Rechtsanwalt Dr. Uwe Lipinski über die Tücken der Masernimpfpflicht

Eine Masernimpfpflicht, bei der ausschließlich Kombi-Präparate verabreicht werden; ein Anstieg von unerwünschten Nebenwirkungen um das Dreifache nach Masern-Mumps-Röteln-Impfungen innerhalb von zwei Jahren. Zwar dreht sich in aktuellen Diskussionen alles um COVID-19, trotzdem sollte man die aktuelle Rechtslage zur schon bestehenden Impfpflicht nicht aus den Augen verlieren.
Von 2. September 2021

Auch wenn die COVID-Impfstoffe und eine Diskussion um eine mögliche Impfpflicht momentan im Fokus der Öffentlichkeit stehen, so gibt es noch immer ungeklärte Rechtsfragen bezüglich der seit fast eineinhalb Jahren bestehenden Masernimpfpflicht. Es gibt Kritik, dass es keinen einzelnen Masernimpfstoff gibt und ausschließlich Kombi-Präparate verabreicht werden.

Eine Masernimpfpflicht sei gar nicht nötig gewesen, da sie nicht zur Herdenimmunität beiträgt, erklärte der Virologe Professor Alexander Kekulé. Über Eilanträge, die dem Bundesverfassungsgericht vorliegen, wurde noch nicht abschließend entschieden, heißt es von Anwälten. Nun hat sich in den vergangenen zwei Jahren zudem die Anzahl der gemeldeten unerwünschten Nebenwirkungen um das Dreifache nach Masern-Mumps-Röteln-Impfungen erhöht.

Bevor die Masernimpfpflicht in Deutschland zum 1. März 2020 eingeführt wurde, lagen die Impfquoten für die Erst- und Zweitimpfung bereits bei über 90 Prozent.

Impfquoten für die erste und zweite Masern- und Rötelnimpfung bei 4–7‑jährigen Kindern in den bundesweiten Schuleingangsuntersuchungen 1998 bis 2018 (in Klammern die Impfquote der zweiten MMR-Impfung), Screenshot RKI

Aufgrund der hohen Impfquote fühlten sich nur wenige Menschen von der Impfpflicht betroffen – „und zwar wohl auch deshalb, weil die wenigsten wissen, dass ihnen beziehungsweise ihren Kindern Kombinationsimpfstoffe verabreicht werden, die heute aus drei oder fünf, morgen aber auch schon gegen sechs oder sieben Viren helfen sollen“, erklärt der Heidelberger Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Dr. Uwe Lipinski, in einem Interview gegenüber „critical news“.

„Die breite Masse der Bevölkerung wird das Masernschutzgesetz nie gelesen haben und im Zweifel meinen, dass das schon so seine Richtigkeit haben wird,“ meint der Anwalt. Er selbst hat nach seinen Angaben in unzähligen persönlichen Gesprächen mit Freunden, Verwandten, Kollegen und anderen festgestellt, dass praktisch keiner wusste und auch die wenigstens glauben wollten, dass es laut RKI im Jahre 2019 gerade einmal in ganz Deutschland zwei Maserntote, kompliziert durch Enzephalitis, gab, und das auf eine Bevölkerung von über 83 Millionen Menschen.

„Wer dem Staat bei einem – vergleichsweise – derart geringen gesellschaftlichen Problem derart exzessive Grundrechtseingriffe gestattet, der darf sich in der Tat über die Corona-Maßnahmen nicht beschweren“, gibt der Jurist zu bedenken.

Die letzte Person, die nur mit Masern verstarb, war laut GBE-Bund eine 74-jährige Person im Jahr 2010. Für den Juristen ist es absurd, dass man vor diesem Hintergrund eine Masern-Impfpflicht eingeführt hat, die zu Berufsverboten und massiven Eingriffen auch in die Kompetenzen der Länder führt und deren Reichweite die Pharmaindustrie nach Belieben steuern kann, ohne dass eine Ausweitung der Kombinationsimpfstoffe vom Bundestag oder auch nur vom Gesundheitsminister genehmigt werden müssten.

