Seit Anfang Januar über 1.200 Insolvenzen gemeldet – BDI dringt auf Stufenplan für Lockerungen
Angesichts großen Unmuts über schleppende Finanzhilfen und andauernde Corona-Beschränkungen will Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mit Vertretern zahlreicher Branchen beraten.
An einem Online-„Wirtschaftsgipfel“ sollen heute Vertreter von mehr als 40 Verbänden teilnehmen. Themen sind die aktuelle Krisenlage, die jüngsten Beschlüsse von Bund und Ländern, die Hilfsprogramme und mögliche Öffnungsperspektiven etwa für Handel und Gastgewerbe.
Die Wirtschaft verlangt verlässlichere Planungen für die Lockerung von Beschränkungen. Die weitere Verlängerung des Lockdowns vorerst bis 7. März war von betroffenen Branchen scharf kritisiert worden. Verbände beklagen stockende Hilfszahlungen und zu viel Bürokratie.
BDI dringt auf Stufenplan für Pandemiebekämpfung und Lockerungen
Die Industrie hat anlässlich des Spitzentreffens einheitlichere Corona-Schutzmaßnahmen und eine eindeutige Öffnungsstrategie für vom Lockdown betroffene Unternehmen gefordert. „Deutschland fährt bei der Pandemieeindämmung auf Sicht“, heißt es in einem Positionspapier des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Das Verständnis für die Eindämmungsmaßnahmen sei groß, doch sie müssten „auch über mehrere Wochen hinweg berechenbar“ sein.
„Die deutsche Industrie benötigt einen evidenzbasierten Stufenplan mit einheitlich anwendbaren Kriterien für eine sichere und faire Öffnung der Wirtschaft, wo immer dies epidemiologisch verantwortbar ist“, verlangte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. Auf dieser Grundlage könne „regional differenziert“ entschieden werden.
In dem Papier fordert der Verband auch ein EU-weit einheitliches Vorgehen beim grenzüberschreitenden Warenverkehr: „Grenzschließungen und Reisebeschränkungen im nationalen Alleingang beeinträchtigen auch mit Ausnahmen den internationalen Güterverkehr und schaden der deutschen Industrie massiv.“
Ein Flickenteppich unterschiedlicher Auflagen zu Einreise-, Quarantäne- und Testpflichten in den Mitgliedsstaaten sei problematisch, betonte Lang. Er verwies auf „chaotische Verhältnisse“ durch die Kontrollen an Deutschlands Grenzen zu Tschechien und Österreich und warnte vor Lieferengpässen.
Außerdem forderte der BDI-Geschäftsführer, Bund und Länder müssten „den Gesundheitsschutz der Bevölkerung durch eine in sich stimmige Impf- und Teststrategie sicherstellen“. Dazu gehöre auch „ein überzeugender Fahrplan für Lockerungen für geimpfte Personen“. Der BDI forderte zudem wirksamere Steuerhilfen durch die Erhöhung von Verlustrückträgen, eine Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung sowie Sonderabschreibungen für Investitionen.
Die Konferenz müsse mehr als ein Trostgipfel sein, hatte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, Stefan Genth, gesagt. Er erwarte von Altmaier echte Perspektiven und wirkungsvolle Hilfspakete.
Seit Anfang Januar über 1.200 Insolvenzen
Laut Angaben des Handelsregisters gab es zwischen 4. Januar und 15. Februar 1234 Insolvenzen.
Folgende bekannte große Firmen mussten unter anderem Filialen schließen oder stehen kurz vor dem Aus:
1. Douglas (60/430 deutschlandweit; 500/2400 europaweit werden geschlossen)
2. Pimkie (40/75 Filialen werden geschlossen)
3. Friseur Klier (450/1350 Filialen werden geschlossen; 15-20 Prozent der Stellen sind betroffen)
4. Depot (35 Fillialen schließen)
5. Maredo (alle Filialen werden geschlossen, außer es wird ein Investor gefunden; fast alle Angestellte – bis auf wenige in der Verwaltung – wurden gekündigt)
6. Runners Point (alle Filialen mussten schließen)
7. H&M (350 Filialen schließen weltweit; 800 Stellen sind in Deutschland betroffen)
8. Zara (1200/2800 weltweit werden geschlossen)
9. Galeria Karstadt Kaufhof (40 Filialen werden geschlossen, Darlehen von 460 Millionen Euro bekommen, um bis Ostern durchzukommen)
10. Esprit (50 Geschäfte werden geschlossen, 1100 Mitarbeiter sind betroffen)
11. Adler (alle 171 Filialen sollen schließen; 3350 Mitarbeiter sind davon direkt betroffen).
Göring-Eckardt verlangt mehr Hilfe für Selbstständige und Freiberufler
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt verlangte mehr Hilfe für Selbstständige und Freiberufler. „Neben der schnelleren und besseren Unterstützung von Unternehmen muss auch die Hilfe für Freiberufler und Selbstständige endlich ins Zentrum der Krisenpolitik gestellt werden“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
Fast jeder zehnte Erwerbstätige in Deutschland sei selbstständig, sagte Göring-Eckardt. „Wie sehr die Bundesregierung diesen Teil der Wirtschaft hängen lässt, ist eine Krise in der Krise. Für viele Soloselbstständige von der Kulturschaffenden bis zum Taxifahrer herrscht seit knapp einem Jahr Ausnahmezustand und Existenzkrise.“
Für die Überbrückungshife III flossen nach dem Start in der vergangenen Woche bisher 34,6 Millionen Euro als Abschlagszahlungen durch den Bund, wie das Ministerium am Montag mitteilte. Bei den Hilfen für November und Dezember seien inzwischen sechs Milliarden Euro an Abschlägen und regulären Auszahlungen überwiesen worden. (dpa/sza)
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