In diesen Bereichen schaffen KI und Roboter Arbeitsplätze ab

Automatisierung, Verschiebungen im Arbeitsmarkt durch Künstliche Intelligenz: Moderne Technologien revolutionieren unsere Arbeitsweise – und wecken Ängste. Sind diese Ängste berechtigt?
Anlageexperte: „Die KI-Blase wird bald platzen“
Künstliche Intelligenz (KI) wird einen massiven Einfluss auf den Arbeitsmarkt haben.Foto: iStock/NanoStockk
Von 31. August 2024

„Bei Hermes arbeiten jetzt Roboterhunde“ – so titelte die „Bild“ in der letzten Woche. „Spot“, so heißt der Roboter, soll im Logistikzentrum des Unternehmens in Haldensleben zum Einsatz kommen. Dort soll der Roboter, wie Bild berichtet, menschliche Mitarbeiter entlasten. Hermes Fulfilment ist der zentrale Lager- und Logistikdienstleister der Otto Group und betreibt in Haldensleben eines der größten Versandzentren in Europa.

Im Versandzentrum soll „Spot“ eingesetzt werden, um die Leitungssysteme in den Techniktunneln zu überwachen. Diese Tunnel sind für Menschen teilweise schwer zugänglich.

Pakete tragen kann der Roboterhund nicht. Dafür wurde er auch nicht entwickelt. Laut „Bild“ soll dafür aber ein weiterer Roboter mit dem Namen „Stretch“ zum Einsatz kommen. Dieser soll in der Lage sein, schwere Pakete zu entladen. Innerhalb der nächsten zwei Jahre plant der Otto-Konzern den Einsatz solcher Roboter in 20 Logistikzentren.

Amazon setzt zunehmend auf Maschinen

Auch der Onlineversandhändler Amazon hat ehrgeizige Pläne. Momentan testet der Internetriese ein neues System namens Sequoia für seine Logistikzentren. Sequoia soll genutzt werden, um Produkte mithilfe von KI und Robotik für den Versand vorzubereiten. Damit sollen Bestellungen nicht nur schneller, sondern auch sicherer bearbeitet werden.

Im Moment ist das Robotersystem in einem Fulfillment Center in Houston in Texas als Probelauf im Einsatz. Sequoia umfasst Roboterarme, Portalsysteme und ein mobiles Regal, das die Behälter zu einem neuen Arbeitsplatz für die Mitarbeiter transportiert, beschreibt Scott Dresser, Vizepräsident von Amazon Robotics, in einem Blogbeitrag das System.

Mobile Roboter transportieren in Containern gelagerte Waren zu einem Portal, einem hohen Gestell mit einer Plattform. Auf dieser Plattform befinden sich Geräte, die entweder die Behälter auffüllen oder sie an einen Mitarbeiter weiterleiten, der die von Kunden bestellten Waren entnimmt.

An einem neu gestalteten ergonomischen Arbeitsplatz, der es den Mitarbeitern ermöglicht, auf Hüfthöhe zu arbeiten, kommen diese Behälter zu den Mitarbeitern. Dadurch müssen sie nicht mehr regelmäßig über den Kopf greifen oder sich hinhocken, um Kundenbestellungen zu kommissionieren, erklärt Dresser das System. Zwar betont der Amazon-Robotics-Vize Dresser in seinem Beitrag die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine, doch dass die Automatisierung der Betriebsabläufe durch das System Sequoia am Ende nicht auch Auswirkungen auf die Beschäftigtenzahlen von Amazon hat, kann nicht ausgeschlossen werden.  

Der Otto-Konzern und Amazon sind nur zwei Beispiele für die Zunahme von Robotern in Unternehmen. Künstliche Intelligenz (KI) und Roboter automatisieren zunehmend mehr Tätigkeiten in den unterschiedlichsten Berufen. Die neuen Technologien werden die Arbeitswelt in den kommenden Jahren maßgeblich verändern. 

KI greift weiter als Automatisierung

Bei Robotern dreht es sich vor allem um das Automatisieren von Produktionsprozessen in der Fabrik. Roboter übernehmen immer mehr die Aufgaben von Menschen. KI geht nun einen Schritt weiter und dringt in Bereiche ein, die bisher als Hoheitsgebiet des Menschen galten. KI kann unstrukturierte Daten übernehmen und verarbeiten. Damit hat sie das Potenzial, auch Aufgaben des Wissensarbeiters zu übernehmen. 

In Deutschland äußerte im Juni letzten Jahres fast ein Viertel der Arbeitnehmer (23 Prozent) Bedenken, durch Maschinen oder Technologien ersetzt zu werden. Weltweit äußerten über ein Drittel (35 Prozent) diese Angst. Die größte Sorge um den Verlust des Arbeitsplatzes durch technologische Fortschritte herrscht in Saudi-Arabien (56 Prozent), Indien (52 Prozent) und China (48 Prozent). In Italien hingegen ist die Furcht am geringsten; dort befürchtet nur etwa jeder sechste Beschäftigte (15 Prozent), dass Maschinen zukünftig seinen Arbeitsplatz einnehmen könnten.

