30 Prozent mehr Insolvenzen erwartet: Für welche Branchen es jetzt eng wird
In diesem Jahr droht ein weiterer Anstieg der Insolvenzzahlen in Deutschland. Dies zeigt unter anderem eine aktuelle Analyse des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Die Auswertung der Restrukturierungsberatung Falkensteg kommt zum gleichen Ergebnis und prognostiziert für 2024 ein Drittel mehr Firmenpleiten.
Damit setzt sich der Trend aus dem letzten Jahr weiter fort. Insgesamt knapp 15.000 Unternehmen haben 2023 Insolvenz anmelden müssen. Das waren 26 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Vom Firmenbankrott sind nicht nur kleine Unternehmen betroffen. Nach Angaben des „Handelsblatts“ sind es zunehmend Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als zehn Millionen Euro, die einen Insolvenzantrag stellen müssen.
Waren es im Jahr 2018 noch 189 Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als zehn Millionen Euro, die den Gang zum Insolvenzgericht antreten mussten, waren es im vergangenen Jahr 260 Unternehmen.
Deutschland bei Insolvenzen über weltweiten Schnitt
Mit dieser Steigerung liegt Deutschland bei den Insolvenzzahlen laut dem Kreditversicherer Allianz Trade über dem weltweiten Schnitt. Das erkläre sich auch, aber nicht ausschließlich, mit den Nachholeffekten aus der Corona-Zeit. In der Zeit der Corona-Krise war die Insolvenzmeldepflicht zeitweise ausgesetzt worden.
„Wir dürften 2024 über 30 Prozent mehr Insolvenzen sehen“, schätzt Jonas Eckhardt, Partner bei der Restrukturierungsberatung Falkensteg. Seine Prognose ist damit sehr viel pessimistischer als die der deutschen Kreditversicherer. Diese rechnen mit einem Anstieg von um die zehn Prozent.
Echte Auswirkungen der Multikrise des Jahres 2023, so schätzt Jonas Eckhardt, werden wir erst in diesem Jahr in den Insolvenzzahlen sehen. Betroffen seien vorwiegend der Handel, die Modebranche, das Gesundheitswesen, die Immobilienwirtschaft und die Baubranche. Eckhardt schätzt aber auch, dass sich die Lage in der Gastronomie, bei Autozulieferern und Maschinen- und Anlagenbauern verschärfen wird.
Neben dem zu erwartenden Anstieg von Insolvenzen sehen Fachleute auch immer weniger Chancen, angeschlagene Firmen durch das Insolvenzverfahren zu retten. Laut Falkensteg konnten nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens 2023 nur 52 Prozent der Unternehmen durch Verkauf an einen Investor oder weil die Gläubiger einem Insolvenzplan zustimmten, gerettet werden. Das sind fast zehn Prozent weniger gerettete Unternehmen als noch 2020 – da ist es noch in 61,9 Prozent der Fälle gelungen.
Stunde der Sanierer schlägt
Trotz der nicht gerade rosigen Aussichten der Wirtschaft in Deutschland erwartet Jens Krane, der das M&A-Geschäft – also Geschäfte wie Unternehmenskäufe, Zusammenschlüsse, Übernahmen oder Verkäufe – der Commerzbank leitet, neue Impulse in seinem Bereich. Vor allem Notverkäufe würden 2024 ein Treiber für Fusionen und Übernahmen sein, so Krane. Auch Beteiligungsfonds (Private Equity) und Finanzierer für Sondersituationen versprechen sich für 2024 ein gutes Geschäft.
Die Renditen bei Notverkäufen an Beteiligungsfonds sei wegen des höheren Ausfallrisikos mit 30 bis 50 Prozent deutlich höher als bei klassischen Deals mit Finanzinvestoren, erklärt Tobias Hoffmann-Becking, Gründungspartner von Birkenstein Capital im „Handelsblatt“.
Deutschland sei sehr lange das „Tal der Sorglosen“ gewesen. Die China-Nachfrage habe die strukturellen Defizite der deutschen Wirtschaft verdeckt. Auch seien Banken in der Vergangenheit immer wieder bereit gewesen, große Kredite zu geben. Dazu seien dann auch noch großzügige Staatshilfen gekommen. „Das aber ist alles vorbei. Deshalb schlägt jetzt die Stunde der Sanierer beziehungsweise der echten Restrukturierung.“, so Hoffmann-Becking.
Experten sehen trotzdem keine Pleitewelle
Trotz der Entwicklungen und Befürchtungen für dieses Jahr sehen Experten in dem Anstieg der Insolvenzen aber keinen Beginn einer Pleitewelle. Vielmehr würde sich nun das Insolvenzgeschehen normalisieren. Selbst mit den erwarteten Insolvenzzahlen liegt Deutschland weit unter den Insolvenzen der 2000er- und 2010er-Jahre. Zeitweise gab es in diesem Zeitraum doppelt oder dreimal so viele Insolvenzen als jetzt.
Allerdings sollte man die jetzige Situation auch nicht verharmlosen. „Die Schäden sind sehr hoch“, sagt Georgiy Michailov, Geschäftsführer der Restrukturierungsberatung Struktur Management Partner. Die Wirtschaftsauskunftsdatei Creditreform beziffert die ausfallbedrohten Forderungen von Gläubigern im letzten Jahr auf 34 Milliarden Euro.
Der Pleitegeier hat im letzten Jahr auch prominentere Namen erwischt: die Signa-Töchter des Milliardärs René Benko sowie den Onlinehändler Sports United, die Supermarktkette Real, die Modekette Peek & Cloppenburg, den Spielzeughersteller Haba oder den Einmachglasproduzenten Weck. Gerade erst musste auch die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof Insolvenz anmelden.
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