Smartphone-Sucht auf Augenhöhe mit Glücksspiel und Medikamentenmissbrauch

Die Anzahl der Smartphonenutzer nimmt stetig zu. Und damit auch das Risiko, süchtig zu werden. Am anfälligsten ist die Jugend. Dabei sind die Folgen nicht zu unterschätzen.
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Forschungen zeigen: Je mehr Zeit man in den sozialen Medien verbringt, desto stärker äußern sich Gefühle von Angst, Depression und Einsamkeit.Foto: iStock
Von 1. September 2023

Die Smartphonesucht greift weltweit um sich, am anfälligsten ist die Jugend. Für viele ist die Bildschirmzeit in den sozialen Medien geradezu heilig – um diese zu behalten, würden sie viel dafür aufgeben.

Weltweit nutzen mehr als 6,6 Milliarden Menschen ein Smartphone, Tendenz steigend. Die Anzahl der Smartphonenutzer in Deutschland beläuft sich auf rund 62,6 Millionen. Sie kommunizieren, surfen im Internet oder spielen. Es mehren sich die Forschungsergebnisse, dass eine Smartphonesucht erhebliche Auswirkungen auf die physische und mentale Gesundheit haben kann.

Sie kann zu verzögerter Gehirnentwicklung, Depressionen sowie Unfruchtbarkeit führen. Experten vermuten, dass die Folgen übermäßiger Smartphonenutzung schwerwiegender sind als bisher angenommen. Die Tatsache, dass ein Smartphone klein, einfach zu bedienen und tragbar ist, erhöht das Suchtrisiko noch mehr.

Wann beginnt eine Smartphonesucht?

Der Übergang zur Sucht ist meist schleichend. Eine Abhängigkeit kann entstehen, je nachdem, wie oft man auf das Smartphone schaut. Folgendes sind Anhaltspunkte, die auf eine Sucht hinweisen können:

  • Kontrollverlust über den eigenen Handykonsum
  • Vernachlässigung von Hobbys, Interessen oder Freunden aufgrund ständiger Handynutzung
  • Entzugserscheinungen wie aggressives Verhalten, wenn das Handy vergessen wurde oder der Akku leer ist
  • Heimliche Handynutzung
  • Erfolglose Versuche, die Handynutzung einzuschränken

Je mehr Zeit in sozialen Medien, desto mehr Angst und Depression

Mit Smartphones oder anderen Geräten verbringen Deutschlands Kinder und Jugendliche im Alter ab 6 Jahren jeden Tag im Schnitt fast zwei Stunden (111 Minuten) im Netz. Dies ging aus einer repräsentativen Studie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom im Jahr 2022 hervor, bei der mehr als 900 Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 18 Jahren befragt wurden.

Die Onlinezeit stieg mit dem Alter stark an: So sind 6- bis 9-Jährige durchschnittlich 49 Minuten pro Tag im Internet und 10- bis 12-Jährige eine Stunde und 27 Minuten. Jugendliche ab 13 Jahren verbringen über zwei Stunden im Netz, 13- bis 15-Jährige 2 Stunden und 20 Minuten, 16- bis 18-Jährige 2 Stunden und 46 Minuten im Durchschnitt.

Eine im Jahr 2019 veröffentlichte Studie mit 6.595 amerikanischen Teenagern ergab Folgendes: Diejenigen, die soziale Medien 30 Minuten bis 3 Stunden pro Tag nutzten, besaßen ein 1,89-fach erhöhtes Risiko für Angst und Depression im Vergleich zu denjenigen, die sie nicht nutzten.

Das Risiko stieg auf das 2,47-fache bei einer täglichen Nutzungsdauer von 3 bis 6 Stunden und auf das 2,83-fache bei einer Nutzungsdauer von mehr als 6 Stunden an. Je mehr Zeit in den sozialen Medien verbracht wurde, desto stärker sind die Gefühle von Angst, Depression und Einsamkeit.

Sven Lindberg, Leiter der Abteilung Klinische Entwicklungspsychologie an der Universität Paderborn, stellte fest, dass das Handy sogar ablenke, wenn es ausgeschaltet auf dem Tisch liegt. „Die Entwicklung hin zu einer fortwährenden Präsenz des Smartphones hat negative Konsequenzen für die Aufmerksamkeit“, so Lindberg.

Der Wissenschaftler führte kürzlich eine Forschungsarbeit zum Einfluss des Smartphones auf kognitive Fähigkeiten durch. „Es gibt bisher nur wenige Studien zum Einfluss des ausgeschalteten Smartphones, weshalb unsere Arbeit einen wichtigen Beitrag zur bestehenden Forschung leisten kann“, ist sich Lindberg sicher.