Das sind Ergebnisse des „Future Consumer Index “ der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young GmbH (EY) aus Stuttgart. In der weltweiten Umfrage unter mehr als 21.000 Menschen – 1.000 davon in Deutschland – wurden erstmals auch die möglichen Auswirkungen von KI auf die Arbeitswelt thematisiert.

„Wir verbinden in Deutschland die Würde des Menschen mit der Arbeit, die die Person macht, zum Guten wie zum Schlechten. Die Arbeit, die wir leisten, ist wichtig für unser Selbstbild“, erklärt Technikphilosoph Christian Schröter die herrschende Skepsis gegenüber neuen Technologien in der „Welt“. „Wenn mir dann plötzlich jemand sagt, dass diese Kiste da drüben das Gleiche können soll wie ich, obwohl ich mich jahrelang, vielleicht jahrzehntelang damit beschäftigt habe, dann kann es sein, dass ich mich persönlich angegriffen fühle.“ Schröter ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz und hat sich dort auf die Theorie und Geschichte der Künstlichen Intelligenz spezialisiert.

46 Prozent gegen KI am Arbeitsplatz

Das Thema KI am Arbeitsplatz spaltet Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine Befragung im Auftrag des Digitalverbands Bitkom aus dem April dieses Jahres. 51 Prozent der Befragten gaben demnach an, dass sie sich wünschtn würden, dass KI in Zukunft für sie eintönige Routinearbeiten in ihrem Job erledigt. Allerdings sprachen sich mit 46 Prozent fast die gleiche Anzahl der Befragten dagegen aus. 45 Prozent der Arbeitnehmer würden sich eine KI als persönlichen Assistenten am Arbeitsplatz wünschen, obwohl nur 31 Prozent überzeugt sind, dass eine KI sie in ihrem momentanen Job tatsächlich unterstützen kann. Jedoch glauben 13 Prozent, dass sie in Zukunft möglicherweise vollständig durch eine KI in ihrem Job ersetzt werden könnten. Im Auftrag von Bitkom wurden 511 Arbeitnehmer befragt. 

„Künstliche Intelligenz wird in den kommenden Jahren in praktisch allen Berufen Tätigkeiten verändern und Beschäftigte entlasten. KI wird in vorhandene Technologien integriert – zum Beispiel im Büro. Es werden aber auch ganz neue Anwendungen entstehen – zum Beispiel in der industriellen Fertigung, der Gesundheitsversorgung oder in Kreativ-Berufen“, kommentierte Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst die Befragung. Die KI werde dabei „in erster Linie den Menschen unterstützen“, indem sie „wiederholende Aufgaben übernimmt, auf eventuelle Fehler hinweist oder wichtige Erkenntnisse aus großen Datenmengen zieht“. 

60 Prozent der Jobs durch KI beeinflusst

Eine aktuelle Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) kommt zu dem Ergebnis, dass 60 Prozent der Jobs auf der Welt durch KI beeinflusst sind. Das ist also eine deutliche Mehrheit. Der Einfluss von KI auf den jeweiligen Arbeitsplatz, darauf weist der IWF hin, ist allerdings unterschiedlich. 

Eine Studie der Investmentbank Goldman Sachs aus dem April des vergangenen Jahres, kommt zum Ergebnis, dass KI möglicherweise bis zu einem Viertel der derzeitigen Arbeitsplätze in den USA und Europa massiv beeinflussen könnte. Die Bank spricht von rund 300 Millionen Arbeitsplätzen. 

„Obwohl es noch viele Unsicherheiten über das Potential von generativer KI gibt, ist ihre Fähigkeit, Inhalte zu erstellen, die sich nicht von menschlich erstellten Inhalten unterscheiden, und die Kommunikation zwischen Menschen und Maschinen zu erleichtern, ein großer Fortschritt. Dieser Fortschritt könnte große Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft haben“, schreiben die Ökonomen Joseph Briggs und Devesh Kodnani von Goldman Sachs im Bericht.

In den USA sind laut Goldman Sachs am meisten Büro- und Verwaltungsarbeiten von der Automatisierung bedroht. Gefährdungspotenzial sieht die Studie auch bei Berufen in den Bereichen Recht, Architektur und Ingenieurwesen. Dagegen sind manuelle Tätigkeiten wie in der Wartung, Reparatur und im Bauwesen weniger betroffen.

Ähnliche Trends zeigen sich in Europa, wo unterstützende Bürotätigkeiten stark von der Automatisierung beeinträchtigt werden könnten. Potenziell sind hier 45 Prozent der Arbeit automatisierbar. Im Gegensatz dazu sind im Handwerk und ähnlichen Berufen nur 4 Prozent der Tätigkeiten gefährdet.