Nebenwirkungen der Masernimpfstoffe

Der Anwalt verweist ferner auf das Rechtsgutachten von Professor Dr.Stephan  Rixen, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sozialwirtschafts- und Gesundheitsrecht der Universität Bayreuth, vom 11. Oktober 2019. Dort heißt es auf Seite 37:

Die Nebenwirkungen der MMR (Masern-Mumps-Röteln)/MMRV (Maser/Mumps/Röteln/Windpocken)-Impfstoffe sind vorrangig den
Reaktionen auf die Masernkomponente zuzuschreiben:

  • Fieber (5-15 Prozent), Krankheitsgefühl, Fieberkrampf (1:500), Impfmasern
  • Allergische Reaktionen (Urtikaria [= Nesselsucht/Nesselfieber], Asthma, anaphylaktischer Schock); schwere Reaktion etwa 1: 5000
  • die Autoimmunkrankheit idiopathische thrombozytopenische Purpura, eine die Thrombozyten (Blutplättchen) betreffende Immunkrankheit (1: 20.000-30.000)
  • Neurologische Komplikationen (1: 365.000): Sehnerventzündung, Lähmung der Hirnnerven, Guillain-Barré-Syndrom (GBS, ein spezifisches neurologisches Krankheitsbild), Zerebellitis (Entzündung des Zerebellums, eines Teils des Gehirns), Enzephalitis (bleibende Hirnschäden ca. 1: 1,5 Mio)
  • In seltenen Fällen kann es, etwa bei stark immungeschwächten Personen, zu Todesfällen kommen

Unter Betrachtung dieser Umstände habe schon die freiwillige Impfung, die über 90 Prozent der Menschen in Deutschland in Anspruch genommen haben, „eindeutig mehr Schaden als Nutzen angerichtet“, so Lipinski. Wenn man jetzt noch einige Millionen Kinder, Lehrer, Ärzte und andere zu einer Kombinationsstoffimpfung zwinge, werde der Schaden noch größer.

Eine Abfrage des Anwalt-Teams in der „Datenbank mit Verdachtsfällen von Impfkomplikationen“ des Paul-Ehrlich-Instituts nach dem am meisten verwendeten MMR-Impfstoff Priorix habe ergeben, dass sich die Meldungen über unerwünschte Nebenwirkungen von 97 im Jahr 2018 auf 150 im Jahr 2019 gesteigert haben. Im Jahr 2020 waren es schon 270 Meldungen.

Leider, so Lipinski, sei diese Datenbank sehr unfreundlich für Benutzer gestaltet und ein Export der Daten quasi unmöglich. Auch weiß man nicht, wie viele Impfdosen in Deutschland überhaupt in den besagten Jahren eingesetzt wurden. Daher kann auch keine Aussage darüber getroffen werden, ob die gemeldeten Nebenwirkungen nur zahlenmäßig angestiegen sind oder auch prozentual.

Ein Fall aus der Anwaltspraxis

Lipinski führt einen Fall an, wonach ein sieben Jahre altes Kind mit vielen Vorerkrankungen nun mit einem Masernkombi-Impfstoff dreifach geimpft werden soll, wenn es nach dem Willen der Behörde geht. „Dieser Fall belegt einmal mehr, dass zumindest ein Teil der Beamtenschaft jegliches Maß und Mitte verloren hat.“ Sollte der Antrag der Behörde beim Oberverwaltungsgericht Gehör finden, droht dem Vater die Verhängung von Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft.

Im Vorfeld waren Atteste von der Gesundheitsbehörde schlichtweg nicht anerkannt worden, obwohl in der Schule nicht ein einziger Masernfall aufgetreten sei, d.h. es besteht jedenfalls keine Eilbedürftigkeit, im konkreten Fall vor einer Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesverfassungsgericht das Gesetz zu vollziehen.

Das Verwaltungsgericht hatte Lipinskis Mandanten in erster Instanz im Eilverfahren im Ergebnis recht gegeben. Die Behörde reichte jedoch Beschwerde ein und warf dem Mandanten Betrug vor. Dabei bezog sich die Behörde auf strafrechtliche Ermittlungen gegen eine Ärztin und weigert sich zudem „ausdrücklich, geradezu krampfhaft, die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes auch nur ansatzweise zu prüfen“.

