Abwärtstrend im Bausektor: Finanzierung auf Zwölf-Jahres-Tief
Die Lage am deutschen Immobilienmarkt bleibt weiter angespannt und unsicher. Im Zuge der Zinserhöhungen seit Juli letzten Jahres fiel das Neugeschäft deutscher Banken im Dezember auf ein Zwölf-Jahres-Tief. Wie am Montag veröffentlichte Daten der Beratungsfirma Barkow Consulting zeigen, ist das Geschäft mit Immobiliendarlehen an Privathaushalte und Selbstständige im Dezember um 43 Prozent zum Vorjahresmonat gesunken. Mit einem Volumen von 13,5 Milliarden Euro liege das Geschäft auf dem niedrigsten Stand seit Juni 2011, heißt es in der Analyse der Berater.
Barkow Consulting verweist weiter darauf, dass das abgeschlossene Neufinanzierungsvolumen mit dem Dezember-Minus bereits den vierten Negativrekord seit Beginn der Datenaufzeichnungen im Jahr 2003 darstellt. Der Höchststand wurde demnach im März letzten Jahres mit 32,3 Milliarden Euro erreicht. Vergleicht man das Ergebnis aus dem Dezember mit diesem Wert, dann beträgt der Rückgang fast 60 Prozent. Die Untersuchung stützt sich auf Zahlen der Europäischen Zentralbank und der Bundesbank.
Zinssprung in so kurzer Zeit einmalig
Die Bauzinsen haben im vergangenen Jahr einen historischen Zinssprung hingelegt. In einem Interview für den YouTube-Kanal des Finanzierungsvermittlers Dr. Klein spricht Vorstandsvorsitzender Michael Neumann von einer Vervierfachung der Zinsen. So einen enormen Zinssprung in so kurzer Zeit habe es noch nie gegeben, sagt der Experte. Für das erste Halbjahr 2023 rechnet Neumann damit, dass der Markt tendenziell steigende Zinsen erleben wird. Bei einem zehnjährigen Hypothekendarlehen rechnet der Zinsexperte dann mit Zinsen zwischen 3,5 bis 4,5 Prozent.
Aktuell liegen die Zinsen für zehnjährige Darlehen im Schnitt bei 3,6 Prozent. Im Herbst vergangenen Jahres lagen sie zwischenzeitlich sogar über vier Prozent, Anfang Januar noch bei rund 3,9 Prozent.
Planungssicherheit in der Immobilienbranche dahin
Die Gründe für den Rückgang der Nachfrage nach Immobiliendarlehen ist aber nicht nur auf den Anstieg der Zinsen zurückzuführen. Der zweite Grund sind die hohen Baukosten. Diese hatten schon im vergangenen Jahr zur Stornierung vieler Bauprojekte geführt.
Nach einer Umfrage des ifo Instituts aus dem Oktober gaben damals fast 17 Prozent der Unternehmen an, von Stornierungen im Wohnungsbau betroffen zu sein. „Aufgrund der explodierenden Material- und Energiepreise sowie der steigenden Finanzierungszinsen ist die Planungssicherheit dahin. Die Baukosten steigen immer weiter. Für einige Bauherren ist das alles nicht mehr darstellbar, sie stellen Projekte zurück oder ziehen ganz die Reißleine“, sagte damals ifo Forscher Felix Leiss.
Neben den hohen Baukosten gibt es auch viele Probleme beim Baumaterial. Laut der Umfrage des ifo Instituts meldeten 32,7 Prozent der Unternehmen der Baubranche im Oktober Engpässe. Im September hatte der Anteil noch bei 36,4 Prozent gelegen. „Die Materialengpässe entspannen sich nur langsam und die hohen Energiepreise verteuern das knappe Material zusätzlich. Die Bauunternehmen müssen die höheren Beschaffungskosten an die Kunden weitergeben. Für die kommenden Monate sind auf breiter Front weitere Preiserhöhungen geplant“, sagte Leiss damals.
Für viele Menschen platzt im Moment der Traum von den eigenen vier Wänden, da eine Planungssicherheit nicht mehr gegeben ist. Das stellten schon im vergangenen Jahr die Sparkassen und Bausparkassen fest. „Die Nachfrage ist von einem Tag auf den anderen eingebrochen, viele Projekte im Planungsstadium werden storniert“, sagte Sparkassenpräsident Helmut Schleweis im Oktober im Interview mit dem „Handelsblatt“. Verantwortlich laut Schleweis sei die Unsicherheit der Menschen und „dass es durch fehlende Materialien und höhere Preise kaum Kalkulationssicherheit gibt“. Im ersten Halbjahr 2022 habe die Nachfrage nach Immobilienkrediten noch deutlich höher gelegen.
Interesse an Immobilieninvestments gesunken
Auch Finanzierungsvermittler berichten von viel Zurückhaltung bei Kunden. „Bei Kapitalanlegern ist das Interesse an Immobilieninvestments gesunken, bei Eigennutzern die finanzielle Machbarkeit“, sagt Dr. Klein-Vorstandschef Michael Neumann laut Nachrichtenagentur dpa.
