Meditation – Forschung und praktische Anwendung
Das Thema Meditation ist vielseitig und weitreichend. Meditation finden wir in mystischen Traditionen, in den östlichen und abendländischen Kulturen und Religionen und auch in modernen Formen wie Mentaltraining, Achtsamkeitsübungen, Schweige-Retreats, Methoden zur Stressbewältigung.
Grundformen der Meditation
Je nach Meditationsform liegt die Ausrichtung schwerpunktmäßig auf dem physischen Körper, auf der Atmung, auf den Gedanken, den Emotionen, auf Klang und Gesang (Choräle, Mantren), auf der Bewegung des Körpers (Gehmeditation, Qigong, sakrale Bewegungen, Tanz), auf Rhythmus (Musik, Trommel), auf inneren oder äußeren Bildern, auf der Natur (Mikro-Makrokosmos) oder auf seelischen Qualitäten wie Mitgefühl, Güte, Frieden und Liebe.
Die wissenschaftliche Meditationsforschung misst und analysiert, welche Veränderungen dabei im Menschen neurologisch ausgelöst werden.
In der praktischen Anwendung dieser Meditationsformen werden folgende Fähigkeiten gefordert und gefördert: Körperwahrnehmung und Körperbewusstsein, Konzentration, Fokussierung, Visualisierung (mentale Ausrichtung), innere Ausgeglichenheit – sprich eine Regulation der Emotionen –, intuitives Denken, Verbindung mit dem eigenen Selbst im Versuch, seelisch-spirituelle Fragen zu beantworten.
Die wissenschaftliche Meditationsforschung geht in ihren vielseitigen Untersuchungen primär von der klassischen Grundform der Meditation aus: ruhige Körperhaltung, Entspannung und innere Stille.
Kurzdarstellung der Meditationsforschung
Die Meditationsforschung stößt auf ein breites wissenschaftliches und öffentliches Interesse. Konferenzen und Symposien widmen sich dem Thema, so etwa der seit 2010 in Berlin stattfindende interdisziplinäre Kongress „Meditation und Wissenschaft“, die Tagungen der „Society for Meditation and Meditation Research“ (Köln) und die Symposien des „Mind and Life Institute“ (1987 vom Dalai Lama und dem Neurowissenschaftler Francisco Varela gegründet).
Die Grundlagenforschung zeigt, dass Meditation eine Methode ist, die es ermöglicht, die Steuerung der Gedanken und Gefühle zu erlernen. Dies geschieht durch regelmäßige Übung und die daraus erfolgte Regulation des eigenen Gehirns.
Diesbezüglich wichtige Arbeiten stammen vom amerikanischen Neurologen Prof. Marcus Raichle. Er entdeckte ein neuronales Netzwerksystem (Default-Mode-Netzwerk), das in der Messung sichtbar werden lässt, was der Mensch neurologisch tut, wenn er „nichts“ tun soll. Dabei zeigte sich, dass bei Probanden ohne Meditationserfahrung in solchen Momenten das Gehirn enorm aktiv wird, im Gegensatz zu meditationserfahrenen Probanden.
Die Anzahl der Studien im Bereich Meditation ist in den letzten zwei Jahrzehnten stark angestiegen. Meditation wird zunehmend in psychotherapeutische und pädagogische Programme integriert. Meditative Interventionen werden unter anderem erfolgreich in der Behandlung von Angststörungen eingesetzt, zur Rückfallprophylaxe bei wiederkehrenden depressiven Verstimmungen, bei Substanzabhängigkeit sowie bei Essstörungen.
Einige Studien zeigen außerdem gute Resultate bei bipolaren Erkrankungen und bei Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Es wurde auch über eine Verbesserung der Lebensqualität bei verschiedenen körperlichen Erkrankungen berichtet, zum Beispiel bei chronischen Schmerzen und Krebs.
Meditation wird nicht nur erfolgreich in der Behandlung von Erkrankungen eingesetzt; es wurde auch gezeigt, dass sie bei gesunden Probanden zu einer erheblichen Erhöhung des Wohlbefindens und zu Kohärenz und Resilienz führt.
Die fünf klassischen Kategorien: Beta, Alpha, Theta, Delta und Gamma
Wie der Ton im Schwingungszyklus einer Sekunde werden die Schwingungen der Organe und des Gehirns in Hertz gemessen. Die Frequenzen der Gehirnwellen sind fluktuierend und überlagern sich.
Sie sind lebendig-fließend und können im Grunde nicht mathematisch exakt voneinander getrennt werden. Dennoch werden fünf dynamische Kategorien unterschieden:
Beta: 13 bis 30 Schwingungen pro Sekunde
Alpha: 8 bis 12 Schwingungen pro Sekunde
Theta: 4 bis 7 Schwingungen pro Sekunde
Delta: ½ bis 3 Schwingungen pro Sekunde
Gamma: ab 30 Schwingungen pro Sekunde, nach oben offen
Diese fünf Kategorien können uns als Orientierungshilfe dienen, um den jeweils vorrangig erlebten Bewusstseinszustand zu erkennen und analytisch zu unterscheiden.
