Wird es ein Strafverfahren gegen Goldman Sachs geben?

Wird ein Mitarbeiter der mächtigen Investmentbank ins Gefängnis gehen?
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Foto: JIM WATSON/AFP/Getty Images
Von 11. Mai 2010

Wird Goldman Sachs den Angriff überleben? Wird die drohende Anklage gegen die weltweit führende Investmentbank auf andere Banken an der Wall Street übergreifen? Wird die Krise zur Zeit kriminalisiert, oder ist dies alles nur ein Manöver?

In den letzten zwei Jahren fühlte ich mich einsam und isoliert mit meinen Forderungen auszubrechen. Und mit meiner beharrlichen Forderung, dass Diebstahl, Betrug und Verbrechen als Hauptgrund für unsere wirtschaftliche Notlage erkannt werden sollten. Ich habe zwei Bücher geschrieben, die meine Behauptung dokumentieren, und gerade den Film „Plunder the Crime of Our Time“ (Plündert die Verbrechen unserer Zeit) vorgestellt, in dem die Wirtschaft wie ein Tatort behandelt wird.

Schuld sind nur die andern

Es gibt ein paar weitere Stimmen da draußen, die eine ähnliche Behauptung aufstellen – zu ihnen zählen der ehemalige Bank-Regulator Bill Black, US-Senator Ted Kaufman (D-Del.) und sogar der Milliarden-Investor Jim Chanos. Die meisten Politiker beider Parteien und Medien-Experten haben das jedoch zurückgewiesen und glauben lieber, dass eigentlich jeder und somit niemand schuld wäre. „Was, soll ich etwa bestraft werden?“ lautet das Mantra.

Die meisten sagen, Finanzexperten, die als die „klügsten Leute im Raum“ gelten, begingen unabsichtlich „Fehler“, weil niemand die wirtschaftliche Entwicklung hätte vorhersehen können.

Es ist doch egal, dass mehr als 1.000 Banker nach der S & L-Krise ins Gefängnis gingen. Das war damals, und dies ereignet sich heute, fast zehn Jahre, nachdem die Finanzdienstleistungsbranche durch Einflussnahme und Wahlkampfspenden einen kostspieligen Coup im Bereich der Rechtsprechung landete, um Regelungen auszuhöhlen und das Spielfeld zu entkriminalisieren. Mit einer groß angelegten Werbekampagne in einem darin mitwirkenden Medium versteckten sie ihre Absichten, indem sie von Modernisierung und Innovation sprachen. Sie umgingen die Gesetze und entzogen den Staatsanwälten die Grundlage für eine Strafverfolgung.

Als ihre Gewinne stiegen und die Blase boomte, schienen sie – bis auf kleine Schönheitsfehler wie die Enron- und WorldCom-Skandale, die ihr Image trübten – keine Fehler gemacht zu haben.

Zielorientiert: Fabrice Tourre, Geschäftsführer des Konzerns für strukturierte Produkte, der für die Goldman Sachs Group handelt, geht an Demonstranten vorbei, nachdem er am 27. April in Washington, DC an einer Anhörung des Unterausschusses des US-Senats für Untersuchungen von Sicherheits- und Regierungsangelegenheiten auf dem Capitol Hill teilgenommen hatte. Tourre trägt von allen Goldman-Mitarbeitern vielleicht die höchste rechtliche Verantwortung.Zielorientiert: Fabrice Tourre, Geschäftsführer des Konzerns für strukturierte Produkte, der für die Goldman Sachs Group handelt, geht an Demonstranten vorbei, nachdem er am 27. April in Washington, DC an einer Anhörung des Unterausschusses des US-Senats für Untersuchungen von Sicherheits- und Regierungsangelegenheiten auf dem Capitol Hill teilgenommen hatte. Tourre trägt von allen Goldman-Mitarbeitern vielleicht die höchste rechtliche Verantwortung.Foto: Mark Wilson/Getty Images

Der Abstieg vom Helden zu einer Null

Im Laufe der Jahre befand sich Goldman im Höhenflug, strich hohe Gewinne ein und bezahlte sich auch selbst unanständig gut. Dies dauerte so lange, bis die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC eine Zivilklage wegen betrügerischer Transaktionen einreichte, bei denen die Investoren hintergangen wurden. Danach folgten turbulente Anhörungen auf dem Hügel, in denen Sen. Carl Levin (D-Mich.) intern wiederholt auf „beschissene” Geschäfte verwies, die die Firma angestrebt und gegen die sie dann gewettet haben soll.

