Prof. Dr. Dr. Spitzer: “Smartphones viel, viel schlimmer als Asbest”

Welche Auswirkungen Smartphones auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen haben - dieser Frage ist ein SWR-Talk nachgegangen. Psychiater Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer aus Ulm findet, dass die neuen digitalen Geräte den Kindern sehr schaden, insbesondere das Erlernen sozialer Fähigkeiten verhindern. Ein Medienpädagoge sieht das anders.
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SymbolfotoFoto: Mario Tama/Getty Images
Epoch Times26. Februar 2016

Kinder und Jugendliche würden in ihrer Entwicklung durch Smartphones und neue Medien zurückbleiben, insbesondere in ihrer sozialen. Die Geräte seien “viel, viel schlimmer als Asbest”, sagt Prof. Spitzer von der Uniklinik Ulm im SWR-Talk zum Thema, was Smartphones Kinder und Jugendlichen bringen. Medienpädagoge Uwe Seiler sieht hingegen enorme Möglichkeiten und kann sich eine Zukunft ohne Smartphones nicht vorstellen.

Die SWR-Sendung beginnt damit, dass eine Journalistin sich in einen Kindergarten begibt und den Kindern die Frage stellt, ob sie lieber ein echtes Puzzle legen oder eins auf dem Smartphone zusammenstecken. Die Antwort ist eindeutig. Aus der Kinderrunde möchte nur ein Junge “in echt” puzzlen. Später fragt die SWR-Reporterin Teenager, wieviel Zeit sie täglich chatten. Eine Schülerin meint: “4 Stunden”.

Studiogast Manfred Spitzer hat dazu nur folgende Worte übrig: “Dann hat man in diesen vier Stunden keine Zeit für Musik, bewegt sich nicht.” Seiner Meinung nach sei es bedenklich, wenn Minderjährige “ihre gesamten Sozialkontakte über den Bildschirm erledigen.” Sie würden keine “realen” Beziehungen aufbauen.

Soziale Fähigkeiten lehrt dich kein Bildschirm

Ihm zufolge könne man soziale Fähigkeiten nicht wirklich von Bildschirmen lernen. Es gebe Studien, wonach Jugendliche weniger Empathie für Eltern und Freunde entwickeln, wenn sie viel am Bildschirm hocken. “Wir wissen, dass Kinder Sprache nicht von einem Bildschirm lernen können”, bestätigt Spitzer. “Ein Buch für Kinder, das sich selbst vorliest, ist für die Sprachentwicklung etwa so gut wie ein Heimtrainer mit Elektromotor, auf den Sie sich setzen und nicht mehr treten müssen”, veranschaulicht er. Er sagt, Smartphones beeinträchtigen  die Hirnentwicklung und machen süchtig.

Prof. Spitzer: “Smartphones viel, viel schlimmer als Asbest”

“Smartphones sind viel, viel schlimmer als Asbest”, setzt er dem noch eins drauf. “Wenn Sie wissen, dass Asbest in Häusern schädlich ist, dann fragen Sie nicht, welches Haus stehen bleibt und welches nicht.” Spitzer ist seit 1998 ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik in Ulm, wo er auch die Gesamtleitung des 2004 dort eröffneten Transferzentrums für Neurowissenschaften und Lernen (ZNL) innehat. Sein neuestes Buch heißt “Digitale Demenz”.

Das Internet sei der größte Rotlichtbezirk, der größte Tatort und der größte Tummelplatz für Abzocker. Er fragt: “Schicken Sie Ihre Tochter mit 13 ins Rotlichtmilieu, damit sie die Welt kennenlernt?” und beantwortet die Frage gleich selbst mit Nein.

Smartphones definitiv Aufmerksamkeitsstörer

“Smartphones sind definitive Aufmerksamkeitsstörer”, meint er. Sie würden Ängste verursachen, depressiv und einsam machen. Natürlich hieße es, wer sie nicht hat, der sei einsam. Tatsächlich ist es genau umgekehrt: Studien zufolge würde der unsozialer, einsamer und weniger kommunikativ, der ein Smartphone benutzt.

Medienpädagoge: Kinder sinnvollen Medien-Umgang zeigen

Doch dann kommt Medienpädagoge Uwe Seiler im SWR zu Wort. Er bringt Kindern spaßige digitale Lernkonzepte in den Klassenraum. Er zeigt ihnen, wie man mit verkabelten Bananen ein Computerspiel steuert. Für ihn sind Leben und Arbeiten ohne Smartphone heute schon nicht mehr möglich. Er glaubt auch nicht, dass wir irgendwann einmal verblöden.

“Wir müssen schauen, wie wir Kinder und Jugendliche im Umgang mit den Medien fördern, eben weil unser komplettes Leben auf Medien ausgelegt ist”, regt Seiler an. Das Kultusministerium Baden-Württemberg testete jüngst Tablets an 40 Schulen. Kultusminister Andreas Stoch äußert dazu: “Der fachdidaktisch und pädagogisch wertvolle Einsatz steht im Mittelpunkt.” Mathe-Apps seien toll, sagt Seiler. Sie seien eben kein “reiner Taschenrechner”, sondern erklären etwa, wie eine Binomische Funktion aufgebaut ist.

Dem hat Spitzer was zu entgegnen: “Sie können mit Smartphones keinen Lehrer ersetzen.” Keine einzige Studie habe jemals gezeigt, dass der Einsatz digitaler Endgeräte vorteilhaft ist. Aber es gebe viele Studien, die belegen, dass Schüler schlechter werden, sobald sie Computer benutzen. (kf)

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