Das Betamuster entspricht dem Tagesbewusstsein. In der Alltagsrealität erfahren wir hauptsächlich die Kategorie der Beta-Gehirnwellen. Im Beta-Muster sind wir nach dem äußeren Leben orientiert. Wir sind aktiv involviert, rational engagiert, mental wach und konzentriert.
Alpha-Gehirnwellen erscheinen im entspannten Wachzustand, beim Tagträumen und in leichter Meditation. Kreative Visualisation und auch künstlerisch- und körpertherapeutische Aktivitäten werden sinnvollerweise in diesem entspannt aktiven Fokus ausgeführt.
Das Alpha-Muster kann auch schon während alltäglicher Tätigkeiten erscheinen, wie zum Beispiel während des Zähneputzens, während des Fahrradfahrens, bei einem Waldspaziergang, am Meeresstrand usw. Ein umgangssprachlicher Ausdruck hierfür ist „im Flow sein“.
Das Theta-Muster ist der Zustand der tiefen Entspannung und der Traumphase und auch der inspiriert-intensiven Kreativität (wenn man die Zeit vergisst). Über Theta bekommen wir Zugang zu unterbewussten Bereichen der Erinnerung.
Es ist möglich, zu lernen, diesen Zustand bewusst einzuleiten. Methoden wie autogenes Training, Autosuggestion, Hypnotherapie und – in den antiken Mysterien – der Tempelschlaf (in der indischen Tradition „Yoga Nidra“ genannt) führen über den Theta-Zustand zu einem erhöhten Lernvermögen und zu einer klareren Wahrnehmung der Intuition. Auf der Grundlage dieser Möglichkeiten existiert heute auch eine Heilmethode namens Theta Healing, ebenso eine Methode namens Delta Healing.
Obwohl man sich im Tagesbewusstsein (Beta) für gewöhnlich an nichts erinnern kann, was während des Schlafs (Delta) geschehen ist, sind während des Schlafens sehr wohl Bewusstseinsaktivitäten vorhanden. Ein besonderes Phänomen ist das luzide Träumen: Man ist sich während des Traumes (Theta) bewusst, dass man träumt. In einem luziden Traum ist es möglich, nach eigenem Entschluss zu handeln und den Verlauf des Traumes mitzugestalten oder in den Ablauf einzugreifen.
Delta ist unter den fünf Kategorien der langsamste Wellenbereich. Er ist der vom Tagesbewusstsein entfernteste Zustand, wie die meisten Menschen ihn nur noch während des Tiefschlafs erfahren – falls sie während des Schlafs überhaupt noch in dieses regenerative Wellenmuster finden.
In unserer Zivilisation leiden viele Menschen unter Schlafstörungen, gemäß Studien rund ein Viertel (5-10 Prozent chronisch). Mögliche Gründe für Schlafstörungen sind: erhöhte Lärmemission, hochfrequenter Elektrosmog, Lichtsmog, beruflicher Stress, private Sorgen, ungeregelte Zeiten des Zubettgehens, zu viel Medienkonsum, langes „Starren“ auf Computermonitore, belastende Ernährungs- und Trinkgewohnheiten usw.
Delta-Wellen treten jedoch nicht nur im Tiefschlaf auf, sondern zum Beispiel auch, wenn wir in einem entsprechenden Bewusstsein meditieren oder trance-medial tätig sind. Weil im Delta-Zustand das Bewusstsein von äußeren Projektionen weitgehend losgelöst ist, gehen Mystikerinnen und Mystiker in diesen Zustand, um bei der Erhöhung des kollektiven und interdimensionalen Bewusstseins mitzuwirken. Die Delta-Schwingung ist hilfreich für die tiefe Regeneration und zur Aktivierung der natürlichen Ressourcen und Selbstheilungskräfte.
Gammawellen und Grenzerfahrungen
Lange meinte man in der neurologischen Forschung, mit den vier Kategorien Beta, Alpha, Theta und Delta das gesamte Spektrum der Wellenbereiche des Gehirns erfasst zu haben. In den letzten dreißig Jahren wurde aber zunehmend erkannt, dass unser Gehirn auch Frequenzen erzeugt, die höher schwingen als die Beta-Kategorie, nämlich mit 30 bis 80 Schwingungen pro Sekunde, und manchmal sogar noch weit mehr.
Festgestellt hatte man solche Schwingungsfrequenzen schon früher, aber die entsprechenden Signale wurden anfänglich für Störfaktoren des Messgeräts gehalten. Heute spricht man diesbezüglich vom „Gamma-Bereich“. Dieser unterscheidet sich grundlegend von den vier anderen Kategorien.
