Lauterbach will „Revolution“ bei einst selbst eingeführten „Fallpauschalen“
Gesundheitsminister Lauterbach, der vor rund 20 Jahren das Gesundheitssystem mit den sogenannten „Fallpauschalen“ mit eingeführt hat, will nun eine Revolution. So bezeichnet er jedenfalls das Konzept der neuen Krankenhausreform, das er am 6. Dezember auf der Bundespressekonferenz vorgelegt hat. Dabei stützt er sich auf die Grundlage, die eine 17-köpfige „Kommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ erarbeitet hat.
Auf der Pressekonferenz erklärt Lauterbach: „Wir haben die Ökonomie zu weit getrieben. Eine gute Grundversorgung für jeden muss garantiert sein und Spezialeingriffe müssen auf besonders gut ausgestattete Kliniken konzentriert werden. Momentan werden zu oft Mittelmaß und Menge honoriert. Künftig sollen Qualität und Angemessenheit allein die Kriterien für gute Versorgung sein.“
Neue Definition für Krankenhäuser
In ihrem Vorschlag empfiehlt die Regierungskommission, künftig einen festen Betrag als Vorhaltekosten zu definieren, den Krankenhäuser erhalten. So wolle man die „Daseinsvorsorge“ der Krankenhäuser unterstreichen und den „wirtschaftlichen Druck auf möglichst viele Behandlungsfälle senken“.
Dabei sollen die Krankenhäuser in drei Kategorien eingeteilt und entsprechend ihrem Level gefördert werden:
- Grundversorgung – medizinisch und pflegerische Basisversorgung, zum Beispiel grundlegende chirurgische Eingriffe und Notfälle.
- Regel- und Schwerpunktversorgung – Krankenhäuser, die im Vergleich zur Grundversorgung noch weitere Leistungen anbieten.
- Maximalversorgung – zum Beispiel Universitätskliniken.
Außerdem sollen Behandlungen künftig nur noch abgerechnet werden können, wenn dem Krankenhaus die entsprechende Leistungsgruppe zugeteilt wurde. Die Zuweisung von Fachabteilungen (wie „Innere Medizin“) soll durch genauer definierte Leistungsgruppen abgelöst werden (z. B. „Kardiologie“).
In einem Twitterbeitrag kommentiert Lauterbach die jetzige „Fallpauschalen-Abrechnung“: „In unseren Krankenhäusern werden Patienten oft nur als ‚Fälle‘ gesehen, die Gewinne oder Verluste bringen. Das kostet Qualität und demotiviert Pflegekräfte und Ärzte, viele haben die Kliniken verlassen. Jetzt soll wieder Medizin, nicht Ökonomie, dominieren“.
Schwerpunkte: Pflegepersonal, Kinderkliniken, Geburtshilfe, tagesstationäre Versorgung, Digitalisierung
Auf der Bundespressekonferenz betont Lauterbach die fünf Schwerpunkte der neuen Reform. Erstens solle zum Beispiel in der Pflege neues Personal eingestellt werden.
Des Weiteren gebe es für Kinderkliniken ab dem kommenden Jahr 300 Millionen Euro Soforthilfe, um sie aus ihrem „Hamsterradeffekt“ zu befreien. Weitere Investitionen soll es in der Geburtshilfe geben.
Als vierten Schwerpunkt sieht er die Notwendigkeit, weitere tagesstationäre Versorgungsangebote anzubieten. Die ambulante Versorgung sei sehr wichtig, denn es setze Pflegekräfte frei. Der letzte Punkt sei die Digitalisierung, so Lauterbach.
Kritik an neuer Reform
Kritisch werden die neuen Reformen von der Deutschen Krankenhausgesellschaft betrachtet, die ein Gesamtkonzept fordert. „Das ständige Herauslösen von Einzellösungen bringt mehr Verwerfungen als Fortschritt im System“, sagte Vorstandschef Gerald Gaß den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Zuerst müsse auch die Finanzierungslücke bei Betriebs- und Investitionskosten der Kliniken geschlossen werden, ehe eine Umverteilung der Mittel starte.
Linken-Chefin Janine Wissler warf Lauterbach vor, er gehe nicht konsequent genug vor. Noch immer liege es im Interesse von Krankenhauskonzernen, Behandlungen nach Gewinnmargen zu empfehlen.
Der Koordinator der Regierungskommission zur Krankenhausversorgung, Tom Bschor, warnte, dass die Krankenhausversorgung kollabieren werde, wenn nicht jetzt reformiert werde.
In den sozialen Medien sehen viele das neue Konzept als fragwürdig an. Eine OP-Schwester bemängelt beispielsweise, dass es weiterhin nach dem Leistungsprinzip laufen werde, weil DRGs nicht abgeschafft werden. Es bleibe zudem die Frage, wo die Pflegekräfte herkommen sollen, die der Gesundheitsminister neu einstellen möchte. (DRGs bezeichnen ein pauschaliertes Abrechnungsverfahren, mit dem Krankenhausfälle anhand von medizinischen Daten Fallgruppen zugeordnet werden.)
Lauterbach: „Fallpauschalen“ haben sich nicht bewährt
Das „Konzept der Fallpauschalen“ hatte Lauterbach 2003 als damaliger Berater der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt nahegelegt. Schon damals war die Reform stark kritisiert worden, auch im Hinblick seines Postens als Aufsichtsrat der privaten Krankenhauskette Rhön-Klinikum AG.
Seinem damaligen Wunsch entsprechend sollten Krankenhäuser nämlich stärker an der ambulanten Versorgung teilnehmen. Durch das Fallpauschalensystem besteht ein Anreiz, sehr viele – im Zweifelsfall auch unnötige – Operationen oder anderweitige Behandlungen durchzuführen (sog. Leistungs- oder Mengenanreiz). Zudem erhalten die Krankenhäuser einen fixen Betrag, auch wenn die Behandlung tatsächlich mehr oder weniger gekostet hat.
In den „Tagesthemen“ wird er gefragt, ob er die damals eingeführte Reform der Fallpauschalen jetzt als einen Fehler bezeichnet.
Darauf antwortet Lauterbach: „Damals ist die Fallpauschale sehr radikal eingeführt worden. Es war auch nicht unbedingt das, was wir beratend vorgeschlagen haben“. „Aber diese radikale Einführung, dass die Krankenhäuser 100 Prozent ihres Geldes über Fallpauschalen generieren, das hat sich einfach nicht bewährt.“
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