Unsere wunderbaren Mikroben
Jeder Mensch ist ein Ökosystem: Wir bieten einen Lebensraum für unzählige mikroskopische Lebensformen. Wer kein Mikrobiologe ist, mag das seltsam finden, aber unsere Bakterien sind ein wesentlicher Bestandteil unserer Persönlichkeit und an fast allen Aspekten unserer Gesundheit beteiligt.
Meine Mutter war eine herausragende Wissenschaftlerin, die die Welt der Mikroben sehr schätzte – das gab sie an mich weiter, als ich noch ein Kind war. Sie sprach mit meinen drei älteren Brüdern und mir immer darüber, wie enttäuschend es sei, dass wir Menschen Bakterien schlechtmachen und nicht verstehen, wie wichtig sie sind.
Statt nur unsichtbare und böse Krankheitsüberträger zu sein, sind Bakterien in Wirklichkeit für uns Menschen lebenswichtig und für unsere Gesundheit unerlässlich.
Bakterielles Gleichgewicht
Die meisten von uns assoziieren Bakterien mit Infektionen und sehen sie als unsere Feinde an. Wir müssen diese „schmutzigen Keime“ von unserem Körper abwaschen, sie von jeder Oberfläche schrubben und unsere Lebensmittel sterilisieren, damit sie sicher sind. Wir verwenden zwanghaft antibakterielle Seifen und Handdesinfektionsmittel und nehmen Antibiotika ein, um Infektionen zu bekämpfen.
Als ich die geronnene Milch in den vielen Falten am pummeligen Hals meiner kleinen Tochter abwischte, machte ich mir immer Sorgen um die Stellen, an denen sich eine Rötung zeigte. Denn das deutete darauf hin, dass sie den Beginn eines Ausschlags hatte, der durch „böse Bakterien“ verursacht wurde.
Wir haben Billionen von Bakterien und anderen mikroskopisch kleinen Organismen, die auf unserer Haut, in unserem Darm und anderswo in unserem Körper leben. Wissenschaftler bezeichnen diese Gemeinschaft von Mikroorganismen als das menschliche Mikrobiom. Einige Wissenschaftler ziehen es vor, es als menschliches „Biom“ zu bezeichnen, da einige unserer nicht-menschlichen Symbionten – Organismen, die in Symbiose miteinander leben – nicht mikroskopisch klein sind.
Es gibt noch so vieles, was wir über unsere Symbionten nicht wissen oder verstehen. Aber wir wissen, dass viele der Bakterien, die auf oder in uns leben, nützlich sind. Gesundheitliche Probleme werden in der Regel nicht durch die Bakterien selbst verursacht, sondern sie entstehen, wenn unsere Bakterien aus dem Gleichgewicht geraten.
Jeder Mensch hat Staphylokokken- und Streptokokkenbakterien auf seiner Haut, aber im Fall meiner Tochter waren diese möglicherweise aus dem Gleichgewicht geraten, weil der Babyspeck an ihrem Hals keine Luftzirkulation zuließ und ein perfektes feuchtes Milieu für eine bakterielle Überbesiedelung schuf.
Die Bakterien auf unserer Haut leben in einem komplexen Gleichgewicht mit uns und mit anderen Bakterien, Pilzen und sogar Viren. Wenn sich die Bedingungen auf der Haut ändern, kann dieses Gleichgewicht gestört werden, was eine Überbesiedelung einiger Bakterien begünstigt, während andere, die sie in Schach halten, verhindert werden. In unserem Biom geht es wie in jedem anderen Biom um Gleichgewicht und Harmonie.
Außerdem wusste ich nicht genug über gesunde Ernährung. Laut einer Studie, die im Februar 2021 in der Fachzeitschrift „Journal of Nutrition“ veröffentlicht wurde, „beeinflusst die Ernährung der Mutter die Zusammensetzung und Vielfalt der Mikrobiota der Muttermilch“ und „hat einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Mikrobiota des Säuglings“. Das wirkt sich sowohl kurz- als auch langfristig auf die Gesundheit des Säuglings aus.
Ich habe zwar ausschließlich gestillt, aber gleichzeitig zu viele Süßigkeiten und zuckerhaltige Lebensmittel gegessen, was wiederum die Überbesiedelung bestimmter Bakterien begünstigt haben könnte.
