Kabellos, bequem und gefährlich: Wie Kopfhörer unser Gehör schädigen
„Verursachen AirPods Tinnitus?“ Das war die Frage eines Nutzers im Forum der Apple-Community vom 24. November 2019. Wann immer er AirPods – kabellose Kopfhörer von Apple – nutzte, habe er ein Pfeifen in seinem Ohr bemerkt, das nicht wegging, schrieb er.
„Wenn ich meine AirPods in die Ohren stecke, ohne etwas laufen zu lassen, ertönt ein hoher Ton, der genau dem Ton meines Tinnitus entspricht. Deshalb glaube ich, dass die AirPods tatsächlich meinen Tinnitus verursachten“, so der Nutzer.
Seit der Veröffentlichung des Beitrags vor mehr als viereinhalb Jahren äußerten über 3.200 Apple-Nutzer, das gleiche Problem zu haben.
Praktisch, aber schädlich
Seit Apple seine kabellosen Kopfhörer einführte, habe sich die Nutzung von Kopfhörern spürbar verändert, wobei jüngere Generationen sie mehr nutzen als ältere. Das meinte Julie Prutsman gegenüber Epoch Times. Sie ist Audiologin und Gründerin der Tinnitus-Klinik Sound Relief Hearing Center in den USA. Ihr zufolge kamen in den vergangenen Jahren immer mehr jüngere Menschen mit Hörverlust und Tinnitus in ihre Klinik.
AirPods und andere Apple-Kopfhörer machen heute den Großteil der von Jugendlichen verwendeten Kopfhörer aus. Im Jahr 2022 lagen die Apple-Ohrhörer auf dem deutschen Kopfhörermarkt an erster Stelle. Sie führten ebenfalls die Liste in den USA an. Laut einer Umfrage der US-Investmentbank Piper Sandler aus dem Jahr 2022 besaßen 72 Prozent der mehr als 7.000 befragten Teenager AirPods.
Allerdings liege das Grundproblem nicht in der Art der Kopfhörer, sondern in ihrer unverantwortlichen Verwendung, erklärte Prutsman. Die bequemen kabellosen Funktionen und die Geräuschunterdrückung sowie die bessere Klangqualität haben den übermäßigen Gebrauch noch verschlimmert, so die Audiologin. Dies entwickle sich zu einem wirklichen Problem und die meisten Nutzer seien nicht über die Folgen aufgeklärt, fügte sie hinzu.
Längerer Gebrauch schädlich, auch bei niedriger Lautstärke
Die meisten Menschen wissen, dass laute Geräusche die Ohren schädigen können. Laut Dr. Clarice Saba, brasilianische HNO-Ärztin, kann jedoch auch das Hören bei niedriger Lautstärke über einen längeren Zeitraum hinweg Schäden verursachen. So nutzen Menschen ihre Kopfhörer bei der Arbeit, zu Hause und sogar beim Schlafen. Auch wenn die Lautstärke nicht immer hoch ist, kann das stundenlange Tragen von Kopfhörern die Ohren überanstrengen, resümierte Dr. Saba.
Im Jahr 2021 erschien in der Fachzeitschrift „Medicine“ eine Studie. Ihr zufolge erleidet einer von fünf Jugendlichen, die täglich mehr als 80 Minuten lang Kopfhörer in einer lauten Umgebung gebrauchen, einen Hörverlust. Das Risiko ist 4,7-mal höher als bei denjenigen, die Kopfhörer für kürzere Zeiträume nutzen.
Je nach Schwere der Schädigung kann es zu einer verminderten Empfindlichkeit gegenüber Schall, Problemen bei der akustischen Wahrnehmung, Tinnitus und sogar zu Hörverlust kommen.
Geräuschunterdrückung und ihre Folgen
In den vergangenen Jahren kamen immer mehr Ohr- und Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung auf den Markt. Sie sorgen dafür, dass andere Menschen nicht vernehmen können, was man hört. Allerdings haben sie auch ihre Tücken.
