Trotz Fehlgeburten: Zulassung für ersten Impfstoff gegen Chikungunya beantragt

Nur selten verlaufen Infektionen mit Chikungunya schwer. Trotzdem könnte es in Kürze einen Impfstoff dagegen geben. Die Studienlage ist umstritten.
Titelbild
Die asiatische Tiger-Mücke oder Tiger Mosquito ist an ihrer auffälligen Farbgebung leicht zu erkennen.Foto: istockphoto/RobertAx
Von 20. Juni 2023

Hohes Fieber, Gelenkschmerzen, Schwellungen. Das sind nur einige Symptome der von Mücken übertragenen Chikungunya – einer Krankheit, von der sich Patienten in der Regel binnen zwei Wochen wieder erholen. Bei etwa jedem sechsten (15 Prozent) verläuft die Infektion sogar ganz ohne Symptome. Bei schweren Fällen hingegen können Hautausschläge, neurologische Infektionen, Herzmuskelentzündungen, Leberinfektionen oder ein multiples Organversagen drohen.

Wie die renommierte medizinische Fachzeitschrift „The Lancet“ berichtete, hat mit dem Lebendimpfstoff „VLA1553“ erstmals ein Impfstoff gegen Chikungunya die Phase-3-Studie bestanden – trotz einer auffälligen Fehlgeburtenrate. Forscher um die Wissenschaftlerin Nina Wressnigg von Valneva Austria hatten an 43 Standorten in einer placebokontrollierten Doppelblindstudie 4.128 Erwachsene untersucht. Es wurden ausdrücklich nur Gesunde zugelassen. Personen mit einer früheren Chikungunya-Infektion kamen ebenso wenig infrage wie chronisch Erkrankte.

Fast 500 Teilnehmer brechen Studie ab

358 Teilnehmer der Impfstoff- und 133 der Placebo-Gruppe brachen die Studie aus unbekannten Gründen ab. Bei 46 Teilnehmern der 3.802 Teilnehmer (1,2 Prozent) der Impfgruppe und bei acht von 1.033 Probanden (0,8 Prozent) aus der Placebogruppe traten „schwerwiegende unerwünschte Ereignisse auf“.

Bei einer 58-Jährigen kam es zu „einer leichten Myalgie“, sodass sie vom vierten bis neunten Tag im Krankenhaus überwacht wurde. Diagnostiziert wurde Fibromyalgie, eine chronische Schmerzerkrankung, deren Auftreten einzig und allein mit der Impfung erklärt werden konnte.

Weitere Nebenwirkungen betrafen einen 66-Jährigen, bei dem ein gestörter Wasserstoffwechsel auftrat. Am zehnten Tag nach der Impfung litt er unter hohem Fieber von 39,6 °C, am elften Tag kam es zu schwerem Vorhofflimmern und Hyponatriämie, woraufhin er drei Tage im Krankenhaus behandelt werden musste. Auch hier gilt die Impfung als ursächlich. Beide Teilnehmer erholten sich laut Studie wieder.

Fehlgeburten nach der Impfung

Aber auch Schwangere gerieten in den Fokus der Wissenschaftler, obwohl diese von der Studie ausgeschlossen waren. Grund ist der Umstand, dass Teilnehmerinnen während der Studie schwanger geworden sind. Von den 15 Schwangeren hatten 13 im Vorfeld eine Impfung erhalten. Fazit: neun gesunde Babys und drei Fehlgeburten vor der 20. Schwangerschaftswoche. In einem Fall waren die Eltern für die Nachuntersuchungen nicht mehr erreichbar und der Ausgang ungewiss.

Wie die Forscher mitteilten, war die Fehlgeburtenrate mit 23,1 Prozent (3 von 13) der gemeldeten Schwangerschaften „etwas höher als in der Allgemeinbevölkerung oder bei Frauen, denen ein mRNA-COVID-Impfstoff verabreicht worden war“, so die Forscher. Die Impfung mit „VLA1553“ wurde allerdings nicht als ursächlich in Betracht gezogen.

Zwei Fehlgeburten seien auf eine genetische Störung des Fötus (das sogenannte Turner-Syndrom 45 X) beziehungsweise auf die Veranlagung einer Teilnehmerin mit einem BMI von 60 und zwei früheren Fehlgeburten zurückzuführen. Bei der dritten Fehlgeburt konnte die Ursache nicht ermittelt werden.

Nach einer detaillierten Auswertung kam ein als unabhängig beschriebenes Gutachtergremium zu dem Ergebnis, dass es „keine Sicherheitsbedenken“ gegen den Impfstoff geben würde. Gleichzeitig schreiben die Autoren:

„Im Vergleich dazu gibt es keinerlei Berichte, dass eine natürliche Chikungunya-Infektion sich negativ auf eine Schwangerschaft auswirken könnte.“

Infektionsschutz nicht nachgewiesen

Ob mit dem Impfstoff tatsächlich eine Chikungunya-Infektion verhindert werden kann, war nicht Gegenstand der Studie und bleibt daher offen. Eine klinische Wirksamkeitsstudie hierzu dürfte auch nicht durchführbar sein, teilte Annelies Wilder-Smith, Professorin am Heidelberger Institut für Global Health am Universitätsklinikum Heidelberg, laut „Ärzteblatt“ mit. Grund hierfür sei die geringe Inzidenz sowie die Unvorhersehbarkeit von Ausbrüchen.

Im Vordergrund der Impfstoffbewertung stand der nach 28 Tagen gemessene Antikörperspiegel, der laut Autoren bei 98,9 Prozent der Teilnehmer mit einer einzigen Impfung erreicht wurde.

Als Einschränkungen der Studie wiesen die Forscher selbst darauf hin, dass der Impfstoff wahrscheinlich nicht bei stark immungeschwächten Menschen eingesetzt werden könne. Bei Schwangeren sei aufgrund möglicher Risiken für die Neugeborenen eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung erforderlich.

Anträge auf Zulassung des Impfstoffs „VLA1553“ liegen den Arzneimittelbehörden in den USA, Kanada und der EU vor.

Todesfälle beruhen auf Schätzungen, nicht auf Meldungen

In den EWR-Mitgliedsstaaten (ohne Bulgarien, Zypern, Dänemark, Island, Norwegen, die Schweiz und der Türkei aufgrund fehlender Daten) wurden im Zeitraum 2008 bis 2021 laut dem Europäischen Zentrum für Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) insgesamt 3.671 Chikungunya-Fälle gemeldet. Das entspricht durchschnittlich 262 Infektion pro Jahr und bei etwa 520 Millionen Einwohnern einer jährlichen Inzidenz von 0,5 Fällen pro Million Menschen.

Säuglinge und ältere, vorerkrankte Menschen gelten dabei als Risikogruppen für schwere Krankheitsverläufe. Bislang wurde jedoch kein einziger Todesfall in Europa registriert. Schätzungen sprechen von 0,3 bis 1,0 Tote auf 1.000 Infizierte. In den erfassten EWR-Staaten ist demnach mit einem Todesfall alle vier bis zwölf Jahre zu rechnen.

Krankheitsausbrüche in Europa sind zu über 90 Prozent auf Reisende zurückzuführen. In Deutschland kommt die Asiatische Tigermücke als Überträger des Chikungunya-Virus in Betracht. Sie kommen hierzulande vor allem im Oberrheintal – in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen – vor. Vereinzelte Populationen gibt es auch in Bayern, Thüringen und Berlin.



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