Was unsere Bakterien tun
Die Bakterien in unserem Körper helfen uns, zu überleben und zu wachsen. Ohne sie könnten wir nicht leben. Unser Menschsein hängt von Arten ab, die sich so stark von uns unterscheiden, dass wir sie kaum als lebendig betrachten.
Allein in unserem Mund leben mindestens 700 verschiedene Arten von Bakterien, wie es in einem Artikel der Fachzeitschrift „Journal of Oral and Maxillofacial Pathology“ heißt. Sie leben auf unseren Zähnen und unserer Zunge, in unseren Wangen und Zahnfleischtaschen.
Auch wenn wir die Bildung von Plaque und Karies, die durch ein Übermaß an schädlichen Bakterien verursacht werden, nicht fördern wollen, sind viele, wenn nicht sogar die meisten Bakterien in unserem Mund nützlich. Sie halten schlechte Bakterien in Schach, schützen uns vor eindringenden Bakterien, die wir versehentlich über verunreinigte Lebensmittel aufnehmen, und helfen uns sogar, unser Essen zu schmecken.
Wie australische Wissenschaftler in einer 2021 in der Fachzeitschrift „Journal of Agricultural and Food Chemistry“ veröffentlichten Studie herausfanden, kann die Zusammensetzung des oralen Mikrobioms sogar darüber entscheiden, ob wir Brokkoli, Blumenkohl und anderes Kohlgemüse mögen.
Anderen neuesten Forschungsergebnissen zufolge gibt es einen Zusammenhang zwischen unseren Mundbakterien und damit, wie wir Wein und andere alkoholhaltige Getränke riechen und schmecken. Die Bakterien in unserem Mund helfen auch dabei, Schleimhäute zu bilden, den Verdauungsprozess einzuleiten sowie bei einer Vielzahl anderer Funktionen.
„Unser Körper ist im Wesentlichen eine Wohnung für unser Mikrobiom oder unsere Wanzen, wie ich sie gerne nenne“, schreibt Dr. Steven R. Gundry, Herzchirurg und Autor des Bestsellers „The Longevity Paradox: How to Die Young at a Ripe Old Age“ (auf Deutsch etwa: „Das Paradox der Langlebigkeit: Wie man in einem hohen Alter jung stirbt“). „Wir sind ihr Zuhause. Unsere Beziehung zu unseren Wanzen war und ist symbiotisch, das heißt, ihre Gesundheit hängt von uns ab und umgekehrt.“
Unser Darm und seine Gäste
Während das orale Mikrobiom (die Mikroorganismen in unserem Mund) noch nicht umfassend erforscht wurde, wuchs das Interesse am Darmmikrobiom – den Bakterien und anderen Mikroben, die in unserem Darm leben – in den letzten zwei Jahrzehnten explosionsartig an.
Diese Mikroben helfen uns dabei, unsere Nahrung zu verdauen, sie verhindern, dass Magen und Darm unerwünschte Stoffe in den Blutkreislauf abgeben und schützen uns vor Krankheitserregern. Einigen Experten nach ist es gesünder, wenn unser Darm viele verschiedene Bakterien aufweist.
Unserem Darmmikrobiom Nährstoffe zu geben, die seinen Fortbestand und sein Wachstum fördern, sei eines der wichtigsten Faktoren für ein langes und gesundes Leben, ist der Herzchirurg Gundry überzeugt. Er erklärt seinen Patienten, dass sie von innen nach außen jünger werden könnten. Durch den Verzehr von Lebensmitteln, die das Wachstum nützlicher Bakterien fördern, haben wir mehr Energie und ein geringeres Krebs- und Alzheimer-Risiko.
Entzündungsfördernde Darmmikroben werden mit Depressionen und anderen Hirnstörungen in Verbindung gebracht. Die Verbindung gilt als so stark, dass Forscher des „California Institute of Behavioral Neurosciences and Psychology“ meinen, Mikroben beeinflussten sogar die Art und Weise, wie wir denken.
„Die gängige Fehlwahrnehmung ist, dass ‚Keime‘ etwas Schlechtes sind und dass wir sie meiden und alles sauber halten müssen“, sagte mir Dr. Andy Kumitz, ein pensionierter Hausarzt aus Ashland im US-Bundesstaat Oregon. Das sei jedoch nicht der Fall: „Die meisten Bakterien sind im Großen und Ganzen nützlich. Wenn man nicht die richtigen Bakterien im Darm hat, wirkt sich das auf den Stoffwechsel und das Krankheitsrisiko aus.“
Dr. Bethany M. Henrick, eine außerplanmäßige Professorin an der University of Nebraska, stimmt dem zu. Im Jahr 2019 fand ein Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Henrick heraus, dass Säuglinge, die das Probiotikum Bifidobacterium longum infantis in ihrem Darm hatten, weniger zu Darmentzündungen neigten als Säuglinge, die keines hatten.
