GameStop: Aufstand der Kleinanleger an der Wall Street – Fluch oder Segen?

David gegen Goliath an der Wall Street, meinen einige – Börsenexperten befürchten hingegen, der Hype um GameStop könnte „den Untergang der Finanzwelt“ bedeuten. Was ist an dem Aufstand der Kleinanleger dran und wie gefährlich ist die Aktion für die Börse?
Von 29. Januar 2021

Eine Gruppe von Kleinanlegern wagt an der New Yorker Börse den Aufstand gegen die etablierten Finanzakteure und deren Geschäftsmodelle. Sie trieben den Kurs des US-Unternehmens GameStop (GME) in die Höhe, um Hedgefonds zu schaden, die auf fallende Aktienkurse der kriselnden Firma gesetzt hatten.

GameStop ist eine Einzelhandelskette für Computerspiele. In den vergangenen Jahren geriet das Geschäftsmodell des Unternehmens angesichts der zunehmenden Konkurrenz durch den Online-Handel unter Druck. Die GameStop-Aktie wurde zum Ziel sogenannter Short-Seller, oftmals sind dies Hedgefonds. 

Diese leihen sich Anteilsscheine, stoßen sie auf dem Markt ab und kaufen sie später zurück. Damit wetten sie auf fallende Kurse – die für sie einen Gewinn bedeuten.

Kleinanleger machten den Spekulanten nun aber einen Strich durch die Rechnung. Sie kauften massenweise GameStop-Aktien und trieben den Kurs so in die Höhe. Innerhalb von zwei Wochen legte das Wertpapier um rund 1000 Prozent zu. Dadurch gerieten die Short-Seller unter Druck, die sich gezwungen sahen, die Aktien zurückzukaufen, um ihre Verluste zu begrenzen.

Die Gegenspieler der Spekulanten organisieren sich vor allem auf der Online-Plattform Reddit. In dem Unterforum „WallStreetBets“ tauschen sich rund 3,6 Millionen Mitglieder über Strategien im Kampf gegen die etablierten Börsenhändler aus.

Für „WallStreetBets“-Gründer Jaime Rogozinski steht die Aktion im Geist der kapitalismuskritischen Bewegung Occupy Wall Street. Was den Aktivisten damals nicht gelungen sei, könnten er und seine Mitstreiter nun mit anderen Mitteln erreichen, sagte Rogozinski. Occupy Wall Street habe das System verurteilt als „ein Spiel, das wir nicht mitspielen können“. Die Gruppe „WallStreetBets“ habe nun einen anderen Weg gefunden, um die Finanzakteure herauszufordern.

Sperre für Kauf von GameStop-Aktien

Als Reaktion auf den Hype um GameStop hat am 28. Januar eine der beliebtesten Aktienhandelsplattformen für kleine Anlagen die Käufe von GameStop-Aktien gesperrt. Robinhood gab als Erklärung für die Sperrung an, dass die Käufe „Schwankungen“ an den Märkten verursacht hätten.

Robinhood, andere Handelsfirmen und staatliche Aufsichtsbehörden haben mit der Sperrung den Kleinanlegern signalisiert, ihre Werte seien auf dem Markt falsch. Die Kleinanleger beschuldigten daraufhin Robinhood, den Markt zugunsten der Hedgefonds zu manipulieren. 

Damit erreichte der Fall auch die Gerichte in den Vereinigten Staaten. Ein Investor aus Massachusetts reichte am 28. Januar vor einem Bundesgericht in New York eine Sammelklage gegen Robinhood ein und beschuldigte die Firma, „absichtlich, vorsätzlich und wissentlich die Aktie ‚GME‘ inmitten eines beispiellosen Aktienanstiegs von ihrer Handelsplattform entfernt und dadurch Kleinanleger der Möglichkeit beraubt zu haben, auf dem freien Markt zu investieren“. Sie hätten damit den freien Markt manipuliert.

„Wir beobachten kontinuierlich die Märkte und nehmen Änderungen vor, wo es notwendig ist“, erklärte Robinhood in einer Pressemitteilung vom 28. Januar. „Angesichts der jüngsten Schwankungen beschränken wir Transaktionen für bestimmte Wertpapiere, einschließlich $AMC, $BB, $BBBY, $EXPR, $GME, $KOSS, $NAKD und $NOK. Wir haben auch die Anforderungen an die Marge für bestimmte Wertpapiere erhöht“, so Robinhood.

Während Republikaner und Demokraten die Aktion von Robinhood einstimmig verurteilten, kritisierte der neue Vorsitzende des Bankenausschusses im Senat, Sherrod Brown (D-Ohio), die Wall Street und sagte, dass der Ausschuss eine Anhörung abhalten werde.

