den Beitrag der EU zur Entwaldung und Waldschädigung weltweit so gering wie möglich zu halten, indem nur entwaldungsfreie Produkte auf den EU-Markt gebracht oder aus der EU exportiert werden dürfen.“ Und weiter: „Im Kern wird an den bereits bestehenden Vorschriften nichts geändert.“
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