Laut dem Oberverwaltungsgericht Magdeburg, so Lipinski, ist dieser Fall dort auch das einzige Verfahren, bei dem es auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit des sogenannten Masernschutzgesetzes ankommen könnte. „Das könnte darauf hindeuten, dass die Behörde hier aus ihrer Sicht ein Exempel statuieren will“, schildert Lipinski.

Rechtsanwalt Dr. Lipinski hat jetzt erwidert, dass die ganzen Ausführungen zu einem Strafverfahren, das sich gar nicht gegen ihre Mandantschaft richtet, irrelevant seien. Selbst wenn man dies aus unerfindlichen Gründen anders sehen wollte, habe das Verwaltungsgericht Magdeburg aufgrund der evidenten formellen und wohl auch evident materiellen Verfassungswidrigkeit des Gesetzes jedenfalls im Ergebnis korrekt entschieden.

Für den Fall, dass Lipinskis Mandantschaft im Beschwerdeverfahren unterliegen sollte, ist eine Anhörungsrüge und Verfassungsbeschwerde geplant. Vielleicht werde man sich sogar an den Europäischen Menschengerichtshof (EGMR) wenden.

Vater und Tochter des Magdeburger Eilverfahrens, welches voraussichtlich sehr zeitnah durch das OVG Magdeburg entschieden werden dürfte, sind zudem auch Beschwerdeführer einer Klägergruppe, die bereits seit Ende letzten Jahres einen umfassend begründeten Eilantrag direkt gegen das sogenannte „Masernschutzgesetz“ beim Bundesverfassungsgericht eingereicht haben. Die Klägergruppe finanziert sich durch Spenden und ist sowohl auf Telegram als auch auf Facebook präsent.

Impfen, eine Gewissensfrage?

In Tschechien müssen Kinder verpflichtend gegen neun Krankheiten, nämlich Diphtherie, Tetanus, Keuchhus­ten, Hepatitis B, Masern, Mumps, Röteln, Influenza Typ B und Kinderlähmung geimpft werden. Dagegen hatten Eltern geklagt, aber den Rechtsstreit vor dem EMGR verloren.

Lipinski weist darauf hin, dass die Berichterstattung über eine EMGR-Entscheidung zur Masernimpfpflicht vom 8. April 2021 „nahezu komplett irreführend bis unvollständig“ gewesen sei. Im Ärzteblatt hieß es beispielsweise: „Europäisches Menschenrechts­gericht hält Impfpflicht für rechtens“.

Die tschechischen Beschwerdeführer haben sich nicht auf die Gewissens- und Religionsfreiheit berufen, kritisiert Lipinski. Dabei seien diese neben anderen Grundrechten und Grundfreiheiten im Falle einer Impfpflicht auch betroffen. „Denn Impfstoffe enthalten Zelllinien abgetriebener Föten. Nun mag Abtreibung in der Tat für den Durchschnittsbürger etwas ‚ganz Normales‘ sein, aber das sehen namentlich bekennende Christen und Juden eben aus triftigen Gründen nicht so.“

Dabei wäre es sogar ein Leichtes für die Industrie, Impfstoffe ohne Zelllinien abgetriebener Föten herzustellen, aber das wolle man „aus welchen Gründen auch immer bislang nicht“. Das tschechische Gesetz enthalte auch eine solche Ausnahme aus Gewissensgründen, erklärt Lipinski weiter. Das sei ein zentraler Unterschied zum deutschen sogenannten Masernschutzgesetz.

Wäre eine solche Ausnahme auch im deutschen Recht vorgesehen, gäbe es vermutlich gar keinen oder jedenfalls deutlich weniger juristischen wie politischen Widerstand gegen die Impfpflicht“, so der Anwalt.

Auch sehe das tschechische Gesetz eine Art „Freikaufen“ von der Impfpflicht vor. „Es gibt in Tschechien kein Zwangsgeld und die Buße ist einmalig, während in Deutschland Zwangsgelder im Prinzip beliebig oft verhängt werden können.“

Mehrere Eilanträge liegen dem Bundesverfassungsgericht zur Masernimpfpflicht vor. Eine Entscheidung über die Hauptanträge blieb bislang aus, was für Lipinski schwer verständlich ist. „Wir hoffen, dass dies daran liegt, dass wir viele ‚wunde Punkte‘ des deutschen Gesetzes getroffen haben, die man offenbar auch aus Sicht der Verfassungsrichter nicht ganz so leicht ‚vom Tisch wischen‘ kann.“

Für wen gilt die Impfpflicht?

