Die Magie der Musik: Wie Klänge Körper und Seele stärken

Die demenzkranke Anne hatte einen schlechten Morgen. Nichts funktionierte so, wie sie es wollte – ihre Laune war im Keller.
Rob Cheifetz, ein Musiktherapeut in den USA, arbeitete mit Anne. Auf Wunsch einer anderen Patientin im Speisesaal des Alten- und Pflegeheims, in dem er sein Praktikum absolvierte, begann er, „You Are My Sunshine“ zu spielen.
Bei der Strophe „You‘ll never know dear“ begann Anne auf ihren Tisch zu hämmern und zu schreien: „Nein, nein, nein, das ist ganz falsch. Du musst es ganz lieblich spielen! Was machst Du denn bloß?“
Cheifetz antwortete: „Oh nein, das geht nicht. Das müssen wir ändern! Sag mir, Anne, wie können wir es lieblicher machen?“
Anne gab ihm daraufhin Anweisungen, wie er das Lied spielen sollte. Zunächst war sie verärgert, doch als Cheifetz das Lied ihren Wünschen anpasste, begann sie zu singen und lächelte sogar zum ersten Mal seit Tagen. Auf die Frage von Cheifetz, was das Lied für sie bedeute, erzählte Anne von ihrer Vergangenheit als Highschool-Lehrerin, Chorleiterin und schließlich Schulleiterin.
„Die Leute im Raum, einschließlich der Pfleger, die sie den ganzen Vormittag über beschimpft hatte, hatten die Gelegenheit, an ihre Persönlichkeit erinnert zu werden und die Person Anne von den Symptomen ihrer Krankheit zu trennen“, erzählt Cheifetz gegenüber Epoch Times.
Musik als Heilmittel
Musik ist eine mächtige Kraft, die unsere Gedanken und Gefühle formen, Erinnerungen freisetzen und soziale Bindungen stärken kann. Gleichzeitig ist sie ein wirkungsvolles therapeutisches Mittel.
Cheifetz ist Musiktherapeut bei Maya’s Music, einer Einrichtung, die Musiktherapie für Menschen mit Entwicklungsstörungen anbietet. Bei vielen ist die Kommunikation das Problem. In einer E-Mail an Epoch Times erklärt er, wie Musik den Menschen hilft, sich auszudrücken.
„Musik hat viele Eigenschaften, die denen einer Sprache gleichen: Rhythmus, Tempo, Dynamik, Silben, melodische Gesten, Gefühlskonturen und so vieles mehr. Musik kann als Alternative zu Worten genutzt werden, um sich auszudrücken und andere zu verstehen“, schreibt er.
Ihm zufolge kann die Wahl der Musik, die den Patienten gefällt, über den Erfolg der Musiktherapie entscheiden. Außerdem sei Musik ein hervorragender Motivator. Musik, die wir lieben, könne als Belohnung dienen, zur Bewegung motivieren oder zur Teilnahme [an einer Aktivität] animieren. Zudem könne sie unserem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Denn das Gehirn verbinde Erinnerungen stark mit Musik, so der Therapeut.
Schmerzen lindern mit Musik
Musik kann auch Schmerzen lindern, wie mehrere Studien zeigten. Allerdings ist nach wie vor unklar, wie das Gehirn diese schmerzlindernde Wirkung erzeugt.
Eine neue Studie untersuchte in diesem Zusammenhang die Verbindung zwischen dem Tempo, mit dem ein Musikstück gespielt wird, und der Fähigkeit, Schmerzen zu lindern.
Laut früheren Forschungen tun Menschen, die eine einfache Melodie klopfen oder singen sollen, dies in ihrem individuellen Tempo – der sogenannten Spontaneous Production Rate (SPR). Sie stellt das effizienteste Tempo für den Körper dar, da sie am wenigsten Energie verbraucht und dennoch präzise Bewegungen ermöglicht.
Die Studie untersuchte, ob die Nutzung der individuellen SPR die schmerzlindernde Wirkung von Musik erhöhen kann. Dazu sollten die Studienteilnehmer eine einfache Melodie in einem für sie angenehmen Tempo klopfen, um ihre SPR zu ermitteln. Anschließend bewerteten die Forscher unter vier Bedingungen, wie schmerzhaft eine Stimulation mit Wärme für die Probanden war:
- Musik, die so verändert wurde, dass sie ihrer SPR entsprach;
- Musik, die 15 Prozent schneller war als ihre SPR;
- Musik, die 15 Prozent langsamer war als ihre SPR;
- keine Musik (Stille).
Den Ergebnissen zufolge linderte die Musik, die zur SPR der Teilnehmer passte – verglichen mit den schnelleren oder langsameren Tempi –, die Schmerzen am stärksten. Demnach ist die Anpassung der Musikgeschwindigkeit an den individuellen SPR optimal für die Schmerzlinderung.
