Bauernverband: Selbstversorgung muss Ziel bleiben – Kritik an Ampel und EU
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, warnt davor, sich bei der Lebensmittelversorgung von Importen abhängig zu machen. Der Bauernverband mahnt die Politik eindringlich, die Fähigkeit zur dauerhaften Selbstversorgung als Ziel zu definieren. Dies sei eine zentrale Lehre aus dem Krieg in der Ukraine.
Gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe erklärte Rukwied:
Dieser Krieg hat uns auf drastische Weise gezeigt, dass Versorgungssicherheit keine Selbstverständlichkeit ist.“
Bei lebensnotwendigen Ressourcen sei es unverantwortlich, eine Abhängigkeit von anderen Ländern in Kauf zu nehmen.
Bauernverband geht von weiter erhöhtem Preisniveau aus
Für das kommende Jahr rechnet Rukwied mit einem weiterhin hohen Niveau bei den Preisen für Obst, Gemüse und Getreide. Wohin sich die Lebensmittelpreise noch bewegen würden, könne er dabei nicht prognostizieren:
Die Märkte sind derzeit extrem volatil. Es ist ein ständiges Auf und Ab, sodass die Kosten für die Betriebe schwer kalkulierbar sind.“
Im Vorjahr hatten sich die schon vor dem Ukraine-Krieg verhältnismäßig hohen Erzeugerpreise für Milch, Ackerfrüchte und Rindfleisch noch weiter nach oben bewegt. In Norddeutschland, wo die Milchwirtschaft besonders stark vertreten ist, hat das immerhin für eine leichte Verbesserung bei den Betriebsergebnissen gesorgt. Dies geht aus dem DBV-Situationsbericht hervor, den der Bauernverband im Dezember des Vorjahres vorgelegt hatte.
EU wird Lebensrealität der Landwirte nicht gerecht
Demgegenüber blieb die Lage für die Schweinehaltung und arbeitsintensive Sonderkulturen angespannt. Inflation, Energiekrise und Probleme in der Lieferkette hätten die Kosten für Beschaffung, Energie, Löhne, Dünger sowie generell Betriebsmittel in die Höhe getrieben. Viele seien zudem nur beschränkt verfügbar, schreibt „agrarheute“.
Rukwied warnt vor diesem Hintergrund davor, die Landwirte noch weiter unter Druck zu setzen, insbesondere durch noch weitere bürokratische und ideologisch begründete Auflagen. Dies gelte für die EU ebenso wie für die Ampelkoalition in Berlin.
Brüssel müsse seine Großprojekte wie den Green Deal oder die Farm-to-Fork-Strategie überarbeiten. Es gelte, sie mit der Lebensrealität der Landwirte in Einklang bringen, heißt es aus dem Bauernverband. Bis dato hätten diese einseitig das Ziel des Reduzierens von Emissionen im Blick – nicht aber die täglichen Herausforderungen der Betriebe. Rukwied machte in diesem Zusammenhang deutlich:
Der EU-Vorschlag zur Halbierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes über ein Verbot in ‚sensiblen Gebieten‘ ist der völlig falsche Weg, weil dieser drastische Einbußen der heimischen Produktion zu Gunsten einer wachsenden Importabhängigkeit zur Folge hätte.“
Im Dezember warnte Rukwied in diesem Kontext sogar vor einer drohenden „Ernährungskrise in Europa“. Schlimmstenfalls würden 3,5 bis 5 Millionen Hektar Agrarfläche stillgelegt. Dies müsse „politisch verhindert“ werden, verlangte Rukwied.
Bauernverband kritisiert Abschöpfung der Erlöse aus Erneuerbaren
Auch die Tierwohlprogramme der Ampel in Berlin sowie jene zum viel beschworenen Umbau der Energieversorgung wirkten kaum durchdacht. Beim Tierwohl lasse die Koalition, so der Präsident des Bauernverbandes, den politischen Willen zur Finanzierung des Umbaus vermissen.
Bezüglich der Erneuerbaren Energien schade vor allem die Erlösabschöpfung deren Ausbau. Auf diesem Wege will der Bund die Energiepreisbremsen finanzieren. Die Produzenten Erneuerbarer Energie, die geringere Herstellungskosten haben, profitierten zuletzt vom Merit-Order-Preisbildungssystem besonders stark. Deshalb treffe sie nun auch die Abschöpfung in überdurchschnittlichem Maße.
Für den Bauernverband unverständlich, schließlich verhindere diese Investitionen, weil sie interessierte Landwirte und finanzierende Banken abschrecke:
Allein bei Biogas sind schon geplante Investitionen von etwa einer Milliarde Euro gestoppt worden. Anstatt die Landwirte mit falschen Umweltauflagen und Abschöpfungen zu belasten, brauchen sie eine verlässliche Grundlage für die dringend notwendigen Investitionen.“
Trend zur pflanzlichen Nahrung als Chance für Selbstversorgung
Immerhin könnte der Trend zu sinkendem Fleischkonsum und mehr pflanzlichen Lebensmitteln indirekt zu einem höheren Grad an Selbstversorgung beitragen. Für die gleiche Menge an Kalorien benötigen pflanzliche Lebensmittel bei der Herstellung weniger Fläche. Gleichzeitig wäre zumindest ein Teil des Getreides, das in Deutschland als Futtermittel Verwendung findet, auch für den menschlichen Verzehr geeignet.
Gleichzeitig ist auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) skeptisch bezüglich des gesundheitlichen Nutzens pflanzlicher Ersatzprodukte für Fleisch. Extrem stark verarbeitete Lebensmittel könnten ihr zufolge eine hohe Energiedichte, einen hohen Gehalt an Natrium, gesättigten Fetten und einfachen Zuckern aufweisen.
Gleichzeitig seien sie arm an Ballaststoffen, Vitaminen und wichtigen Mineralien, zitiert „agrarheute“ aus einer Einschätzung der Organisation. Diese gesundheitsschädliche Kombination habe nichts mit dem Nährwert natürlicher Lebensmittel tierischen Ursprungs zu tun, die sie ersetzen sollen.
(Mit Material von dts)
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