Insgesamt könnten sich momentan weniger Menschen eine Immobilie leisten, weil sie das empfohlene Eigenkapital von 20 Prozent des Kaufpreises nicht aufbringen können, beobachtet Tomas Peeters, Chef von Baufi24. Und Jörg Utecht, Chef der Interhyp-Gruppe, sagt: „Insbesondere Kapitalanleger halten sich derzeit zurück, da sich für sie der Immobilienkauf im aktuellen Umfeld nicht mehr rentiert.“
Galt eine Immobilieninvestition bisher immer als gute Geldanlage, hat sich das inzwischen gewandelt. Am Markt herrscht große Unsicherheit, wie weit die Preise nach dem Boom der letzten Jahre fallen könnten.
Sinkende Preise bei Bestandsimmobilien und Eigentumswohnungen
Diese Angst ist nicht so weit hergeholt. Die nach eigenen Angaben „größte deutsche Transaktionsplattform für Immobilienfinanzierungen, Bausparprodukte und Ratenkredite“, Europace hat zuletzt am 12. Januar den monatlich erscheinenden „Europace Hauspreisindex“ veröffentlicht. Der Index belegt sinkende Preise bei Bestandsimmobilien und Eigentumswohnungen. Die Preise für Neubauten halten sich dagegen stabil. Berücksichtigt wurden dabei Daten bis Dezember.
So fielen die Preise für Eigentumswohnungen um 1,86 Prozent am stärksten. Der Hauspreisindex landete bei 210,85 Indexpunkten. Auch im Vorjahresvergleich reduzierten sich die Eigentumspreise um 4,24 Prozent. Die Preise des Segments neuer Ein- und Zweifamilienhäuser sanken um 0,20 Prozent leicht und bleiben weitestgehend stabil. Der Index kommt auf 226,31 Punkte. Innerhalb der letzten zwölf Monate stiegen die Kosten in diesem Bereich um 5,03 Prozent.
Für Bestandshäuser liegt der Europace Hauspreisindex (EPX) im Dezember bei 200,37 Punkten. Das Segment nahm um 1,63 Prozent ab. Im Vergleich zum Vorjahr fielen die Preise für Bestandshäuser um 3,30 Prozent. Der Gesamtindex nahm im Vergleich zum Vormonat um 1,21 Prozent ab und sank auf 212,51 Indexpunkte im Dezember. Im Vorjahreszeitraum reduzierten sich die Preise um 0,83 Prozent.
„Auch im Dezember zeigt der Europace Hauspreisindex weiterhin fallende Immobilienpreise für Bestandshäuser und Eigentumswohnungen. Die Preise für neue Ein- und Zweifamilienhäuser halten sich derweil weitestgehend stabil. Für 2023 rechnen wir frühestens in den Sommermonaten mit einer Entspannung des Marktes”, kommentiert Stefan Münter, CEO und Vorstand von Europace, den Hauspreisindex.
Der EPX-Hauspreisindex basiert laut der Aussage des Anbieters auf tatsächlichen Transaktionsdaten der Immobilienfinanzierung des Europace-Finanzierungsmarktplatzes. Über Europace werden demnach mit mehr als 70 Milliarden Euro jährlich über 20 Prozent aller Immobilienfinanzierungen für Privatkunden in Deutschland abgewickelt.
Immobilienblase könnte 2024 platzen
Bis die Inflation sinkt und die EZB aufhört mit ihren Zinserhöhungen, bleibt es schwierig. Schon die Zinsen für den Baukredit können höher sein als die Mietrendite. Hinzu kommen Tilgung, Hausgeld und weitere Kosten. Solange die Preise am Immobilienmarkt immer weiter gestiegen sind, hat sich das Ganze für Investoren gerechnet. Seit dem vergangenen Jahr drohen Immobilienneuinvestoren erstmals Verluste in einem fallenden Markt.
Glaubt man einer Prognose der Deutschen Bank von Mai letzten Jahres, dann könnte es 2024 zu einem Platzen der Immobilienblase kommen. Ein Blick auf die aktuellen Erschwinglichkeitsindizes der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeige, so die Bank, dass in Deutschland beim Preis-Mieten-Index tatsächlich ein Schwellenwert überschritten sei, der zumindest in der Vergangenheit typischerweise das Ende eines Immobilienzyklus anzeige. Beim Verhältnis Preis zu Einkommen könnte dieser Fall 2023 eintreten. Berechnungen der Deutschen Bank deuten auf ein mögliches Ende des aktuellen Immobilienaufschwungs im Jahr 2024 hin, kann man in der Prognose weiter lesen.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält 2023 einen Rückgang der deutschlandweiten Immobilienpreise um bis zu 10 Prozent für möglich.
„Wir stehen in Deutschland zwar nicht vor dem Platzen einer riesigen Immobilienpreisblase, aber Preiseinbrüche von bis zu zehn Prozent bei Eigentumswohnungen und Eigenheimen sind durchaus möglich.“, Konstantin Kholodilin aus der Abteilung Makroökonomie des DIW.
Solange die Inflation hoch ist und der Zinsdruck weiter steigt, kann es für die Immobilienpreise im Allgemeinen wohl keinen Aufwärtstrend geben.
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