„Die Leute an der Wall Street kümmern sich nur dann um die Regeln, wenn sie diejenigen sind, die verletzt werden. Es ist Zeit für die SEC [Anm. d. Red.: US-Börsenaufsicht] und den Kongress, die Wirtschaft für alle arbeiten zu lassen“, sagte er in einer Erklärung. Die Anhörung wird sich mit dem „aktuellen Zustand des Aktienmarktes“ beschäftigen.

Die Situation werde von Wirtschaftsexperten im Weißen Haus und von Finanzministerin Janet Yellen beobachtet, sagte die Sprecherin von US-Präsident Biden, Jen Psaki. Auch die US-Börsenaufsicht erklärte, sie habe das Treiben um die GameStop-Aktie im Blick. 

Der frühere SEC-Ermittler Jacob Frenkel forderte ein Einschreiten der Behörde. Eine Option sei, den Handel mit der Aktie für zehn Tage auszusetzen.

Die US-Senatorin Elizabeth Warren verlangte eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte. Diejenigen Spekulanten, die sich nun bestürzt zeigten wegen der Vorgänge rund um die GameStop-Aktie, hätten die Börse seit Jahren „als ihr persönliches Casino betrachtet, während alle anderen den Preis zahlen mussten“.

Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez schrieb auf Twitter über das Verhalten der Börse: „Dies ist inakzeptabel. Wir müssen jetzt mehr über die Entscheidung von @RobinhoodApp wissen, die Kleinanleger vom Kauf von Aktien blockiert hat, während Hedge-Fonds frei handeln können, wie sie es für richtig halten“.

Der republikanische Senator Ted Cruz antwortete darauf: „Stimme voll und ganz zu“. Auch Tesla-Chef Elon Musk begrüßte die Empörung der Demokratin.

 

Zwei Tage zuvor hat Musk einen Link zum „WallStreetBets“-Forum auf Twitter veröffentlicht.

Dirk Müller: „Die Situation ist brandgefährlich“

Finanz-Experten kritisieren derweil den Hype um GameStop, denn er bedeutet womöglich „den Untergang der Finanzwelt, wie wir sie kennen“, sagte Dirk Müller in einem n-tv-Interview.

„Die Situation ist brandgefährlich“, sagt Müller. Die Kleinanleger hätten seiner Einschätzung nach das Geschäftsmodell der Hedgefonds nicht verstanden. „Die überwiegende Zahl der Hedgefonds, über die wir jetzt diskutieren, hat ein viel ausgewogeneres Geschäftsmodell, als es auf den ersten Blick aussieht. Ich nehme Hedgefonds ungern in Schutz, ich halte das Geschäftsmodell des Leerverkaufens für gefährlich. Aber man muss das ganze Modell verstehen“, so Müller im Interview.

Aber die Kettenreaktion, die solche Aktionen auslösen, betreffen nicht nur die Hedgefonds. „Da hängt die komplette Altersversorgung dran, da hängen die Pensionskassen dran. Die Jungs zerstören die Altersvorsorge ihrer Eltern und Großeltern“, so Müller weiter.

Die Börse sei zum „Kriegsschauplatz“ geworden, es gehe nicht mehr darum, in gute Unternehmen zu investieren. „Es geht darum, dass sich Leute hier verabreden, um damit Profit zu machen“, sagt Müller. Hier seien die Kleinanleger auch nicht besser, als die großen Finanzfirmen, welche die Märkte „zum Nachteil der Anleger manipulieren“. 

„Wir müssen insgesamt zurück zu einer nachhaltigen Aktienkultur zum Wohle aller Beteiligten“, plädiert Müller.

Jeff Carlson, Gastkommentator bei Epoch Times, geht ebenfalls hart mit GameStop ins Gericht. Carlson findet nicht, dass das Unternehmen „es verdient, auch nur annähernd so hoch gehandelt zu werden wie in den letzten Tagen“.

Allerdings bewertet er diese Meinung als solche – eine Meinung, die keine Bewertung eines Unternehmens darstellt. Selbst die Bewertung eines Unternehmens an der Börse bleibe immer subjektiv, sagt Carlson, sie wird „am besten in einer freien Marktumgebung im Laufe der Zeit bestimmt“.

Laut Carlson gehe es jetzt auch darum, was GameStop mit dem Hype anfängt. Das Unternehmen könnte seiner derzeitigen hohen Bewertung sogar gerecht werden, „vielleicht durch einen Wechsel zu einer Online-Plattform oder eine grundlegende Änderung der Art und Weise, wie sie ihr Geschäft betreiben“.

„Es ist nicht so wichtig, was der Weg zum Erfolg sein könnte, sondern vielmehr, dass es möglich ist“, so der Finanz-Experte.

„Aktienblasen und Marktblasen sind ein Teil der Märkte. Das war schon immer so und wird auch immer so sein. Und es gibt fast immer einen Grund, warum eine Blase überhaupt entsteht, auch wenn dieser Grund vielleicht erst nach Jahren sichtbar wird“, schlussfolgert Carlson.

(Mit Material von afp und The Epoch Times USA)



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