4 Milliarden Gentechnik-Eier durch die Hintertür

Ein Eingriff in die DNA eines Legehuhns soll dafür sorgen, dass Eier mit männlichen Küken leuchten. Das erleichtert ihre Aussortierung. Nach EU-Richtlinien braucht es dazu keine besondere Zulassung und auch keine Kennzeichnung der in den Handel gelangten Eier.
Titelbild
Ei ist nicht gleich Ei.Foto: PHILIPPE HUGUEN/AFP via Getty Images
Von und 2. Mai 2022

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Spiegelei, Rührei, Frühstücksei. Ob im Kuchen oder im Omelette, der Bedarf an Eiern ist groß. Im Jahr 2021 verbrauchte jeder Deutsche nach Mitteilung des Bundeslandwirtschaftsministeriums durchschnittlich 238 Eier. In Israel wurde nun ein spezielles gentechnisches Verfahren entwickelt, durch das männliche Embryonen im Ei absterben. Die Verbraucher stellt das vor ein Problem, denn nach Ansicht der EU brauchen weder Eier noch Hühner entsprechend gekennzeichnet werden.

Das israelische Start-up-Unternehmen namens „eggXYt“ hat einen Weg gefunden, Eier mit männlichen Embryonen optisch zu markieren. Das Verfahren funktioniert mittels der Genschere, genauer gesagt mit dem CRISP/Cas-Verfahren. Was wird damit bezweckt?

Hühner werden in dem Verfahren gentechnisch so verändert, dass keine männlichen Nachkommen schlüpfen. Diese sind für die Produktion von Eiern und Fleisch unerwünscht. Noch bis vor Kurzem wurden jährlich allein in Deutschland 45 Millionen Hühnerküken kurz nach dem Schlüpfen getötet, heißt es vonseiten des Bundeslandwirtschaftsministeriums; weltweit waren es rund vier Milliarden. Am 20. Mai 2021 hat der Deutsche Bundestag ein Gesetz erlassen, mit dem das Töten von Küken zum 1. Januar 2022 offiziell verboten wurde. Daher braucht es in der Produktion neue Wege, um die unerwünschten männlichen Küken schon vor dem Schlüpfen auszusortieren.

Jährlich vier Milliarden Gen-Eier

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) beschreibt die Methode aus Israel wie folgt: „Dabei soll nur an die männlichen Nachkommen ein tödliches Gen weitergegeben werden, welches die Küken (Embryos) schon im Ei absterben lässt. Gleichzeitig sollen sich die weiblichen Nachkommen normal entwickeln und als Legehennen eingesetzt werden.“

Auf seiner Internetseite wirbt das israelische Unternehmen eggXYt damit, dass es das „Brutverfahren revolutioniert“ und die Welt „zu einem besseren Ort“ macht. Konkret heißt es:

  1. Wir retten das Leben von über vier Milliarden Küken pro Jahr, indem wir ihr unnötiges Ausbrüten verhindern.
  2. Wir sparen der Industrie Hunderte Millionen Dollar jährlich, indem sie nicht die Hälfte ihrer Brutkapazität verschwenden müssen und am Ende der Brutzeit Menschen bezahlen, um männliche Küken zu identifizieren und zu töten.
  3. Wir fügen der globalen Nahrungsmittelversorgung über vier Milliarden Eier pro Jahr hinzu, indem wir die nicht bebrüteten männlichen Eier auf den Lebensmittelmarkt bringen.

Auf dem Weg zum Patent

Mit dem neuen Verfahren wird DNA-Material für ein fluoreszierendes Protein in das männliche Geschlechtschromosom der Legehennen eingeführt. Wenn man deren Eier mit männlichen Embryonen unter UV-Licht hält, leuchten sie in gelb-fluoreszierender Farbe. So sind männliche und weibliche Embryonen schon nach dem Legen zu unterscheiden, heißt es auf der Plattform transGEN.de, die 1997 von Gerd Spelsberg gegründet und vom Forum Bio- und Gentechnologie, Verein zur Förderung der gesellschaftlichen Diskussionskultur e. V. herausgegeben wird.

Das Verfahren und die Tiere sind laut AbL bereits zum Patent angemeldet und sollen in Zusammenarbeit mit einer US-Firma vermarktet werden. Die Patentanmelder behaupten, dass ihre Technologie zu 100 Prozent sicher sei und im Erbgut der Legehennen keine artfremden Gene mehr zu finden seien.

„Diese Angaben scheinen für die EU-Kommission auszureichen, um die Legehennen und deren Eier von der gesetzlich vorgeschriebenen Zulassungsprüfung und Kennzeichnung auszunehmen“, kritisiert die AbL. Doch dafür gebe es keinerlei rechtliche Grundlage.

