Bargeld verzweifelt gesucht: Automatensterben geht rasant weiter
Nachdem die deutschen Bankhäuser ihre Kassierer schon vor Jahrzehnten aus dem Panzerglaskasten ins Backoffice versetzt und ihr Filialnetz ausgedünnt hatten, geht es nun auch immer mehr Geldautomaten an den Kragen: Viele Kreditinstitute wollen am liebsten gar nichts mehr mit Scheinen und Münzen zu tun haben.
Bereits 2021 und 2022 hatten allein die Volks- und Raiffeisenbanken etwa 1.800 Geldautomaten abgebaut, wie das „Handelsblatt“ berichtete. Ende 2022 habe der Branchenverband BVR nur noch 15.520 Bankomaten gezählt. Auch die Sparkassen hätten ihren Bestand bereits 2021 um etwas über 1.000 Geldautomaten auf nur noch gut 21.500 Stück reduziert. Nach Angaben der „Tagesschau“ sind derzeit bundesweit noch rund 55.000 Automaten im Betrieb – Tendenz sinkend.
Zum Vergleich: Das „Statistische Bundesamt“ hatte mit Stand April 2022 noch 17.300 Automaten im BVR-Verbund und 23.000 Sparkassen-Geräte ausgewiesen. Insgesamt hätten in Deutschland damals fast 57.000 Bankomaten gestanden.
Postbank will Serviceangebot verringern
Einer der „Vorreiter“ des Abbautrends ist nach Angaben des Onlineportals „inside digital“ die Deutsche Bank. Sie wolle ihre Postbank-Tochter einer großen Schrumpfkur unterziehen, bei der fast die Hälfte der Zweigstellen wegfallen werden – und mit ihnen die Schalter und Geldautomaten. Statt wie derzeit bundesweit etwa 550 Filialen solle es bis Mitte 2026 nur noch rund 300 Anlaufstellen für das Publikum geben, so das Portal „inside digital“.
Zudem solle es „in rund 100 Postbank-Filialen nur noch Bank-Dienstleistungen geben und keinen Post-Service mehr“. Nach Angaben eines Bank-Sprechers reagiere das Geldhaus damit auf die „veränderte Nachfrage“.
Mittelfristig sollen bei der Postbank auch sämtliche Bargeldtransaktionen der Vergangenheit angehören, wie „inside digital“ weiter schreibt: Die Kette wolle sich nämlich „zu einer Mobile-first-Bank“ wandeln, zu der ihre Kunden möglichst nur noch über Smartphones, Tablets oder Laptops den Kontakt halten sollen.
Raiffeisenbank im Hochtaunus machte alle Filialen dicht
Ähnlich Bargeldfeindliches gibt es von anderen Bankhäusern zu berichten. So sah die Raiffeisenbank im Hochtaunus eG schon länger keinen Sinn mehr in einem Filialnetz für ihre Kunden und schloss als erstes deutsches Kreditinstitut Ende 2022 ihre vier Außenstellen mitsamt der Automaten. Seitdem unterhält sie nur noch eine Hauptgeschäftsstelle inklusive Beratungscenter und Bankomat in Bad Homburg.
Gefragt nach dem Grund für das Beinahe-Aus der physischen Präsenz vor Ort, erklärte eine Sprecherin gegenüber der „Tagesschau“, dass die Filialen mit nur noch zwei Kunden pro Stunde nicht mehr lohnend hätten betrieben werden können:
Wir haben den Betrieb der Filialen lange Zeit subventioniert, inzwischen ist die Nachfrage seitens der Kunden allerdings so gering, dass wir uns im vergangenen Jahr dazu entschlossen haben, die Filialen mangels Nachfrage zu schließen.“
Wenn die Supermarktkasse zum Bankschalter wird
Zur Bargeldversorgung verwies die Sprecherin auf die Möglichkeit, sich beim Einkauf im Supermarkt einzudecken: REWE, Penny oder dm, um nur einige Ketten zu nennen, böten den Service bereits an ihren Kassen an.
Auf ihrer Website nennt die Raiffeisenbank auch die Geldautomaten im „BankCard ServiceNetz“ als Bargeldquelle. Das „ServiceNetz“ wird von Genossenschaftsbanken unterhalten, also von den übrigen Volksbanken, Raiffeisenbanken, Sparda-Banken, PSD-Banken oder der BBBank. Als potenzielle, allerdings kostenpflichtige Einzahl- oder Wechselstelle empfiehlt die Raiffeisenbank Hochtaunus die Filialen der Reisebank.
Was aber, wenn es im eigenen Wohnort keinen Supermarkt mehr gibt, wie etwa im hessischen 3.000-Seelen-Ort Astheim? Dort weigerte sich die Kreissparkasse Groß-Gerau nach Angaben der „Tagesschau“ sogar, einen Bargeldautomaten im Bürgerhaus aufzustellen, obwohl der Bürgermeister Jochen Engel bereit war, keine Standgebühr zu nehmen und obendrein einen Zuschuss zu zahlen. Trotz ihrer 43 Millionen Euro Jahresgewinn ließ sich die Sparkasse aber nicht umstimmen: Der Bürgermeister könne das Zuschussgeld ja nehmen, um Taxigutscheine für die Fahrt in die nächste Bankfiliale auszustellen.
