Ungezahlte Lizenzen für Saatgut – wie Bauern zu Straftätern werden
Die Natur ist auf Reichtum ausgelegt: Aus einer einzigen Kartoffelknolle erwachsen neue Kartoffeln, die ein halbes bis ein ganzes Kilo auf die Waage bringen. Und da das so ist, gehört es ins bäuerliche Leben, sich von der Ernte – seien es Kartoffeln, Weizen- oder Roggenkörner – ein wenig beiseite zu legen: Als Saatgut für das kommende Jahr. So funktioniert natürliches Gedeihen im Wandel der Jahreszeiten.
Die Bauern sprechen dann vom “Nachbau”. Für den sollen Bauern aus Nordrhein-Westfalen, die mehr als 20 Hektar Land bestellen, in Zukunft Lizenzgebühren zahlen. Deshalb erhielten in den vergangenen Wochen tausende Bauern Briefe von der Saatgut-Treuhand GmbH, einem Inkasso-Unternehmen der Saatgut-Hersteller. Für die Bauern kann das die Existenz bedeuten: Hunderte oder gar Tausende Euro sollen sie für den Nachbau zahlen.
Saatgut als „geistiges Eigentum“
Die Saatgut-Firmen meinen, die Bauern würden auf ihren Feldern aussäen, was Züchter erst schufen. „Es geht um den Schutz des geistigen Eigentums“, unterstreicht Johannes Peter Angenendt. Er ist Vorstand der Deutschen Saatveredelung (DSV). Deshalb müssten Lizenzgebühren gezahlt werden.
Hierzulande würden vor allem Gräser, Raps und Getreide gezüchtet. Durch nicht gezahlte Lizenzgebühren entgingen dem Unternehmen nach eigenen Angaben eine Million Euro pro Jahr. „Wir züchten Sorten, entwickeln immer bessere Sorten mit hohem Aufwand, und dafür muss es ein Entgelt geben“, erklärt Angenendt. „Und es ist ganz normal, auch in der Industrie, dass für Erfindungen eine Lizenzgebühr bezahlt wird.“
Die Aktiengesellschaft DSV aus Lippstadt ist ein großer Player in der Pflanzenzuchtbranche. Das berichtet “NPR News”. 20 Millionen Euro steckt sie pro Jahr in Forschung und Entwicklung. Zehn Jahre brauche es, bis eine Sorte marktreif ist.
Wenn Bauern unfreiwillig zu Straftätern werden
Schon seit Jahren ist diese Lizenzgebühren-Regelung bekannt. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2012 hat das konkretisiert. Geben die Landwirte nicht an, welches Saatgut sie verwenden, und zahlen sie nicht, drohen ihnen hohe Schadenersatzforderungen. Sie werden zu Straftätern.
„Das war schon der Hammer, dieses Schreiben“, sagt Franz-Josef Dohle aus Kallenhardt im Kreis Soest. „Es war ein reines Drohschreiben an die Landwirte. Damit wollte man uns alle einschüchtern, damit wir sofort bezahlen, ohne eigentlich aus meiner Sicht eine Berechtigung dafür zu haben.“
Dohle und sein Nachbar, Landwirt Gyso von Bonin, haben deshalb die IG Nachzucht gegründet, mit der sie gegen die Lizenzgebühren für den Nachbau vorgehen wollen. „Denn in der Konsequenz heißt das ja: Jedes Mal, wenn wir dieses Saatgut nachbauen, müssen wir das noch mal bezahlen“, sagt Gyso von Bonin. „Dadurch werden wir immer abhängiger von den Saatgutfirmen und können nicht mehr so arbeiten, wie wir das immer gemacht haben. Das machen wir nicht mit.“
Natur lässt sich nicht patentieren
„Das geistige Eigentum der Saatgut-Firmen ist eigentlich ein Jahrtausende altes geistiges Eigentum der Landwirte gewesen. Und für dieses Eigentum haben uns die Züchter ja auch nie entschädigt“, klagt Dohle.
„In einem Samenkorn sind 30.000 Gene; wenn man ein Gen davon verändert, dann sagen die Züchter, das sei jetzt ihr geistiges Eigentum? Das passt doch nicht. 29.999 Gene sind doch immer noch von uns in diesem Saatgut”, führt er weiter aus.
Strategie der Züchter: Hybride
Für die Bauern und Hobbygärtner wird es immer schwieriger: „Weil die Züchter immer mehr dazu übergehen, das Saatgut als Hybridsaatgut fertig zu machen“, weiß Franz-Josef Dohle. Dieses Saatgut kann sich dann nicht mehr vermehren. Die Abhängigkeit ist perfektioniert. Die Landwirte müssen dann jedes Jahr neues Saatgut kaufen. (kf)
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