Pharmadialog: Regierung schiebt „Big Pharma“ den Riegel vor
Nirgendwo auf der Welt stehen neue Arzneien so schnell für die Behandlung von Krankheiten zur Verfügung wie in Deutschland. Das hat jedoch seinen Preis – und den zahlen die Kassen anstandslos. Bislang können Pharmakonzerne im ersten Jahr nach Markteinführung eines neuen Mittels den Preis selbst festlegen. Überzogene Preise, sogenannte “Mondpreise”, sind daher keine Seltenheit.
“Um den schnellen Zugang der Patienten zu innovativen Arzneimitteln auch weiterhin sicherzustellen und gleichzeitig die Gesetzliche Krankenversicherung langfristig bezahlbar zu halten, wird bei hochpreisigen neuen Arzneimitteln eine Umsatzschwelle eingeführt”, heißt es in einer Pressemitteilung der Regierung, die sie nach langem Dialog mit Pharmavertretern und Forschern vorlegte. Auch in den Bereichen Antibiotika und Kinderarzneien gibt es Änderungen.
Gesundheitsministerium für Preisobergrenze neuer Präparate
Übersteigt ein Präparat innerhalb der ersten zwölf Monate den Schwellenwert, der neuerdings deutlich unter 500 Millionen Euro liegen soll , gilt der zwischen Hersteller und gesetzlichen Krankenkassen ausgehandelte günstigere Erstattungsbetrag vor Ablauf der Jahresfrist.
Gesundheitsminister Hermann Gröhe will bis zum Sommer ein Gesetz erarbeiten, das von “Big Pharma” auferlegten Wucherpreisen Einhalt gebietet. Die Industrie bezeichnete das Vorhaben mit Blick auf künftige Innovationen als schwieriges Signal, berichtet “Spiegel.de”.
Im Gegenzug wird die Bundesregierung den Patentschutz für Innovationen erweitern und Zulassungen beschleunigen.
Geheime Preise
Die ausgehandelten Arzneipreise sollen weitgehend geheim bleiben. Nur noch die Stellen der Sozialversicherung, die die Angaben für Abrechnungszwecke benötigen, kennen sie.
Freie Bahn für Arzneitests mit radioaktiver oder ionisierender Strahlung
Die Genehmigungsverfahren bei klinischen Prüfungen, bei denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung eingesetzt werden, sollen verkürzt werden. Der Referentenentwurf des Strahlenschutzgesetzes soll im Laufe des Jahres 2016 vorgelegt werden.
Resistentere Antibiotika
Mehr Beachtung soll in Zukunft Reserve-Antibiotika geschenkt werden, die notfalls gegen resistente Keime eingesetzt werden können. Die Bundesregierung will sie besser erforschen und fördern, indem sie etwa von den Festbeträgen als oberster Erstattungsgrenze freigestellt werden.
Darüber hinaus sollen Überwachungssysteme eingeführt werden, um die Liefersicherheit von Arzneien zu gewährleisten. Auch soll eine Liste relevanter, von Engpässen bedrohter Präparate erarbeitet werden. Gleichzeitig werden Ärzte in Zukunft besser über Studien zum Nutzen eines Arzneimittels informiert: Zum Beispiel über Biosimilar-Produkte, die als Nachfolgeprodukte von biopharmazeutisch hergestellten Original-Arzneimitteln besonders kostengünstig sind.
Mehr Medikamente für Kinder
Die Bundesregierung will die Zahl der für Kinder zugelassenen Medikamente weiter erhöhen, denn normalerweise lohnen sich derartige Präparate für “Big Pharma” nicht. Experten schätzen den Anteil am Markt auf gerade einmal drei Prozent, so die “Deutsche-apotheker-zeitung.de”. Zudem ist die Entwicklung eines Arzneimittels, das speziell für Kinder zugelassen ist, teuer.
Ziel: Den Spitzenstandort Deutschland weiter nach vorne bringen
Insgesamt haben sich die Dialogpartner darauf geeinigt, den Pharmastandort Deutschland weiter zu stärken. Dazu sollen auch mehr Fachkräfte angeworben werden. Die pharmazeutische Industrie wird dazu ihre bisherigen Ausbildungsangebote verstärken und ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fördern.
“Bestärkt durch die Prioritätensetzung einer Naturwissenschafts-affinen Kanzlerin und ihr Verständnis für eine wichtige High-Tech-Branche hat der Rheinländer Hermann Gröhe mit dem Pharmadialog ein Stück rheinischen Kapitalismus wiederbelebt, der durch Pragmatismus und Kompromissfähigkeit in politischen und ökonomischen Prozessen bestimmt ist”, äußert dazu Helmut Laschet in der “Aerztezeitung.de”. (kf)
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