Für Goldman sah es schlecht aus, vor allem dann, als die Demonstranten im hinteren Teil des Raumes altmodische schwarz-weiße Sträflingskleidung anzogen. Die Gesellschaft verteidigte sich teilweise mit der Behauptung, dass „jeder” auf der Straße das gleiche wie sie tat. Hmmmm.

Selbst nach all der Dramatik blieb Goldman immer noch einer der Spitzenverdiener der Stadt. Der Milliardär Warren Buffet, der ihnen dabei half zahlungsfähig zu bleiben, singt jetzt wieder ihre Loblieder. Das „Orakel von Omaha” meint sie würden missverstanden werden.

Aber nicht in den Augen der Öffentlichkeit. Goldman ist schnell gefallen und wurde vom Helden der Wall Street zu einer Null.

Laut Finanz-Blogger Larry Doyle haben „Goldmans enge, wenn nicht inzestuöse, Beziehungen mit Washington sowie viele Hedge-Fonds und Großkunden die Firma zum Hauptgegenstand von Amerikas Empörung gegenüber der Wall Street werden lassen. ”

Die riesige Firma wird mittlerweile auch belächelt, obwohl noch gar keine Anschuldigungen bewiesen wurden und sie bis zum Hals mit Klagen überzogen wird. Leslie Griffith nennt deren Konfrontation auf dem Hügel im von Lesern unterstützten Nachrichtendienst Reader Supported News einen Marie Antoinette-Moment, weil die meisten Zuschauer ihnen die Köpfe abschlagen wollten.

Sie schreibt: „Als moderne Finanz-Monarchie handelt Goldman mit der Straffreiheit, die einmal nur Königen vorbehalten war. Indem sie die Gesetzgeber kontrollieren und Präsidenten wählen. Indem sie den geschäftsführenden Bereich mit gut betuchten Lakaien besetzen, die Weltmärkte manipulieren und gegen das Wohl ihrer eigenen Kunden … das amerikanische Volk….wetten. Als ihr Gegenstück der „Tax Time” erschien, quetschte sie aus den Kleinkunden Milliarden Dollar für Sicherheitsleistungen heraus.”

„Marie wäre stolz.”

Als der Schriftsteller Matt Taibbi Goldman mit einer „Vampir-Krake” verglich, wurde sie schnell von vielen verteidigt. Aber das passiert diesmal nicht. Stattdessen überbot das Justizministerium die SEC mit der Forderung nach einer strafrechtlichen Untersuchung.

Allein die Vorstellung davon führte zu einem 21 Milliarden Dollar-Verlust bei Goldmans Aktienwerten. Einige Analysten stuften das Unternehmen genauso herab wie sie es Anfang der Woche mit Griechenland machten. Der Geschäftsführer Lloyd C. Blankfein, der sagte, er wäre in den Anhörungen „erniedrigt” worden, muss beleidigt sein, weil er persönlich in wenigen Tagen 81 Millionen Dollar an seinen 2.023 364 Aktien verlor, die einen Wert von etwa 373 Millionen Dollar hatten. Es gab von Seiten der Öffentlichkeit nur wenig Sympathie für seinen Absturz.

Strafverfolgung?

Was also geschieht jetzt? Wird es wirklich eine Strafverfolgung geben oder ist dies alles nur Schall und Rauch, um ein Gefühl der Dringlichkeit für ein bereits stark gefährdetes Finanzreform-Paket hervorzurufen? Wird jemand ins Gefängnis gehen?

Wenn es keine rauchenden Colts und schockierenden Enthüllungen mehr gibt, ist es wahrscheinlicher, dass einige Punkte von Zivilklagen ausgeräumt werden, wie The Atlantic erklärte: „Der Standard für ein Strafverfahren ist viel höher. Das US-Justizministerium DOJ muss sehr überzeugende Beweise dafür vorlegen, dass eine Jury fähig genug wäre, um über jeden Zweifel erhaben festzustellen, dass Goldman und/oder einige seiner Banker des Betrugs schuldig sind. Da viele Menschen fragen, wie es möglich ist, dass sogar die Zivilklage bei einer geringeren Schuld Erfolg haben kann, ist es relativ unwahrscheinlich, dass sich mit einer strafrechtlichen Anklage etwas erreichen lassen würde. Noch hat die Öffentlichkeit nicht alle Informationen, so dass es zu früh ist, um die Möglichkeit eines Strafverfahrens und dessen Ausgang sicherstellen zu können.“

Es scheint auch so, als wenn nur ein Banker der unteren Ebene, Fabrice Tourre. aka „Fab”, bedroht wäre. Seine Verteidigung wurde in seiner Zeugenaussage vor dem Kongress schon vorgelegt.

