Zahlreiche Einschätzungen im Pandemie-Buch von Bill Gates bereits überholt

Im Mai jährt sich das Erscheinen des Buches von US-Milliardär Bill Gates zur Corona-Bilanz. In vielen Bereichen scheint er vorschnell geurteilt zu haben.
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Bill Gates.Foto: über dts Nachrichtenagentur
Von 1. März 2023

Vor etwa einem dreiviertel Jahr ist das mit großem Interesse aufgenommene Buch „Wie wir die nächste Pandemie verhindern“ von Bill Gates erschienen. Der US-Milliardär hat die bis dahin gesammelten Erfahrungen mit der Corona-Pandemie und den Rat von Experten ausgewertet. Daraus zog er eine Bilanz und arbeitete Ansätze heraus, die Regierungen nach seiner Überzeugung zur künftigen Verhinderung von Pandemien beherzigen sollen.

Gates sieht drei wesentliche Dringlichkeiten in der Pandemieprävention

Auch wenn ihm eigenen Aussagen zufolge damals schon bewusst war, wie vorläufig die Erkenntnisse zur Corona-Bilanz sein würden, gab er dazu drei Devisen aus.

Die erste davon lautete: „Macht und liefert bessere Instrumente“. Damit spielte Gates auf Impfungen ebenso an wie auf therapeutische Präparate, überarbeitete Pandemiepläne oder Testverfahren. Der Microsoft-Gründer war sich sicher, es sei „möglich, auch andere Arten von Atemwegserkrankungen auszurotten – selbst die Grippe“.

Die zweite Forderung war: „Verbessert das Seuchenmonitoring.“ In diesem Zusammenhang unterstreicht er die Bedeutung des von ihm selbst unterstützten „Global Epidemic Response and Mobilization“-Teams (GERM).

Seine dritte Devise war: „Stärkt die Gesundheitssysteme.“ Dies betreffe nicht nur eigene, sondern auch die Gesundheitssysteme anderer Länder. Die Bill und Melinda Gates Stiftung investiert bereits seit Jahr und Tag selbst in Gesundheitsprojekte, die in afrikanischen und asiatischen Ländern entstehen. Nicht überall stoßen sie dabei jedoch auf Zustimmung.

Die Kernaussagen von Bill Gates in seinem Buch von 2022

In seinem Buch betont Gates die Bedeutung von Infektionskrankheiten als globale Bedrohung und warnt vor dem Risiko neuer Pandemien. Dabei rechnet er vor allem mit solchen, die von Tieren auf Menschen übertragen werden. Er spricht sich unter anderem für eine verstärkte Überwachung von Tiermärkten aus, um das Risiko von zoonotischen Übertragungen zu minimieren.

Bezüglich der Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie in verschiedenen Ländern erklärt Gates, Erfolge bei der Bekämpfung der Pandemie sei auch eine Frage der Schnelligkeit. Er ist der Meinung, dass Länder, die frühzeitig strenge Maßnahmen ergriffen haben, wie zum Beispiel Taiwan, erfolgreich waren. Demgegenüber verzeichneten Länder, die zu spät oder unzureichend reagierten, größere Ausbrüche.

Gates hält Lockdowns für eine effektive Maßnahme, um die Ausbreitung von Infektionen zu verlangsamen, wenn diese frühzeitig und koordiniert eingesetzt werden. Er erklärte jedoch auch, er sei sich dessen bewusst, dass diese auch negative Auswirkungen auf die Wirtschaft und das soziale Wohlbefinden haben. Deshalb sollten sie nur als vorübergehende Maßnahme zum Einsatz kommen.

Ein Schwerpunktthema für Gates ist auch die Schaffung von Überwachungsinstrumenten, um die Ausbreitung von Infektionen zu verlangsamen und zu verhindern. Er unterstützt den Einsatz von digitalen Tools wie Contact-Tracing-Apps, um Infektionsketten zu verfolgen und Infektionsherde schnell zu identifizieren. Dabei betont er jedoch auch die Bedeutung des Datenschutzes und der Einhaltung ethischer Standards.

Insgesamt ist Bill Gates der Ansicht, dass die COVID-19-Pandemie gezeigt habe, wie wichtig eine schnelle und koordinierte Reaktion auf eine globale Gesundheitskrise sei. Er betont die Bedeutung von internationaler Zusammenarbeit und Investitionen in die globale Gesundheitsinfrastruktur, um zukünftige Pandemien zu verhindern oder zumindest besser darauf vorbereitet zu sein.

Laborunfall könnte alles andere als eine „Verschwörungstheorie“ sein

Die Epidemiologen Ulrich Keil und Angela Spelsberg haben die längerfristige Treffsicherheit von Gates‘ Analysen in der englischsprachigen Epoch Times einer kritischen Rezension unterzogen. Ihr Fazit lautet, dass bereits in mehreren Bereichen die Einschätzungen des WHO-Großspenders zum Teil überholt erscheinen.