Eine Frage der Auslegung?

Nach der EU-Verordnung Nr. 1829/2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel, hier Artikel 3 (1) und 15 (1), müssen genetisch veränderte Organismen (GVO) einer Sicherheitsprüfung unterzogen werden, bevor sie in den Verkehr gebracht werden. Damit steht die Frage im Raum, ob es sich bei den Legehennen und den Eiern, die nach der vorgenannten Methode erzeugt werden, um genetisch veränderte Organismen handelt oder nicht.

Diese Frage wird vom EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit verneint. „Nach den vorliegenden Informationen wird das Transgen nur auf die männlichen Embryonen übertragen, nicht aber auf die weiblichen, die zu diesen Legehennen heranwachsen“, heißt es zur Begründung.

Im Gegensatz zu den durch die Methode markierten männlichen Eiern gelten die Legehennen nicht als genetisch veränderte Organismen. Damit brauche es letztlich auch keine gesonderte Zulassung – weder für die Legehennen noch für ihre Eier, teilte die EU-Kommission dem deutschen Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit mit.

Gentechnik durch die Hintertür

Die AbL ist anderer Auffassung. In einem Brief wandte sie sich gemeinsam mit der Testbiotech, einem 2009 in München gegründeten „Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie“ an die EU-Kommission. Darin warnen sie vor einer „klammheimlichen Deregulierung der umstrittenen CRISPR/Cas-Gentechnik durch die Hintertür“. Das habe weitreichende Folgen für Verbraucher, Lebensmittelerzeuger und Lebensmittelhandel.

Die EU-Gesetze schreiben vor, dass alle Organismen, die aus gentechnischen Verfahren hervorgehen, einem Zulassungsverfahren zu unterziehen sind sowie rückverfolgbar und gekennzeichnet sein müssen. Wie wichtig es ist, diese Anforderungen auch auf die Nachkommen von gentechnisch veränderten Tieren anzuwenden, unterstreichen Ergebnisse aus der Grundlagenforschung: Diese zeigen, dass Nachkommen von Tieren, deren Erbgut mithilfe von CRISPR/Cas gentechnisch manipuliert wurde, von unbeabsichtigten Veränderungen betroffen sind, die mit spezifischen Risiken einhergehen“, heißt es in dem Brief.

Die Organisationen kritisieren, dass die EU-Kommission zwar einräume, dass durch die Verfahren der neuen Gentechnik auch unbeabsichtigte genetische Veränderungen ausgelöst werden können, aber dennoch den Standpunkt vertrete, dass diese nicht genauer untersucht werden müssten.

Offener Brief an Özdemir

Annemarie Volling, Gentechnik-Expertin der AbL, fordert Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir in einem offenen Brief auf, „sich für eine strikte Regulierung neuer Gentechniken im Sinne des Vorsorgeprinzips einzusetzen und Gentechnik-Hühner und Eier zu stoppen“.

Nach ihrer Ansicht müssten auch die Nachkommen der betroffenen Zuchthennen der Gentechnik-Regulierung unterzogen werden. „Das entspricht dem sogenannten prozessorientierten Ansatz, der in der EU-Gentechnik-Gesetzgebung festgeschriebenen ist. Dieser darf von der EU-Kommission nicht unterlaufen werden“, so Volling. „Die Kommission versucht hier klammheimlich einen Paradigmenwechsel“, wonach nur das Endprodukt, aber nicht der Prozess bewertet werde.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir müsse sich dafür einsetzen, dass die EU-Kommission ihre Auffassung revidiert. Auch gegenüber der Herstellerfirma solle Özdemir diese Klarstellung kommunizieren.

Außerdem fordern AbL und Testbiotech von der EU, verlässliche und solide Kriterien zu entwickeln, die im Hinblick auf den Nutzen – wie im Fall der transgenen Hühner – anzuwenden sind. Diese Kriterien sollten auch eine eingehende Prüfung der Alternativen umfassen.

Mit der Kennzeichnung der Eier transgener Legehennen stoßen die Produzenten jedoch auch auf andere Schwierigkeiten, denn Hühnereier von gentechnisch veränderten Zuchthennen finden keinen großen Anklang im Handel. Laut einer aktuellen repräsentativen Umfrage des Vereins Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) fordern 85 Prozent der befragten Verbraucher, dass Eier von Hühnern, die von gentechnisch veränderten Zuchthennen abstammen, als Gentechnik gekennzeichnet werden sollten. 70 Prozent der Befragten gaben zudem an, dass sie solche Eier nicht kaufen würden. Fraglich ist auch, wie viele Unternehmen von der Genschere für die Legehennen tatsächlich Gebrauch machen.



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