Die Gamma-Wellen wirken als übergeordnete Steuerfunktion der vier anderen Bewusstseinszustände. Sie synchronisieren die weiträumig verteilten Hirnregionen, und zwar phasenverbunden und gleichzeitig.
Es entsteht fast der Eindruck, sie kämen sowohl vom Gehirn als auch „von außerhalb“. Kurz gesagt, entstehen Gamma-Wellen nach dem derzeitigen Wissensstand bei ganzheitlichen, „synchronisierten“ Wahrnehmungs- und Erkenntnisprozessen. Der Gamma-Bereich ist möglicherweise auch das Tor zur sogenannten Hyperkommunikation und Telepathie.
Wirkungsweisen der Meditation
Meditation schafft die Erfahrung der persönlichen, in sich ruhenden Präsenz. Sie fördert das Körperbewusstsein (das heißt bewusste Körperwahrnehmung) sowie die Fähigkeit, eine innere Distanz zum Fluss der Gedanken und Gefühle zu finden, um dadurch mit ihnen bewusst umgehen zu können. Das heißt, dass wir in unseren Reaktionen nicht einfach von Gedanken und Gefühlen bestimmt werden.
Mit der Fähigkeit zur Selbstbestimmung und Selbstregulation können emotional herausfordernde Situationen und Erschütterungen abgefedert werden. Man bleibt innerlich in einem dynamisch-stabilen Zustand. Die Selbstverantwortung bezüglich des eigenen Innenlebens wächst. Das hat ein Zu-sich-Kommen und Bei-sich-Bleiben und damit auch eine gute Stressbewältigung zur Folge (Resilienz).
Der meditationserfahrene Mensch ist aufmerksam sich selbst und dem eigenen Körper gegenüber. Er reagiert entsprechend präventiv. Nach Angaben zahlreicher Veröffentlichungen zeigen die Strukturen und Aktivitäten des Gehirns bei regelmäßig meditierenden Probanden und bei nichtmeditierenden Probanden signifikante Unterschiede. (Zeidler, W., Unterschiede in der Emotionsverarbeitung bei Achtsamkeitsmeditierenden und Nichtmeditierenden; Diplomarbeit 2007/TU Berlin)
Mit dem Bewusstsein steuern wir den Gedankenfluss und die Gedanken wiederum lösen körperliche Reaktionen aus. Ja mehr noch: Gedanken und das dahinter wirkende Bewusstsein erzeugen eine biologische Information, die auf die physische Form einwirkt, so auch auf das Gehirn.
Die Neurowissenschaften haben herausgefunden, dass Synapsen und Nervenzellen auf Bewusstseinsimpulse reagieren und sich entsprechend organisieren. Neue Gedanken und Gefühle erzeugen neue synaptische Verbindungen. Dies wird neuronale Plastizität oder Neuroplastizität genannt.
Die Gedanken und der Körper werden vom Bewusstsein beseelt. Das Bewusstsein ist in diesem Verständnis die Kraft, die Leben bedeutet. Die Quelle des Bewusstseins, die Lebenskraft, kann als Seele bezeichnet werden.
Der ganzheitliche Ansatz beschreibt den Menschen deshalb als eine multidimensionale Einheit von Körper, Geist und Seele. Die Reduktion des Menschen auf Konzepte außerhalb dieser lebendigen Ganzheit wird dem Wesen des Menschen nicht gerecht.
Die Kohärenz von Körper, Geist und Seele ist der Zustand von Harmonie: „Übereinstimmung, Einklang, wohltuender Zusammenklang, Ebenmaß im Sinne von maßvollem Verhältnis der Teile zueinander und der Teile zum Ganzen“.
Diese Kohärenz bedeutet auf der physischen und psychischen Ebene Gesundheit und Entspannung (Salutogenese) und auf der seelisch-geistigen Ebene Liebe und innere Zufriedenheit. Über Meditation kann die Wirkung der Kohärenz zu einer mystischen Erfahrung werden.
Aber es sind nicht die Hirnfrequenzen, die diese Erfahrungen verursachen, sondern die Meditation löst die entsprechende Veränderung der Hirnfrequenzen aus. Wenn auch durch chemische Stimulation ebenfalls Bewusstseinsveränderungen ausgelöst werden können, sind diese jedoch forcierte Erfahrungen, die nicht mit ganzheitlicher Meditation gleichgesetzt werden können.
Über die Autorin:
Silvia Siegenthaler ist diplomierte Pädagogin und Therapeutin sowie Autorin des Buches „Meditation – Verbindung mit der inneren Quelle. Inspirationen auf pädagogischer Grundlage“. Sie hält Vorträge als auch Seminare und leitet monatliche Meditationsabende.
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