Seit dem 1. März 2020 gibt es für bestimmte Bevölkerungsgruppen eine Masernimpfpflicht, die im Infektionsschutzgesetz geregelt ist. Dieses besteht für Personen, die nach dem 31. Dezember 1970 geboren und in bestimmten Einrichtungen entweder betreut oder untergebracht sind oder dort arbeiten. Hierbei handelt es sich insbesondere um Kindertagesstätten, Schulen, Heime und Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbern und vollziehbar Ausreisepflichtiger.

Auch für Personen, die in Krankenhäusern, Tageskliniken, Rehabilitationseinrichtungen, Arzt oder Zahnarztpraxen tätig sind, besteht diese Impfpflicht, soweit sie nach dem 31. Dezember 1970 geboren wurden. Ziel der eingeführten Impfpflicht war es, Personen vor Masernerkrankungen zu schützen und eine Zweitimpfquote von über 95 Prozent zu steigern, die Erstimpfquote lag schon bei über 97 Prozent.

Der Virologe Professor Alexander Kekulé erklärte in einem Gutachten vom 22. Oktober 2019:  „Aus epidemiologischer Sicht besteht keine Notwendigkeit, die Quote der Zweitimpfungen im Kindesalter von derzeit 92,8 Prozent auf 95 Prozent zu steigern.“

In den meisten Regionen, denen eine „Elimination“ der Masern gemäß Definition der Weltgesundheitshilfe gelungen sei, lagen die Impfquoten bei Kleinkindern laut Kekulé weit unterhalb der in Deutschland erreichten Werte.  So lag in den USA zur Zeit der Elimination die Quote für die einmalige MMR-Impfung bei 91,3 Prozent. Die Quote für die zweite Impfung, die in den USA erst mit vier bis sechs Jahren empfohlen wird, lag damals ebenfalls weit unter dem aktuellen deutschen Wert von 92,8 Prozent.

In Deutschland hat die Ständige Impfkommission (STIKO) sich dafür ausgesprochen, dass Kinder im Alter von 11 bis 14 Monaten ihre Erstimpfung erhalten, wenn das Kind in eine Einrichtung aufgenommen werden soll bereits ab neun Monaten. Die Zweitimpfung ist im Alter von 15 bis 23 Monaten vorgesehen. Anders sieht es die Sächsische Impfkomission (SIKO). Sie legte die Zweitimpfung für die Zeit „um den 4. Geburtstag bis spätestens zur Schulaufnahmeuntersuchung“ fest.

Unzutreffend ist laut Kekulé die Aussage, wonach die Masern wegen der zu geringen Impfquoten zirkulieren und es dadurch zu Ausbrüchen kommt. Eine Masernimpfpflicht könne nur eine Erhöhung der Quote für die zweite Masernimpfung bei Kleinkindern bewirken.

Davon profitiert jedoch nur etwa ein Tausendstel eines Jahrgangs, weil bereits die erste Impfung zu 95 Prozent Immunität verleiht, so Kekulé weiter. Dadurch würden weder die Herdenimmunität verbessert noch Ausbrüche verhindert.

Wer einen Nachweis zu einer Masernimpfpflicht benötigt, muss sich übrigens nicht zwingend impfen lassen. Es gibt auch die Möglichkeit, einen sogenannten Masern-Titer bestimmen zu lassen. Auch die Untersuchung, ob eine in der Praxis nur sehr selten anerkannte medizinische Kontraindikation vorliegt, ist zwar grundsätzlich möglich.

In der Praxis ist es jedoch der Regelfall, dass keine dieser Ausnahmen vorliegt beziehungsweise nachweisbar ist, das heißt, die Masernkombi-Impfpflicht bleibt für die meisten Schüler, Kita-Kinder, Lehrer, Ärzte, Asylbewerber und andere bestehen.



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