So gefährlich wie Glücksspiel und Medikamentenmissbrauch

Eine kürzlich durchgeführte Studie aus Kanada zeigt zudem, dass die Abhängigkeit von sozialen Medien genauso schädlich sein kann wie andere Formen der Sucht, wie Glücksspiel und Medikamentenmissbrauch. Die Untersuchung ergab, dass Personen mit einem höheren Grad an Smartphonesucht schlechtere kognitive Fähigkeiten, visuelle und auditive Reaktionen und Selbstkontrolle zeigten. Sie schnitten beim allgemeinen Glücksempfinden schlechter ab und hatten mehr Angst, Fehler zu machen. Zudem zögerten sie viel länger, Dinge zu erledigen.

Die Forscher befragten 750 junge Kanadier im Alter von 16 bis 30 Jahren. Dabei fanden sie heraus, dass diejenigen, die häufig über ihr Smartphone auf soziale Medien zugreifen, bereit sind, verschiedene Opfer zu bringen, um in den sozialen Medien zu bleiben. Etwa 40 Prozent waren bereit, auf Koffein, Alkohol und Videospiele zu verzichten; 30 Prozent zogen es vor, ein Jahr lang keinen Sport zu treiben, keinen Fernseher zu nutzen oder nicht in ihrem Lieblingsrestaurant zu essen.

Fast 10 Prozent würden Unfruchtbarkeit in Kauf nehmen oder ein Jahr ihres Lebens aufgeben; fünf Prozent wären bereit, fünf Lebensjahre zu verlieren, drei Prozent würden sogar auf 10 Lebensjahre verzichten. Fast fünf Prozent wären bereit, sich mit sexuell übertragbaren oder lebensbedrohlichen Krankheiten wie Krebs anzustecken. Und 10 bis 15 Prozent wären bereit, 15 Pfund (ca. 7 Kilogramm) zuzunehmen, sich den Kopf zu rasieren, das Autofahren aufzugeben, nicht mehr zu reisen oder ohne Klimaanlage zu leben, anstatt mit den sozialen Medien aufzuhören.

Auswirkungen auf das Gehirn von Kindern

Langzeitanalysen über mehrere Jahre zeigten einen beunruhigenden Trend. Eine höhere Internetnutzung scheint mit einem Rückgang der verbalen Intelligenz verknüpft zu sein. Auch zeigt sie einen geringeren Anstieg des Volumens von grauer und weißer Substanz in weiten Gehirnregionen. Betroffen sind Bereiche für Sprachverarbeitung, Aufmerksamkeit und Emotionsregulierung. Schüler, die seit der sechsten Klasse drei Jahre Smartphones genutzt hatten, zeigten kaum Gehirnentwicklung.

Dr. Ryuta Kawashima, Professor am Institut für Altersmedizin der Universität Tohoku, forschte an über 70.000 japanischen Schülern. Dabei korrelierte längere Smartphonenutzung mit stärkerem akademischem Rückgang. In seinem Buch erklärte er, dass direkte Kommunikation das Gehirn stimuliert – Online-Kommunikation stimuliere jedoch nur Teile des Gehirns.

Tipps gegen Smartphonesucht

  • Die tägliche Zeit am Handy begrenzen.
  • Auf bestimmte Dienste verzichten, zum Beispiel einen echten Wecker benutzen.
  • Auf der Arbeit alle Signaltöne abschalten, das dient zur besseren Konzentration.
  • Freizeit dient der Erholung vom Alltagsstress. Berufliche Mails nur dann checken, wenn es unbedingt sein muss.
  • Nicht immer sofort auf Nachrichten reagieren.
  • Nicht für jede App Push-Nachrichten aktivieren.
  • Eine Stunde vor dem Schlafengehen das Smartphone weglegen.
  • Achtsamkeitsübungen, Meditation und ein bewusster Umgang mit dem Gerät.

Tipps, um Kindern mit Smartphonesucht zu helfen:

  • Sich für die Apps der Kinder interessieren und mit ihnen darüber reden.
  • Feste Nutzungszeiten im heimischen WLAN bestimmen.
  • Nachts alle Internetgeräte von Kinderbetten fernhalten.
  • Internet freie Alternativen schaffen und ein Vorbild in Hinblick auf Mediennutzung sein.

(Mit Material von The Epoch Times)



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