Dies beginne etwa schon bei der Auffassung, die Welt wäre permanent von Killerviren bedroht, die ohne weiteres Zutun vom Tier auf kaum immunisierte Menschen übersprängen. Mittlerweile gilt hingegen die Vorstellung, SARS-CoV-2 könnte in einem Labor in Wuhan entstanden sein, als reale Möglichkeit. Noch im Jahr 2020 hatten Forschungsinstitute dies als „Verschwörungstheorie“ gebrandmarkt. Heute fragen auflagenstarke Blätter wie der „Telegraph“, ob man vom KP-Regime Schadensersatz fordern sollte.

Zu den lautstärksten Gegnern der Labortheorie gehörte die sogenannte EcoHealth Alliance. Deren Vorsitzender Peter Daszak erhält unter anderem von der Bill and Melinda Gates Foundation Fördermittel, um potenzielle Pandemieviren zu erforschen. Dazu gehört auch die umstrittene Gain-of-Function-Forschung.

Bei dieser wird unter anderem die Übertragbarkeit oder Pathogenität von Viren verändert. Experimente dieser Art fanden auch im Wuhan Institute of Virology (WIV) statt. Der Enthüllungsjournalist Paul Thacker deckte im Jahr 2021 auf, dass die EcoHealth Alliance dieses mit 600.000 Dollar unterstützte.

Gates im Irrtum: Lockdowns schaden auch kurzfristig mehr, als sie nutzen

Auch in anderen Bereichen, die Gates in seinem Buch ansprach, relativieren Entwicklungen der jüngsten Zeit dessen Pandemie-Bilanz. Dies betrifft unter anderem die Kosten/Nutzen-Abwägung von Lockdowns, die Gates zumindest für kurzfristige Optionen zur Bekämpfung von Seuchen hält.

Mittlerweile hat sogar das chinesische KP-Regime, das als Paradebeispiel für situationsabgestimmte Beschränkungen des öffentlichen Lebens galt, eine Kehrtwende vollzogen. Die Lockdowns haben nicht nur Volkswirtschaften massiv geschadet, aufstrebende Länder zurückgeworfen oder Kinder und Jugendliche traumatisiert.

Vor allem aber haben die restriktiven Maßnahmen nicht einmal die Gesamtsterblichkeit reduziert. Länder mit weitreichenden Lockdowns hatten zum Teil sogar mehr Infektionen, schwere Verläufe und Sterblichkeitszuwächse als solche, die auf die Einschränkung von Grundrechten verzichteten. Die Einschränkungen hatten schlechtere medizinische Versorgung, soziale Isolation, Arbeitslosigkeit, Armut und Unterernährung zur Folge.

Im restriktiven Deutschland kam es ab 2021 zu einem statistisch signifikanten Anstieg der Gesamtsterblichkeit. Demgegenüber hatten von Gates kritisierte Staaten wie Schweden oder Florida Corona deutlich besser überstanden. Selbst wenn in Florida Faktoren wie warmes Wetter eine Rolle gespielt hatten, fällt die Bilanz auch dort besser für Anti-Lockdown-Länder aus, wo die Verhältnisse vergleichbar waren.

Im Gegensatz zu Gates’ Ansicht erlebte Schweden kein Fiasko, sondern wies in Wirklichkeit nur halb so viele COVID-19-Todesfälle auf wie zum Beispiel Michigan, das eine ähnliche Bevölkerungsgröße und sozioökonomische Struktur aufweist. Die Gesamtsterblichkeit in Schweden war zwar im Jahr 2020 leicht erhöht. Gleiches traf jedoch nicht mehr im Jahr 2021 zu, als in Deutschland eine statistisch signifikante Übersterblichkeit auftrat.

Erfolg der Impfungen blieb hinter den Erwartungen zurück

Bill Gates betrachtet auch das verpflichtende Tragen von Masken als wesentlichen Wellenbrecher in Corona-Zeiten. Demgegenüber stellt eine jüngst veröffentlichte Meta-Studie der „Cochrane Library“ den Grad des Ansteckungsschutzes der Maske bei infektiösen Atemwegserkrankungen infrage. Die Einrichtung wertete dazu die Ergebnisse von 78 Studien mit insgesamt etwa 611.000 Teilnehmern aus. Die Studien stammten aus den Jahren 1980 bis 2022.

Das Tragen der Masken in der Öffentlichkeit macht demnach „wahrscheinlich wenig oder keinen Unterschied“ in Bezug auf das Infektionsgeschehen. Frühere Meta-Studien, etwa aus den Jahren 2008 und 2011, hatten allerdings einen positiveren Effekt von Masken nahegelegt.

Immerhin ist Gates mittlerweile auch selbst kritischer bezüglich seiner ursprünglichen Erwartungen an „mit Warp-Geschwindigkeit entwickelte Impfstoffe“. Vor dem Lowy Institute in Australien räumte Gates am 23. Januar 2023 ein:

Die derzeitigen Impfstoffe blockieren die Infektion nicht. Sie sind nicht breit gefächert – wenn also neue Varianten auftauchen, verliert man den Schutz – und sie haben eine sehr kurze Wirkungsdauer, insbesondere bei den Menschen, auf die es ankommt, nämlich bei alten Menschen.“



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