NPR‘s Planet Money stellte fest, dass die Person sagte: „Tourres öffentliche Äußerungen machen es für ihn schwieriger, seine Geschichte später ändern und mit dem SEC eine geringere Strafe aushandeln zu können als Gegenleistung für Informationen, die dem Unternehmen oder anderen Führungskräften schaden könnten.”

Doyle sagt jetzt: „Es gibt kaum Zweifel im Hinblick darauf, warum die Führungskräfte von Goldman Sachs die Fragen am vergangenen Dienstag nur zurückhaltend beantworteten, wohl wissend, dass eine strafrechtliche Untersuchung möglicherweise recht schnell eingeleitet werden könnte.”

Es dürfte wohl kaum zu einer strafrechtlichen Verfolgung kommen. Wie ein Anwalt gegenüber Bloomberg News sagte: „Um in einem Fall strafrechtlich vorgehen zu können, müssen Sie sehr klare Beweise dafür haben, dass gelogen, betrogen und gestohlen wurde.” Robert Hockett, Jura-Professor an der Cornell University, spielte die Sichtweise, es gehe hier um ein Verbrechen, herunter und meint: „Es ist für die SEC wirklich nicht ungewöhnlich einen Fall an die US-Staatsanwaltschaft zu übergeben. Dies stellt keine neue rechtliche Entwicklung dar. Es ist eine verfahrensrechtliche Entwicklung.”

Unterm Strich: Man sollte sich nicht zu viele Hoffnungen machen. Die Regierung hat der Wall Street nicht den Krieg erklärt, nachdem die Wall Street der Main Street den Krieg erklärte. Die Goldman-Bande ist noch auf freiem Fuß.

Inzwischen spielen unsere Medien schon einmal die kriminelle Handlungsweise herunter, mit der diese Firma gezielt Hypotheken platzen ließ, die Anklage für ein Vergehen, das sie früher zugab. Wo sind die Leitartikel, in denen ein Vorehen gegen die Täter gefordert wird?

Können wir einem Medium vertrauen, das erst letzte Woche einen Marsch von 15.000 Arbeitern zur Wall Street weitgehend negativ darstellte? Ich war dort und konnte niemanden finden, der nicht glaubte, dass Verbrechen begangen wurden.

Die Wall Street wurde bisher kaum gedemütigt. Sie gibt immer noch ein Vermögen für PR aus und sorgt dafür, dass 25 Lobbyisten Druck auf jedes Kongressmitglied ausüben. Ihre Arroganz zeigt sich deutlich an einer E-Mail, die laut Financial Times jetzt an den Schreibtischen der Handelsfirmen „die Runde machen.“

Darin steht unter anderem: „Wir sind die Wall Street. Es ist unser Job, Geld zu verdienen. Ob es sich dabei um eine Ware, Aktie, Anleihe oder irgendein hypothetisches gefälschtes Papier handelt, spielt keine Rolle. Wir würden mit Baseball-Karten handeln, wenn sie gewinnbringend wären. … Machen Sie nur so weiter und versuchen Sie uns klein zu kriegen, aber Sie werden sich damit nur selbst schaden. Was wird denn geschehen, wenn wir an der Street keine Arbeitsplätze mehr finden können? Ich vermute mal folgendes: Wir werden uns dann einfach Ihre nehmen …

„Wir sind keine Dinosaurier. Wir sind klüger und bösartiger als sie es waren und wir werden überleben.“
Und so wurde der Fehdehandschuh geworfen.

Über den Autor

Der Nachrichten-Analyst Danny Schechter von Globalvision ist der Regisseur von „Plunder: The Crime of Our Time“ (Plündert die Verbrechen unserer Zeit) (plunderthecrimeofourtime.com), eine neue DVD in iTunes: die Untersuchung der Finanzkrise als eine Kriminalgeschichte. Kommentare zu: [email protected]

Foto: JIM WATSON/AFP/Getty Images




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