Da diese Kopfhörer Umgebungsgeräusche unterdrücken, können sie bei längerem Gebrauch eine Hyperakusis verursachen. Das ist ein Zustand, bei dem die Toleranz des Gehirns gegenüber Geräuschen abnimmt. Auf diese Weise können Umgebungsgeräusche wie Husten oder das Tippen auf der Tastatur eine Stressreaktion auslösen.
Tinnitus und Hyperakusis hängen in der Regel miteinander zusammen, erklärte Audiologin Prutsman. Wie Forscher in einer Studie schätzten, leiden etwa 20 Prozent der Menschen mit Tinnitus auch an einer Hyperakusis.
„Die Menschen denken: ‚Ich schütze mein Gehör mehr.‘ Das führt aber dazu, dass ihr gesamtes Nervensystem auf normale Schallpegel überreagiert“, so die Audiologin.
Tinnitus und die Hyperaktivität des Gehirns
Studien zeigten, dass chronischer Tinnitus eng mit Hörverlust und Hyperaktivität des Gehirns verbunden ist. Die meisten Tinnitus-Patienten haben einen Hörschaden, wobei das Gehirn bestimmte Tonhöhen nicht mehr wahrnehmen kann. Es versucht dann, diesen Verlust auszugleichen, indem es den fehlenden Ton neu erzeugt. Dadurch entsteht laut Forschungsergebnissen ein Tinnitus.
Wenn subtile Hintergrundgeräusche den Tinnitus in ihrer Umgebung dämpfen, nehmen Personen mit leichtem Tinnitus das Phantomgeräusch möglicherweise kaum wahr. Doch wenn sich diese Personen in einer ruhigen Umgebung befinden, einen Gehörschutz tragen oder Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung benutzen, können die hohen Töne deutlicher wahrgenommen werden.
„Alles, was das Hören natürlicher Außengeräusche blockiert, sorgt dafür, dass ein Tinnitus lauter wahrgenommen wird“, so Prutsman.
Geräuschunterdrückung nicht immer Auslöser für Tinnitus
Manche Personen mit Tinnitus finden jedoch nicht, dass geräuschunterdrückende Ohrhörer ihren Tinnitus hervorrufen. Im Gegenteil: Solche Ohrhörer reduzieren störende Geräusche bei diesen Personen und erhöhen ihren Hörkomfort, fügte die Audiologin hinzu.
So verwendet Hazel Goedhart – Leiterin von Tinnitus Hub, einer gemeinnützigen Patientenorganisation in den USA, die von Menschen mit Tinnitus geführt wird – im täglichen Leben Ohrhörer mit Geräuschunterdrückung. Damit blendet sie Umgebungsgeräusche aus, die ihr Gehör weiter schädigen könnten, erklärte sie gegenüber der Epoch Times.
Wie man einen Hörschaden vermeiden kann
Es gibt einige Dinge, die man tun kann, um Hörschäden zu vermeiden.
- Kopfhörer bei einer Lautstärke von maximal 85 Dezibel benutzen. Das entspricht in etwa der Lautstärke eines Mixers oder des regen Stadtverkehrs.
- Kopfhörer regelmäßig alle zwei Stunden abnehmen, auch wenn man sie bei geringer Lautstärke nutzt.
- Um Ohrentzündungen zu vermeiden, kann man Kopfhörer tragen, die über die Ohren angezogen und nicht in die Ohren eingeführt werden.
- Wann immer möglich, Lautsprecher verwenden.
- Tinnitus-Patienten sollten die Auslöser für ihr Leiden identifizieren. Belastungen, die das Nervensystem reizen, können einen Tinnitus auslösen. Dazu gehören subjektive Auslöser wie beispielsweise Koffein, schlechter Schlaf, Stress, Infektionen und laute Geräusche.
Apple reagierte nicht auf eine Anfrage der Epoch Times nach einem Kommentar.
Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.
Zuerst erschienen auf theepochtimes.com unter dem Titel „Long-Wear, Noise-Canceling, and Wireless: How Earphones Damage Our Hearing“. (redaktionelle Bearbeitung as)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion