ARD will Ersparnisse der Bürger für Klimamaßnahmen mobilisieren

Nach dem Rückschlag für den „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) regt eine ARD-Sendung an, einen privat finanzierten „Energiewende-Fonds“ mit jährlich bis zu 200 Milliarden Euro auszustatten. Verbunden wird dies mit dem Hinweis auf „7,5 Billionen auf Konten der Bürger“.
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In der ARD-Sendung „Wirtschaft vor acht“ ging es um mögliche Szenarien zur privaten Beschaffung von Finanzmitteln zur Energiewende. Symbolbild.Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images
Von 6. Dezember 2023

Das Schuldenbremse-Urteil des Bundesverfassungsgerichts beschäftigt nicht nur die Politik, sondern auch die öffentlich-rechtlichen Medien. Der „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) hat mit einem Mal 60 Milliarden Euro weniger, auf die er zurückgreifen kann. Deren Fehlen und die möglichen Konsequenzen daraus waren am Freitag, 1. Dezember, Themen in der Ausgabe der ARD-Sendung „Wirtschaft vor acht“.

ARD entdeckt die Privatinitiative

Moderator Markus Gürne beschäftigte sich mit einer Frage, mit der sonst meist nur Libertäre konfrontiert werden. Diese lautet: „Ohne Staat – wer baut die Straßen?“ Im Fall der sogenannten Energiewende geht es allerdings nicht nur um die Verkehrsinfrastruktur, sondern auch um die „nachhaltige Transformation“ der Industrie, der Energieversorgung oder der Kreislaufwirtschaft.

Gürne kam zu der Antwort, dass es der staatlichen Milliarden möglicherweise gar nicht bedürfe, um die erforderlichen Investitionen in die „Energiewende“ zu bewerkstelligen. In diesem Zusammenhang regte er an, einfach auf privatwirtschaftlicher Basis einen „Energiewende-Fonds“ aufzulegen. Über diesen wäre es möglich, die erforderlichen 200 Milliarden Euro jährlich für die Klimaneutralität bis 2045 aufzubringen.

Zudem lasse sich Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit so wieder herstellen – ganz ohne Haushaltstricks und ohne Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht. Andere Länder hätten „früh erkannt, dass mit Klimawandel Geld zu verdienen ist“, so Gürne. Und auf privaten Konten deutscher Bürger lagerten immerhin etwa 7,5 Billionen Euro.

Idee ist weder neu noch revolutionär

Gürne spricht von einem freiwilligen Angebot. Er spricht von mehr Finanzbildung und dem „Erkenntnis, dass Ökonomie und Ökologie keine Gegensätze“ seien. Ökonomie könne Ökologie finanzieren und das verbindende Element könne die Rendite sein.

Ein „Energiewende-Fonds“ könne von Bund und Länder, der Wirtschaft und von Bürgern mit den erforderlichen Mitteln ausgestattet werden. Statt mittels Sondervermögen und Kreditaufnahme der öffentlichen Hand 60 Milliarden Euro aufzubringen, sollen privat 200 Milliarden jährlich eingesammelt werden.

In einem Land mit gering ausgeprägter Aktienkultur wie Deutschland eine breite öffentliche Beteiligung an Fondskonstrukten zu fordern, klingt revolutionär. Allerdings ist die Idee dies nicht, und sie ist auch nicht neu. Sogenannte Nachhaltigkeits- oder Ethikfonds bringen in Österreich, Deutschland und der Schweiz zwar noch keine 200 Milliarden Euro im Jahr auf. Im Jahr 2019 soll sich ihr Marktvolumen bereits auf 838,83 Milliarden Euro insgesamt seit Auflage belaufen haben.

Nachhaltigkeitsfonds zeigen passable Leistung – Unsicherheitsfaktor bleibt „organisches“ Wachstum

Die Fonds funktionieren entweder nach dem Ausschlussprinzip – also der Nichtinvestition in nicht erwünschte Assets – oder mittels Positivkriterien. In diesem Fall müssen Unternehmen bestimmte Standards oder Selbstverpflichtungen erfüllen, um für Investitionen in Betracht zu kommen.

Die sogenannten ESG-Standards sollen in diesem Zusammenhang eine Orientierung bieten. Allerdings gibt es häufig unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie die Ausschluss- oder Positivkriterien im Einzelnen aussehen sollen. Einige Anleger wollen in klimaneutrale Projekte investieren, lehnen aber bestimmte soziale Anliegen ab, die Teil von ESG-Kriterien sein können. Außerdem herrscht Uneinigkeit darüber. Inwieweit Kernkraft als „nachhaltige“ Form der Energieerzeugung gelten soll.

Die Performance sogenannter Nachhaltigkeitsfonds ist über die vergangenen zwei Jahrzehnte meist positiv gewesen. Dies ging beispielsweise aus einer „Morning Star“-Analyse aus dem Jahr 2019 hervor. Allerdings stellt sich stets die Frage, inwieweit die Gewinne der abgedeckten Unternehmen „organisch“ gewachsen sind. In vielen Bereichen können auch politische Interventionen wie Subventionen zum Ertrag „nachhaltiger“ Unternehmen beigetragen haben.

Kommunen müssten ihre Richtlinien zur Geldanlage weitreichend überarbeiten

Bereits jetzt haben Bürger und Unternehmen also nicht nur die Möglichkeit, ihr Geld in sogenannte Nachhaltigkeitsfonds zu investieren – viele machen von dieser auch Gebrauch. Es liegt also nicht an der Privatwirtschaft, wenn die Ausstattung solcher Fonds aus Sicht der ARD zu knapp bemessen ist. Es liegt viel mehr am Staat selbst und an Gesetzen und Satzungen, die Bund, Länder und Gemeinden binden.

Öffentliche Institutionen unterliegen bestimmten gesetzlichen und satzungsmäßigen Schranken, die ihre Investitionstätigkeiten beeinflussen können. Diese Schranken können in Form von Gesetzen, Vorschriften oder internen Richtlinien vorliegen, die die Art und Weise regeln, wie öffentliche Gelder investiert werden können. Die Anforderungen sind im Laufe der vergangenen Jahre deutlich härter geworden, nachdem in den 2000er-Jahren mehrfach Gemeinden öffentliche Mittel in hochspekulativen Anlagen verzockt hatten. Erst 2021 erregte der Fall der Greensill-Bank in Bremen Aufsehen.

Gesetzliche und satzungsmäßige Vorgaben bei der Verwendung öffentlicher Mittel sind heute regelmäßig sehr eng gefasst. De facto läuft dies darauf hinaus, dass eine Anlage in Fonds durch die öffentliche Hand nur im streng geregelten Fall von Geldmarktfonds zulässig ist. Eine Anlage in festverzinsliche Wertpapiere ist nur zulässig, wenn Kursverluste nicht zu befürchten sind. Spekulative Anlagen sind in der Regel nicht erlaubt. Um solche würde es sich jedoch bei Konstrukten wie dem vonseiten der ARD angeregten aber definitionsgemäß handeln, wenn der Fonds gewinnorientiert sein soll.

ARD nennt Katastrophenrezepte der Vergangenheit als Optionen

Möglich ist jedoch unter anderem die Beteiligung von Gemeinden an Windkraft- und Solaranlagen, die auf ihrem Territorium entstehen. Eine Grundlage dafür findet sich in § 6 EEG – und diese Option soll die lokale Akzeptanz von erneuerbaren Energien steigern. Allerdings stellt sich auch hier die Frage, wie ertragreich diese Anlagen ohne die dafür gewährten öffentlichen Subventionen wären.

Deren Gesamtsumme ist aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen Ansätzen schwer zu beziffern. Bereits in den 2000er-Jahren hatten sich die jährlichen öffentlichen Fördermittel für erneuerbare Energien auf dreistellige Milliardensummen belaufen. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit die Rendite aus solchen Projekten an die zuvor vergebenen Summen heranreicht.

Ein weiterer Vorschlag der ARD-Sendung „Wirtschaft vor acht“ legt unterdessen die Annahme eines kurzen Gedächtnisses nahe. So fordert Moderator Markus Gürnes eine „Aufweichung strenger Sicherheitsregeln für Banken bei grünen Krediten“ und einen einfacheren Zugang zu Fördergeldern.

Vor allem die erstgenannte Option – Sicherheitsregeln bei Krediten aufweichen, um politische Anliegen zu fördern – hat einen bitteren Beigeschmack. In den 1990er-Jahren wollten die USA mit diesem Ansatz Personen mit geringer Kreditwürdigkeit den Zugang zu Hypothekendarlehen erleichtern. Die Folge des Platzens der dadurch bewirkten Subprime-Blase führte direkt in die Weltfinanzkrise von 2008.



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