Musik und die Stimmung
Ferner kann Musik starke Emotionen hervorrufen, die Stimmung heben und einen zum Weinen bringen. Die Forschung legt nahe, dass Musik Menschen mit Depressionen und Angstzuständen helfen kann. So lindert Musiktherapie beispielsweise Depressionen und Ängste, senkt den Blutdruck und verbessert die kognitiven Fähigkeiten. Das ist das Ergebnis einer systematischen Überprüfung und Metaanalyse aus dem Jahr 2023 mit 1.777 älteren Erwachsenen mit Depressionen.
Musik kann auch helfen, schwierige Gefühle wie Trauer auszudrücken und zu verarbeiten. Sie kann einen an eine verstorbene, geliebte Person erinnern. Das Hören bestimmter Musik kann einem helfen, sich mit dieser Person zu verbinden, ihrer zu gedenken und Trauer zu empfinden, die man sonst vielleicht nur schwer ausdrücken könnte.
Musik und Konzentration
Musik kann auch beim Konzentrieren helfen. Sie steigert die Produktivität und verbessert die Genauigkeit bei der Ausführung von Aufgaben. In einer im Februar 2025 erschienenen Studie untersuchten Forscher, wie sich verschiedene Arten von Musik auf die Kognition und die Stimmung auswirken, insbesondere in einer Arbeitsumgebung.
Die Studienautoren wählten zwei verschiedene Arten von Musik: eine, die den „Arbeitsfluss“ und die „tiefe Konzentration“ fördern sollte, und eine, die aus beliebten Hits bestand. Ferner verwendeten sie Hintergrundgeräusche aus dem Büro, um typische Geräusche in einer Büroumgebung zu vergleichen und darzustellen.
Die Teilnehmer hörten die Musik, während sie einer kognitiv anspruchsvollen Aufgabe nachgingen, die konzentrierte Aufmerksamkeit erforderte. Die Ergebnisse zeigten, dass sich nur bei denjenigen, die die „Arbeitsfluss“-Musik hörten, die Stimmung und die kognitive Leistung deutlich verbesserten.
Die Probanden reagierten schneller, ohne ungenauer zu werden. Demnach könnte Musik eine effektive und erschwingliche Strategie sein, um Leistung und Stimmung bei anstrengenden Arbeitsaufgaben zu steigern, so die Forscher.
Musik und Babys im Mutterleib
Darüber hinaus profitieren auch Babys im Mutterleib vom Musikhören. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie aus Mexiko verbessert das Abspielen klassischer Musik die Herzwerte bei Kindern vor der Geburt.
Hierfür brachten Forscher externe Herzfrequenzmessgeräte an 36 schwangere Frauen an. Sie wollten die Herzfrequenz des Fötus als Reaktion auf zwei klassische Musikstücke messen – sowohl während als auch nach dem Abspielen des jeweiligen Stücks.
Die ausgewählten Stücke waren „Der Schwan“ des französischen Komponisten Camille Saint-Saëns und „Arpa de Oro“ des mexikanischen Komponisten Abundio Martínez.
„Unsere Studie zeigt, dass Föten, die von ruhiger klassischer Musik umgeben waren, während und unmittelbar nach dem musikalischen Stimulus ein geordneteres oder regelmäßigeres Herzschlagmuster aufwiesen“, erklärte Studienautor Eric Alonso Abarca-Castro in einer E-Mail an Epoch Times.
„Wir beobachteten auch eine leichte Zunahme der fötalen Bewegung nach dem Ende der Musik. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine solche musikalische Stimulation die Entwicklung des fötalen Nervensystems fördern könnte“, so der Forscher weiter.
Des Weiteren senkt das Hören von Musik während der Schwangerschaft nachweislich auch die Angst der werdenden Mutter. Das kann sich positiv auf die Entwicklung des Kindes auswirken. Studien zufolge kann Musik während der Schwangerschaft wie das Singen von Wiegenliedern Stress abbauen und sich positiv auf den psychischen Zustand der Mutter auswirken. Auch die emotionale Bindung zwischen Mutter und ungeborenem Kind werde so gestärkt.
Die Magie der Musik
Cheifetz erklärt, warum er glaubt, dass Menschen so stark mit Musik verbunden sind. „Nahezu unser gesamtes Gehirn ist bei der Verarbeitung von Musik aktiv und beschäftigt. Musizieren ist eine äußerst lohnende Tätigkeit: Man kann selbst aktiv sein, man kann sie mit anderen teilen und man kann sie einfach im Hintergrund hören, während man anderen Tätigkeiten nachgeht. Das kann sehr zufriedenstellend sein“, meint er.
„Musik verbindet uns mit unserer persönlichen und gruppenspezifischen Identität und ist eine tiefgreifende ästhetische Erfahrung“, so der Musiktherapeut abschließend.
Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.
Zuerst erschienen auf theepochtimes.com unter dem Titel „The Magic of Music: Healing, Memory, and Connection“. (redaktionelle Bearbeitung as)
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