Bewertungsportale: Bis zu einem Drittel der Beurteilungen bei TripAdvisor könnten gekauft sein

Die britische Tageszeitung „The Times“ hat eine Webseite eröffnet, die zum Schein anbot, gegen Geld Bewertungen auf dem populären Portal „TripAdvisor“ zu hinterlassen. Einer Reihe von Gastronomen und Hoteliers sollen positive Fake-Berichte in eigener Sache oder kritische über Konkurrenten eine stolze Summe wert gewesen sein. 
Titelbild
Dieses Restaurant wird von Tripadvisor empfohlen, wie der Aufkleber am Fenster zeigt.Foto: istock
Von 26. September 2018

Ein möglicherweise groß angelegter Missbrauch des Tourismus-Bewertungssystems TripAdvisor hat in Großbritannien für Aufsehen gesorgt. Wie der Nachrichtenblog „schlaglichter.at“ berichtet, hat die Tageszeitung „The Times“ eine Vielzahl von Beschwerden von Gastronomen und Kunden über nicht nachvollziehbare Bewertungen zum Anlass genommen, ein Experiment ins Leben zu rufen.

Die Redakteure schufen eine Webseite unter dem Titel relax-marketing.com, kauften bei Google ein hohes Ranking ein und ließen sich über Suchbegriffe wie „Besprechungen bei TripAdvisor kaufen“ finden. Eine positive Besprechung wurde für 4,99 britische Pfund angeboten, für fünf gab es einen Mengenrabatt, sie kosteten insgesamt 19,99.

Bald wollte eine Kaffeehauskette Besprechungen bestellen, um das bislang durchwachsene Ranking einer bestimmten Filiale zu verbessern. Ein anderes wollte seine „Eggs Benedict“ als die „besten der Stadt“ und seine Bedienung als „besonders freundlich“ bezeichnet haben. Andere wollten gleich ein Abonnement über ein ganzes Jahr mit jeweils 30 Besprechungen für jede Betriebsstätte – und weitere teilten detailliert mit, aus welcher Altersgruppe oder welcher Gegend die gefakten „Kunden“ kommen sollen, die ihre „Erfahrungsberichte“ hinterließen.

Restaurant bot verrissene Speise gar nicht an

Von der Times mit dem tatsächlichen Charakter des Portals konfrontiert, begründeten die Auftraggeber ihr Vorgehen damit, dass Bewertungen auf TripAdvisor für das Überleben ihrer Betriebe immer wichtiger würden. Darauf, dass damit die Vertrauenswürdigkeit des Portals insgesamt infrage gestellt werde, können die Betroffenen offenbar keine Rücksicht nehmen.

Noch problematischer als die bezahlten Lobeshymnen sind jedoch ebenso gefakte und bezahlte Verrisse über Konkurrenten. Deren Anteil an den gekauften Bewertungen sei fast noch höher als jener der positiven in eigener Sache. „So wurde auf Bestellung kritisiert, dass die Suppe kalt und versalzen, das Steak steinhart und zäh und der Fisch in der Mitte noch halb roh sei“, schreibt schlaglicht.at. Bis es das betroffene Unternehmen geschafft habe, die nicht authentische Kritik löschen zu lassen, könnten Wochen vergehen. In einem Fall hätte ein Nutzer ein Restaurant für die Qualität einer Speise kritisiert, die dieses gar nicht anbiete.

Zudem hätte sich der Wert von Besprechungen bei dem Portal, das seit 2000 existiert und heute einen Börsenwert von etwa sieben Milliarden US-Dollar aufweist, auch bis zu findigen Kunden herumgesprochen. Blogger Peter Sichrovsky schildert:

„Größere Ketten von Restaurants und Hotels haben begonnen, Kunden, die schlechte Bewertungen anbieten, Gutscheine anzubieten, falls sie nach einem erneuten Besuch eine bessere schreiben würden. Andere Restaurant-Manager berichten von Gästen, die einen Rabatt bei der Bezahlung der Rechnung verlangten und drohten, sonst eine schlechte Besprechung einzusenden. Es gäbe mehr und mehr Kunden, die sich mit dem Erfinden von Dutzenden negativen Besprechungen rächen, wenn sie von einem Restaurant oder einer Bar zum Beispiel wegen Trunkenheit abgewiesen wurden.“

Erfundene Gaststätte schafft den ersten Platz im Ranking

Um dem Missbrauch gegenzusteuern, greifen Betroffene zu einer Vielzahl von Maßnahmen. Ein walisischer Hotelier hat beispielsweise die Seite Truthadvisor.co.uk ins Leben gerufen, um gefälschte Erfahrungsberichte zu entlarven. In mehreren Fällen schlossen Behörden auch Seiten, die falsche Bewertungen und Besprechungen verkauften, Italien verurteilte einen davon gar zu neun Monaten Haft und einer Geldstrafe von 10 000 Euro.

Auch TripAdvisor selbst wurde gelobt, gegen Fake-Bewertungen und deren Urheber vorzugehen und diese juristisch zu verfolgen. Die Fake-Seite der Times sei jedoch erst nach Monaten von dem Unternehmen kontaktiert worden. TripAdvisor habe es nicht einmal gemerkt, als Studenten aus London sich den Spaß erlaubten, ein frei erfundenes Restaurant mithilfe entsprechender Bewertung zum „besten Restaurant“ der Stadt zu küren.

Das Unternehmen Fakespot.com und die Cornell University haben, so Sichrovsky, mithilfe eines Computerprogramms, dessen Genauigkeit bei 90 Prozent liegen soll, Bewertungen auf dem Portal auf Authentizität getestet. Dabei soll sich herausgestellt haben, dass 33 Prozent aller Besprechungen, Bewertungen und Reihungen keine realen Erfahrungen zugrunde lägen. Bei kleineren Unternehmen wie B&B Häusern und privaten Restaurants liege der Wert gar bei 42 Prozent.

Buchungsprovisionen und Preis beeinflussen Platzierung

Darüber hinaus haben Untersuchungen gezeigt, dass Hotels oder Restaurants die Möglichkeiten haben, bei Bewertungs- oder Vergleichsportalen direkt zu intervenieren, um ihre Reihung zu verbessern. Portale wie TripAdvisor arbeiten mit einer Vielzahl an Qualitätskriterien, deren Gewichtung jedoch bei Bedarf auch von den Anbietern selbst angepasst werden kann. Untersuchungen ergaben etwa, dass sich höhere Buchungsprovisionen unabhängig von Kriterien wie Preis, Ausstattung oder Leistungen positiv auf die Platzierung ausgewirkt hätten. Tendenziell würden auch teure Hotels besser gereiht – in diesem Fall dürften wohl auch geringere Provisionen ansprechende Erträge nach sich ziehen.

Im Zuge ihrer Recherchen fand die Times auch heraus, dass auf den britischen Seiten von TA mehr als 10 000 Hotels mit der Bestwertung von fünf Sternen bewertet werden. Die mit professioneller Hotelbewertung befasste Automobile Association (AA), die jedes Jahr die Hotels genauestens untersucht, vergab diese Höchsteinstufung demgegenüber nur 88 Mal. Neben gekauften Bewertungen könnten da allerdings auch unterschiedliche Erwartungsstandards eine Rolle spielen.



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