Noch ein Kuriosum: In der Filiale einer Sparkasse in der Gemeinde Niederdorfelden unweit von Frankfurt am Main kann man seit Neuestem überhaupt kein Bargeld mehr einzahlen. Der Grund sei die „geringe Personalausstattung“, schreibt die „Hessische/Niedersächsische Allgemeine Zeitung“ (HNA).
Gute Gründe für Bargeld
Gerade in Deutschland zahlen besonders ältere Menschen noch immer gerne bar. Nach einer „Studie des Marktforschungsunternehmens Bonsai Research im Auftrag des Payment-Experten GLORY“ bevorzugen 44 Prozent Barzahlung und 43 Prozent die Kartenzahlung, wie die HNA vermeldete. Vor einigen Jahren aber habe der Anteil der Bargeldfans noch höher gelegen. Laut „inside digital“ gäben sie folgende Hauptgründe an:
- Kontrolle über die Ausgaben (35 Prozent)
- die persönliche Freiheit über die Bezahlform (17 Prozent)
- Datenschutz (13 Prozent)
- Gewohnheit (13 Prozent)
- grundsätzliche Befürwortung des Bargelds als Zahlungsmittel (13 Prozent)
Kettner: „Großes Ablenkungsmanöver“
Der prominente Edelmetallhändler Dominik Kettner warnt ebenfalls vor einem völligen Bargeldverzicht. Er betrachtet die Beispiele Niederdorfelden und Astheim als so etwas wie Testfelder für die Akzeptanz ungewohnter Maßnahmen durch die Bürger.
Kettner geht davon aus, dass die immer weiter voranschreitende Verknappung der Bargeldversorgung mit der „Einführung des digitalen Zentralbankgeldes“ („Central Bank Digital Currency“, CBDC) in der EU zu tun hat. Dieses werde zur „totalen Kontrolle aller Daten und aller Zahlungsströme“ dienen und letztlich „eine komplette Versklavung“ der Menschen ermöglichen (Video auf YouTube).
Teurer Automatenunterhalt, immer mehr Plastikdeals
Der Umgang mit Bargeldbeständen kostet die Banken und Sparkassen in Deutschland allerdings auch „jährlich rund zwei Milliarden Euro“, wie die „Tagesschau“ unter Berufung auf eine „Analyse der Unternehmensberatung McKinsey & Company“ berichtete.
Auch der Anteil der mit Bargeld getätigten Einkäufe schrumpfe jedes Jahr um ein bis zwei Prozent, und zwar „über alle Altersgruppen hinweg“. Käufe mit Plastikkarten nähmen dagegen jährlich „um fünf Prozent“ zu.
Auch Onlinebanking führt zum Zweigstellenschwund
Wie das „Handelsblatt“ schon im Juli berichtet hatte, ist die Zahl der Bankfilialen in der Bundesrepublik folgerichtig insgesamt im Sinkflug: Nur noch 20.446 Anlaufstellen habe es Ende 2022 gegeben – sechs Prozent weniger als ein Jahr zuvor. „2021 hatte der Zweigstellenschwund sogar bei fast zehn Prozent gelegen“, schreibt das „Handelsblatt“. Nach Einschätzung der Bundesbank liege das am Aufschwung des Onlinebankings infolge der Corona-Jahre. Außerdem werde die „rückläufige Entwicklung […] sich nach den bisher veröffentlichten Plänen der Banken weiter fortsetzen“, so ein Sprecher der Bundesbank. Auch die Commerzbank hatte nach Angaben von „t-online“ im Kalenderjahr 2022 deutschlandweit mehr als 200 Filialen geschlossen.
Insgesamt, so das „Handelsblatt“, habe es Ende 2022 noch 1.458 Geldhäuser in Deutschland gegeben. Das seien 61 weniger gewesen als noch im Jahr davor. Vor allem die 55 Bankfusionen hätten zu dem Rückgang geführt. Am meisten hätten die nun über 700 Genossenschaftsinstitute zu diesem Mittel gegriffen. Im Sparkassensektor mit seinen rund 360 Instituten habe es 2022 nur neun Fusionen gegeben.
„Menge an Bargeld steigt kontinuierlich an“
Wer allerdings glaubt, dass mit der zunehmenden Servicewüste und der Digitalisierung auch die Bargeldbestände immer geringer würden, der täuscht sich: „Die ausgegebene Menge an Bargeld steigt kontinuierlich an“, heißt es gleich zu Beginn eines Zustandsberichts der Deutschen Bundesbank vom Februar 2023 (PDF).
Im Schnitt sei der „Banknotenumlauf“ in den letzten zehn Jahren „durchschnittlich um etwa sechs Prozent pro Jahr gestiegen“, wie „inside digital“ bestätigte. Zum Jahresende 2022 waren in den Staaten des Eurosystems laut Bundesbank 1.572 Milliarden Euro in Geldscheinen im Umlauf. Im Jahr der Erstausgabe des Euros 2002 waren es nur knapp 360 Milliarden gewesen.
Im Jahr 2022 habe es im gesamten Eurosystem allerdings nur noch einen nominellen Wertzuwachs von 1,8 Prozent an Bargeld gegeben. Zum Vergleich: 2020 hatte die Bundesbank 9,5 Prozent mehr an Banknotenwerten in Umlauf gebracht als 2019; im gesamten Eurosystem lag die Wachstumsquote damals sogar bei elf Prozent.
Die mit Abstand verbreitetste Banknote ist übrigens der 50-Euro-Schein: Ende des Jahres 2022 waren über 1,4 Milliarden Stück davon im Umlauf.
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