Amazon-Vize Bray verlässt den Konzern – und kritisiert Repressalien gegen Lagerarbeiter und „Klimaschützer“
In einem Blogpost hat der leitende Ingenieur von Amazon Web Services und Vizepräsident des Konzerns, Tim Bray, seine Kündigung nach knapp fünfeinhalb Jahren bekannt gemacht und die Gründe dafür dargelegt. Bray wirft der Unternehmensführung in seinem Beitrag vor, Kritiker der Unternehmenspolitik und Whistleblower entlassen zu haben – unter anderem im Zusammenhang mit Arbeitsschutzstandards in der Corona-Krise. Auch habe man entgegen anderslautender Ankündigungen in der Öffentlichkeit Aktivisten unter Druck gesetzt, die im Zeichen der „Klimagerechtigkeit“ ihre Arbeit niedergelegt hatten.
Amazon erklärt alle erforderlichen Sicherheitsstandards für gewährleistet
„Mit Big-Tech-Gehältern und Unternehmensanteilen wird mich das wahrscheinlich mehr als eine Million vor Steuern kosten“, schreibt Bray, „ganz zu schweigen vom besten Job, den ich je hatte und die Arbeit mit wirklich tollen Leuten. Deshalb bin ich ziemlich traurig.“
Unmittelbarer Anlass für seinen Schritt sei der Umgang mit Beschäftigten in den Lagerhäusern des Konzerns gewesen. In einigen davon hatte sich Unmut geregt. Arbeiter fühlten sich uninformiert über ihr Corona-Risiko und wähnten sich unzureichend geschützt. Vonseiten der Konzernleitung hieß es, alle erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen wären gewährleistet.
Anschließend sei aber ein Arbeiter gefeuert worden, der sich für bessere Sicherheitsvorkehrungen ausgesprochen hätte. In weiterer Folge hätten Leaks aus einer Vorstandssitzung „extrem unsensible“ Äußerungen dokumentiert, die in diesem Zusammenhang gefallen seien.
Sprecher der Lagerarbeiter sollte lächerlich gemacht werden
Der „Business Insider“ berichtet, dass es sich bei dem im März entlassenen Arbeiter um Chris Smalls gehandelt haben soll, der in New York Kampfmaßnahmen zu organisieren versucht hat. Amazon-Firmenanwalt David Zapolsky soll in einem Meeting, bei dem auch CEO Jeff Bezos anwesend gewesen sei, vorgeschlagen haben, Smalls zur Zielscheibe einer Kampagne zu machen und ihn als Gesicht der protestierenden Arbeiter zu präsentieren.
Zapolsky soll in diesem Zusammenhang geäußert haben: „Er ist nicht sehr klug oder redegewandt, und sofern die Presse das zu einer Sache ‚wir gegen ihn‘ machen will, werden wird PR-mäßig in einer deutlich besseren Position sein.“
Im April entließ Amazon auch zwei Designer, die sich über den Umgang des Konzerns mit Lagerarbeitern beschwert hatten. In einem Fall handelte es sich um Emily Cunningham.
Amazon reagierte verständnisarm auf Beteiligung am „Klimastreik“
Bereits im Vorjahr hätte, so beklagt Bray weiter, eine Tech-Ingenieursgruppe von Amazon eine Vereinigung „Amazon-Beschäftigte für Klimagerechtigkeit“ (AECJ) gegründet und einen offenen Brief an die Anteilseigner gerichtet mit der Aufforderung, Amazon möge „drastische Maßnahmen“ setzen und Führerschaft beweisen, wenn es um die Reaktion auf den „Klimanotstand“ gehe.
Zwar hätten fast 9.000 Personen den Brief unterzeichnet und einige Aktionäre für einen groß angelegten „Klima-Aktionsplan“ gestimmt, am Ende hätte es jedoch keine Mehrheiten dafür gegeben. Als 3.000 Mitarbeiter vier Monate später den Arbeitsplatz verlassen hatten, um sich dem „Globalen Klimastreik“ anzuschließen, seien die Wortführer sogar mit der Entlassung bedroht worden.
Designer nach Veranstaltung mit Naomi Klein gefeuert
Auch jetzt in der Corona-Krise hätten sich Beschäftigte an die AECJ gewandt. Obwohl thematisch sachfremd, hatte die Gruppe am 16. April eine Petition und ein Video unter Mitwirkung der „Klimaaktivistin“ Naomi Klein produziert. Die Designer Emily Cunningham und Maren Costa, die bereits zuvor eine Rolle in der AECJ gespielt hatten, wurden noch am gleichen Tag gefeuert. Bray meinte, die Begründung dafür wäre „lachhaft“ gewesen, „jeder vernünftige Beobachter“ hätte sehen können, dass sie für „Whistleblowing“ sanktioniert worden wären.
„Das Management hätte sich gegen die Veranstaltung aussprechen können“, schreibt der Ex-Vize, „oder den Ausschluss Außenstehender verlangen, oder die Beteiligung der Führung – oder vieles andere, Zeit wäre genug gewesen. Stattdessen haben sie einfach die Aktivisten gefeuert.“
Bray will erst einmal Biografie schreiben
Mittlerweile sollen, wie Bray später in einem Tweet erklärte, bereits konkurrierende Unternehmen ihr Interesse an ihm bekundet haben – neben Google und Comcast auch der dem totalitären KP-Regime in China nahestehende Konzern Huawei.
Bray habe jedoch abgewunken. Er sei derzeit „nicht auf Arbeitssuche“, sondern wolle als Blogger „die Geschichte seines Lebens“ schreiben. Gegenüber dem Business Insider erklärte er, mit seinem Post „keine Agenda“ zu verfolgen.
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