Unser Darm sei das größte Fenster zur Umwelt, sagte Henrick. „Die neuesten Forschungsergebnisse, darunter auch meine, zeigen, dass die Bakterien Metabolite (Zwischenprodukte des Zellstoffwechsels) produzieren, die die Entwicklung des Immunsystems beeinflussen. Mit anderen Worten, die Bakterien haben eine entscheidende Funktion bei der Programmierung des Immunsystems.
Ich vermute, dass diese Vorteile der Interaktion zwischen menschlicher Muttermilch und dem Mikrobiom weit über das Immunsystem hinausgehen und wahrscheinlich auch die Kognition (bewusste und unbewusste mentale Prozesse) und den Stoffwechsel beeinflussen“, so die Professorin.
Kehren wir zu dem Ausschlag unter dem Kinn meines Babys zurück: Anstatt ihn zu sterilisieren oder Antibiotika zu verwenden, wischte ich die geronnene Milch vorsichtig mit einem feuchten Tuch ab, trocknete die Haut gut ab und hielt mein Baby ein paar Mal am Tag in die Sonne, wobei ich seinen Kopf vorsichtig nach hinten neigte. Zu lange war diese Halsfalte dunkel und feucht gewesen, eine Umgebung, die die menschliche Haut nicht verträgt. Mithilfe von Sonnenlicht und frischer Luft verschwand der Ausschlag meiner Tochter schnell.
Als mein jüngstes Kind geboren wurde, hatte ich meine Ernährung bereits radikal umgestellt. Dieses Baby, unser viertes, hatte nicht einen einzigen Ausschlag.
Wir müssen keinen Krieg gegen unsere Mikroorganismen führen. Wir müssen nur lernen, sie dabei zu unterstützen, miteinander und mit uns im Gleichgewicht zu leben.
Probiotika vs. Präbiotika: Was ist der Unterschied?
Apropos Ernährung: Diese kann unserem Körper helfen, unser Mikrobiom besser in Balance zu halten. Dafür sollten wir Probiotika und Präbiotika zu uns nehmen.
Probiotika sind verschiedene Stämme nützlicher Bakterien, die Wissenschaftlern zufolge uns und insbesondere unserer Verdauung gut tun. Funktionsmediziner und andere Heilpraktiker empfehlen häufig die Einnahme von Probiotika in Pillenform, um unseren Darm mit nützlichen Bakterien zu versorgen. Zu den Lebensmitteln, die Probiotika enthalten, gehören Naturjoghurt und fermentiertes Gemüse wie Kimchee und Sauerkraut.
Präbiotika sind Nährstoffe, die nützliche Bakterien unterstützen. Diese Stoffe in unserer Nahrung fördern das Wachstum der gesündesten Bakterien in unserem Körper. Obst und Gemüse, darunter Äpfel, Artischocken, Löwenzahnblätter, Knoblauch, Lauch, Zwiebeln, Topinambur, Zichorienwurzeln und einige Vollkornprodukte enthalten viele Präbiotika.
Der Zoo in unserem Körper
Gerade sprachen wir über Mund- und Darmbakterien. Doch es gibt noch viele andere Lebewesen, denen unser Körper einen Lebensraum bietet.
Gesichtsmilben: Diese mikroskopisch kleinen Lebewesen leben in unseren Haarfollikeln (ein Sack, aus dem ein Haar wächst), Wimpern und Augenbrauen. Wir zupfen vielleicht unerwünschte Haare aus, aber für Gesichtsmilben – Demodex folliculorum – ist unser Flaum ein perfekter Lebensraum, jedes Haar ist für sie wie ein Baum im Wald.
Wie die Insektenforscherin Michelle Trautwein von der California Academy of Sciences erklärt: „[Der Mensch ist] nicht einmal das einzige Tier, das [sein] Gesicht nutzt. In der Nähe [der] Nase leben mindestens zwei Arten von mikroskopisch kleinen Milben in [seinen] Poren.“ In einem Experiment aus dem Jahr 2014, das in der Fachzeitschrift „PLOS One“ veröffentlicht wurde, hatte jeder der untersuchten Erwachsenen Milben im Gesicht.
