Radioaktive Strahlung bringt Krankheit und Tod
Radioaktivität beeinträchtigt lebende Zellen. Selbst kleinste Strahlendosen können die Erbinformation verändern, das Immunsystem schädigen und Krebs auslösen. Die Gefährlichkeit dieser sogenannten Niedrigstrahlung hat nun auch die als konservativ geltende National Academy of Science in den USA bestätigt. Im Juni 2005 schreibt sie in einer Studie, dass es keine untere Schwelle für gefährliche Strahlendosen gibt. Alle Dosen können Krebs auslösen – radioaktive Strahlung ist somit gefährlicher als bisher offiziell angenommen.
„Vor diesem Hintergrund ist die von der CDU diskutierte Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke verantwortungslos. Wir Ärzte warnen vor längeren AKW-Laufzeiten“, sagt Dr. Angelika Claußen, Vorstandsvorsitzende der IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges).
Unter Berufung auf die Studien an den Atombombenopfern aus Hiroshima und Nagasaki wurde die Gefährlichkeit von Niedrigstrahlung lange Zeit ausgeblendet. Doch die Erkenntnis, dass es keine sicheren Strahlendosen gibt, war unter atomkritischen Wissenschaftlern schon seit längerem bekannt. „Wir wissen: Die Grenzwerte sind willkürlich festgelegt und dienen eher wirtschaftlichen Interessen als biologischen Erfordernissen“, sagt Angelika Claußen.
So stellte schon 2003 die Europäische Kommission für Strahlenrisiken (ECRR) fest, das herkömmliche Risikomodelle nicht das gehäufte Auftreten von Krebs und Leukämie bei Menschen erklären können, die radioaktiven Isotopen aus künstlichen Quellen ausgesetzt sind – wie etwa die Bewohner in der Nahumgebung von Atomanlagen. Die bekanntesten Beispiele sind hier Sellafield in Großbritannien, LaHague in Frankreich und die Atomanlagen Krümmel und Geesthacht in Deutschland. Die ECRR-Wissenschaftler entwickelten ein neues Risikomodell, das nicht nur epidemiologische, sondern auch radiobiologische Erkenntnisse berücksichtigt. ECRR unterscheidet zwischen niedrigen radioaktiven Dosen, die über einen langen Zeitraum hinweg auf eine Bevölkerung wirken und häufig über die Nahrung in den Körper aufgenommen werden und hohen radioaktiven Dosen, die einmalig und überwiegend von außen auf den menschlichen Körper wirken, wie z. B. die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Durch die unterschiedliche Herangehensweise führt zu einer Diskrepanz um den Faktor 100 zwischen den Voraussagen nach dem herkömmlichen Modell (ICRP-Modell) und dem neuen Risikomodell der ECRR.
Die konservative National Academy of Science in den USA bestätigte in einer aktuellen Studie die Gefährlichkeit von Niedrigstrahlung Sie kam u.a. zu der Auffassung, dass selbst die weltweite Hintergrundstrahlung (ohne die Radonbelastung mitzurechnen) für eine Krebserkrankung unter 100 Menschen verantwortlich ist.
Im Uranbergbau, bei der Uranverarbeitung und der “Wiederaufarbeitung“ von Kernbrennstoff wird die Biosphäre – ebenso wie im Normalbetrieb von Atomkraftwerken – mit radioaktiven Teilchen verseucht, von großen Unfällen oder dem Supergau von Tschernobyl ganz zu schweigen. Ein internationales Forscherteam untersuchte 400.000 Arbeiter in Atomkraftwerken aus 15 Ländern. Die Gruppe fand heraus, dass sich schon durch eine geringe kumulative Strahlenexposition das Risiko, an einem Krebsleiden zu sterben, um zehn Prozent erhöht.
Radioaktive Strahlung bringt Krankheit und Tod. Vor dem Hintergrund dieses Wissens ist es aus ärztlicher Sicht in höchstem Maße unverantwortlich, wenn maßgebliche deutsche Politikerinnen (Angela Merkel, CDU, Gerda Hasselfeldt, CSU)) und maßgebliche deutsche Manager der Atomindustrie (Hartmut Lauer, Leiter der AKWs Biblis A und B, S. Pierer, ehemaliger Siemens-Chef) ernsthafte Pläne verfolgen, die Laufzeiten der AKWs in Deutschland zu verlängern.
Zu diesen Gefahren kommen noch die Sicherheitsmängel deutscher Kernkraftwerke hinzu. Die IPPNW legte schon vor zwei Jahren eine Studie zu den Sicherheitsmängeln beim Kernkraftwerk Biblis B vor. Vor knapp einer Woche, am 09.09.05, beantragte die IPPNW deshalb die Stilllegung des Atomkraftwerks bei der hessischen Atomaufsicht.
Und die IPPNW steht mit dieser Einschätzung nicht allein: Die Alterung der Reaktoren, der Kostendruck durch das Management und der Verfall der Sicherheitskultur machen AKWs in Deutschland zunehmend unsicher, so dass die Gefahr eines Supergaus steigt. Ein „Tschernobyl“ im dicht besiedelten Deutschland würde immense Menschenopfer bedeuten.
„Laufzeitverlängerung für die Atomenergie bedeutet in Wahrheit nichts anderes als garantierte Profite für große Energiekonzerne auf Kosten der Gesundheit vieler Menschen“, sagt Angelika Claußen. „Der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien im Strom-, Wärme- und Verkehrssektor sowie die Verbreitung von Energieeinspartechniken hingegen sind Zukunftsprojekte im Dienst von Mensch und Natur“.(sfr/ Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges)
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