Brandenburg: Reisernte im ehemaligen Karpfenteich
Wo sich früher noch Karpfen tummelten, wächst heute Reis – und zwar mitten in Brandenburg! Was als exotisches Experiment in Linum im Landkreis Ostprignitz-Ruppin angefangen hat, entpuppt sich inzwischen als Erfolg. Das Team um den Schweizer Landwirt Guido Leutenegger, der die Natur Konkret AG ins Leben gerufen hat, konnte vor den Toren von Berlin, im nördlichsten Anbaugebiet Europas, seine zweite Ernte einfahren: stolze zweieinhalb Tonnen! Doch der Weg dahin war beschwerlich.
Im Teichland Linum wurde seit DDR-Zeiten Karpfenzucht betrieben. Als Leutenegger das Areal im Jahr 2020 übernahm, war die Nachfrage an Karpfen jedoch rückläufig. Daher entschied er sich für einen neuen Ansatz: Reis.
Schon in der Schweiz hatte er mit dem Reisanbau Bekanntschaft gemacht. Doch der Anbau auf Trockenflächen unter Einsatz von chemischen Mitteln kam für den Biobauern nicht infrage. Im Kanton Aargau gab es ein Forschungsprojekt, das den Reisanbau auf vernässten Ackerflächen untersuchte.
„Das Klima dort ist ähnlich wie hier in Brandenburg, aber wir haben mit den Teichen in Linum sogar den Vorteil, Wasser nicht zusätzlich zuführen zu müssen. Was also in Aargau funktioniert, sollte bei uns ebenfalls klappen, so unsere Überzeugung“, erklärt der Landwirt.
Erst Schilfwildwuchs, dann Vogelfraß
Noch im selben Jahr wagte er mit seinem dreiköpfigen Team einen ersten Versuch. Doch die Reispflanzen wurden vom Schilf überwuchert. Denn einmal pro Woche muss das Schilf per Hand gezogen werden und dafür fehlte es an Mitarbeitern. „Wir haben damals alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte“, erinnert sich Leutenegger. Dennoch sei der Reis fast erntefähig gewesen.
Neue Wege zu beschreiten, birgt immer das Risiko zu scheitern“, räumt der Schweizer ein.
Aber ans Aufgeben dachte er nicht.
Drei Jahre später zeigte sich ein anderes Bild. Das Unternehmen startete im Mai 2023 mit rund 85.000 kleinen Reispflanzen durch, die in den Boden gesetzt wurden.
Dann wurden wie geplant ein paar Zentimeter Wasser eingestaut.
Doch zwei Wochen später gab es neue Probleme. „Wir haben uns gewundert, dass die zunächst aus dem Wasser herausragenden Blattspitzen stellenweise wieder verschwunden waren“, schilderte Robert Jäkel, Betriebsleiter des Linumer Teichlands.
Weitere drei Wochen später stand des Rätsels Lösung fest: Hungrige Wildenten und Gänse hatten sich über den Aufwuchs hergemacht. Mit Verzögerung konnten die abgefressenen Stellen jedoch weiterwachsen.
Feuchtes Wetter, zu nasser Boden
Auch das Wetter machte den Reispflanzen zu schaffen, denn der August war für die wärmeliebende Pflanze viel zu feucht – auch wenn sich die Kaulquappen der seltenen Rotbauchunken sehr darüber freuten, die auf den Reisfeldern ideale Bedingungen fanden.
Dank vieler Sonnenstunden im September konnte das Korn dann doch noch reifen. Mitte Oktober 2023 gingen die norddeutschen Reisbauern an die Ernte. Das knackende Geräusch beim Biss ins Reiskorn verriet, wann der Reis reif und die Stärke eingelagert ist. Doch das traf nicht auf alle zu. Manche Rispen waren noch grün.
Vier Wochen vor dem Erntetermin wurde das Wasser abgelassen, aber der Boden konnte im kühlen und feuchten Oktober nicht mehr richtig abtrocknen. „Ein Mähdrescher wäre dort abgesoffen“, erklärt Jäkel weiter. Daher wurde zum Teil mit der Hand geerntet.
Für den eingesetzten speziellen kleinen Mähdrescher, der von der landwirtschaftlichen Versuchsstation Berge der Humboldt-Universität zur Verfügung gestellt wurde, war die Herausforderung trotzdem groß. Zwischendurch musste die Maschine repariert werden.
„Normalerweise dreschen wir nur die Getreiderispen“, schilderte Andreas Muskolus, stellvertretender Geschäftsführer der Versuchsstation. „Aktuell müssen wir aber auch die grünen Halme durch die Maschine bringen und das verursacht noch Probleme.“
Letztlich ergab die Ernte nur 153 Kilogramm Reis für den Verkauf und damit nur ein Zehntel von dem, was sich der Betrieb erhofft hatte, berichtet die „Bauernzeitung“. Doch aufzugeben war keine Option.
2,3 Tonnen Reis auf drei Hektar Fläche
In diesem Jahr hatte das Unternehmen mehr Erfolg. Das inzwischen 15-köpfige Team verdreifachte die Anbaufläche auf dreieinhalb Hektar.
Auf zwei Reisfeldern wurden auf 3 Hektar Fläche rund 326.000 Setzlinge gepflanzt.
Neu im Einsatz war dabei eine 35.000 Euro teure Maschine, die für die Reisernte direkt aus China importiert wurde. Der Minimähdrescher ist für den feuchten Boden perfekt geeignet. Bevor damit jedoch die ersten Halme geerntet werden konnten, stand das Unternehmen vor einem neuen Problem. Die Maschine, die in Einzelteilen im Überseecontainer und ohne deutsche Bauanleitung angeliefert wurde, musste erst zusammengebaut werden. Doch auch diese Hürde wurde innerhalb von zwei Wochen gemeistert, mithilfe von YouTube-Videos.
Mit 2,3 Tonnen Reis (Rohware) konnte der Ertrag in diesem Jahr deutlich gesteigert werden. Jetzt, nach der Ernte, wird der Reis je nach Feuchtegrad getrocknet und später mit speziellen Maschinen entspelzt und poliert.
Die Vermarktung läuft über die Hofläden in Linum (Zu den Teichen 58) sowie Lütte bei Bad Belzig (Chausseestraße 48). Dort kann man neben dem Reis Fleisch vom Wasserbüffel und Hochlandrind, Kartoffeln, Sonnenblumenöl und Eier des Unternehmens sowie Honig, Marmelade, Säfte und Nudeln von anderen Partnerbetrieben erwerben.
Ein Onlineshop befindet sich derzeit im Aufbau. Auch Restaurants aus der Region sind an dem Reis aus Brandenburg interessiert.
Die gute Ernte macht den Reisbauern Mut. Auch im nächsten Jahr soll hier wieder Reis wachsen. Dass der Reisanbau Deutschland erobern wird, ist jedoch nicht absehbar. Auf absehbare Zeit werde nur eine kleine Nische für wenige Betriebe bleiben, so Jäkel – eben dort, wo die Rahmenbedingungen es ermöglichen.
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