Diese Kreaturen haben acht Beine und sind mit Spinnentieren verwandt, das heißt, sie gehören zur selben Klasse wie Spinnen, Zecken und Skorpione. Wie in einem YouTube-Video des öffentlichen amerikanischen Radiosenders KQED gezeigt wird, leben sie tagsüber in unseren Haarfollikeln und ernähren sich von Talg, der öligen Substanz, die unsere Haut überzieht und schützt. Nachts krabbeln sie heraus, um sich mit anderen Milben zu paaren.
Wissenschaftler wissen nicht genau, welche Vorteile Milben im Gesicht dem Menschen bringen. Healthline.com zufolge lautet eine Theorie, dass sie Teil eines natürlichen Reinigungssystems sind und uns helfen, abgestorbene Zellen von unserer Haut zu entfernen.
Eine andere Theorie, die von einem indischen Wissenschaftler in einem Artikel aus dem Jahr 2007 aufgestellt wurde, besagt, dass die Milben unsere Haut vor pathogenen Bakterien, insbesondere Staphylococcus aureus und Streptococcus pyogenes, schützen.
Andere Forschungsergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass zu viele Gesichtsmilben Hautentzündungen und Rosazea verursachen können, eine häufige Erkrankung, bei der unebene Rötungen der Haut auftreten.
Ein Garten voller Pilze: Die Pilze, die unseren Körper bevölkern, werden unter dem Begriff „Mykobiom“ zusammengefasst und wurden in den letzten Jahren besonders erforscht. Zu den Pilzen gehören Hefepilze, Schimmelpilze und Champignons.
Jeder, der schon einmal Soor (eine Überwucherung mit Candida-Pilzen, eine Art Hefepilze) hatte oder von Juckreiz geplagt wurde, der durch Pilze verursacht wurde, die zwischen unseren Zehen und in unseren Hautfalten leben, weiß vielleicht schon, dass es im Inneren des Menschen eine Welt mikroskopisch kleiner Pilze gibt.
Viele dieser Arten gelten als schädlich (Cladosporium kann Asthma auslösen; Aureobasidium kann bei Patienten, die Organtransplantationen erhalten, Infektionen hervorrufen). Doch ist es wahrscheinlich, dass die verschiedenen Pilzstämme, denen wir als Lebensraum dienen – und die im Gleichgewicht mit unseren Bakterien und anderen Mikrobiota leben – auch gut für unsere Gesundheit sind.
So fand ein Team chinesischer Wissenschaftler kürzlich heraus, dass ein bestimmter Darmpilz, S. cerevisiae, dem Körper bei der Bekämpfung von Colibakterien (invasive Bakterien) hilft. Außerdem unterstützt der Pilz den Körper dabei, eine Magen-Darm-Grippe erfolgreich zu überstehen und lindert sogar die Symptome des Reizdarmsyndroms.
Bakterielle Gäste in unserem Darm: Allein im Darm gibt es mindestens 8.000 Bakterienstämme – und möglicherweise noch viele mehr. Jeder Mensch hat eine andere bakterielle Zusammensetzung im Darm (abhängig von den Mikroben der Mutter, der Art der Geburt, der Ernährung und der Lebensweise). Wissenschaftler stellten fest, dass gesunde Menschen ganz andere Darmbakterien haben als Menschen, die an Krankheiten wie Typ-2-Diabetes und Colitis ulcerosa (chronische Erkrankung des Dickdarms) leiden.
All das zeigt uns, wie gut es ist, dass Bakterien und andere Mikroorganismen auf und in uns leben.
Jennifer Margulis ist preisgekrönte Wissenschaftsjournalistin und Autorin von „Your Baby, Your Way: Taking Charge of Your Pregnancy, Childbirth, and Parenting Decisions for a Happier, Healthier Family“. Die Fulbright-Stipendiatin und Mutter von vier Kindern beteiligte sich an einer Kampagne zur Bekämpfung der Kindersterblichkeit in Westafrika. Außerdem setzte sie sich im französischen Fernsehen für ein Ende der Kindersklaverei in Pakistan ein. Für mehr Informationen besuchen Sie JenniferMargulis.net
Dieser Artikel erschien im Original auf The Epoch Times USA unter dem Titel: Our Marvelous Microbes (deutsche Bearbeitung von as)
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