Außerhalb der USA und Europas werden Japan und Israel als die Länder eingeschätzt, die wahrscheinlich am stärksten von Automatisierung betroffen sein werden. In Ländern wie China, Vietnam und Indien hingegen wird erwartet, dass die Auswirkungen der Automatisierung am geringsten sein werden.

Job des Buchhalters am meisten beeinflusst

Eine Untersuchung von OpenAI, den Entwicklern von ChatGPT, und Forschern der University of Pennsylvania zeigt, dass Buchhalter unter den Berufen sind, die voraussichtlich am meisten von den Entwicklungen in der generativen Künstlichen Intelligenz beeinflusst werden könnten. Weiterhin wird erwartet, dass auch Mathematiker, Programmierer, Dolmetscher, Schriftsteller und Journalisten sich darauf vorbereiten sollten, dass Künstliche Intelligenz zukünftig einige ihrer bisherigen Tätigkeiten übernehmen könnte.

Wenn auch viele Berufe durch einen verstärkten Einsatz von KI beeinflusst werden, gibt die Studie von Goldman Sachs aber auch Entwarnung: Nur sieben Prozent der Arbeitsplätze werden nach ihrer Prognose vollständig durch KI ersetzt werden. 

Langfristig sieht Goldman Sachs sogar ein Beschäftigungswachstum. Schon in der Vergangenheit seien durch Automatisierung verdrängte Arbeitsplätze durch Schaffung neuer Arbeitsplätze ausgeglichen worden. Die Entstehung neuer Berufe infolge technologischer Innovationen ist laut Bericht für den größten Teil des langfristigen Beschäftigungswachstums verantwortlich. So führten beispielsweise Innovationen in der Informationstechnologie zu neuen Berufen wie Webseitendesignern, Softwareentwicklern und Fachleuten für digitales Marketing.

Zu dem Ergebnis, dass Arbeitsplatzverluste in der Vergangenheit immer wieder durch neue Arbeitsplätze ausgeglichen werden, kam für Deutschland schon 2019 das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in einer Studie. Die Studie hatte untersucht, in welchem Ausmaß Betriebe zwischen 1976 und 2017 Arbeitsplätze auf- und abgebaut haben.

Über die Jahre zeigt sich ein zyklisches Muster im Auf- und Abbau von Arbeitsplätzen. Nach dem sogenannten zweiten Ölpreisschock in den Jahren 1979/1980 fiel die Rate des Arbeitsplatzaufbaus stark ab. Infolgedessen reduzierte sich die Gesamtzahl der Arbeitsplätze, die Arbeitslosenquote stieg. Vom Beginn der 1980er- bis zum Anfang der 1990er-Jahre wurde jedoch ein positiver Saldo erreicht, da in diesem Zeitraum mehr Arbeitsplätze geschaffen als abgebaut wurden.

Zu Beginn der 1990er-Jahre verdoppelte sich die Rate des Arbeitsplatzabbaus in Deutschland von sechs auf 12 Prozent. Dieser Anstieg war teilweise eine Folge der Anpassungen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Nach der deutschen Wiedervereinigung kam es besonders in den neuen Bundesländern zu einem Rückgang der Beschäftigung in den ehemaligen Staatsunternehmen. Ebenso mussten Unternehmen in Westdeutschland aufgrund der neuen Konkurrenz aus Osteuropa erhebliche Anpassungen vornehmen. Seit 2006 stieg die Zahl der Arbeitsplätze jedoch wieder an, und es entstanden mehr Stellen, als abgebaut wurden. Dieser positive Trend, so die IAB-Studie, ist hauptsächlich auf die Hartz-Reformen und die zurückhaltende Lohnentwicklung der Vorjahre zurückzuführen. Eine Ausnahme stellte das Jahr 2009 dar, als der deutsche Arbeitsmarkt von der globalen großen Rezession betroffen war.  Allerdings entstanden, wie das IAB schreibt, auch während dieser Zeit beträchtlich neue Arbeitsplätze.

Vorsicht angebracht

Zu einer gesunden Skepsis rät der Präsident der Gesellschaft für Angstforschung, Peter Zwanzger, im Hinblick auf Automatisierung und KI gegenüber dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) trotzdem. „Die Lebenserfahrung lehrt uns, dass nicht wirklich jede Veränderung und Innovation gewinnbringend ist. Kluge Menschen wissen, dass damit auch Gefahren verbunden sein können, die klug evaluiert und sorgfältig abgewägt werden müssen“, betont Zwanzger.

Die Sorge über mögliche Veränderung sei nicht unbedingt das Gleiche wie die Ablehnung der neuen Technik, betont Karsten Weber, Experte für Technikfolgenabschätzung an der OTH Regensburg. „Hier geht es um eine Technologie, die weitreichende Konsequenzen haben kann. Eine gewisse Vorsicht ist sicherlich nicht ungeschickt“, so Weber weiter.



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