„Historisch zu viele Kliniken“: Kassenärzte erwarten Schließung von Krankenhäusern

Der Verband der Kassenärzte rechnet in den kommenden Jahren mit der Schließung zahlreicher Kliniken. Er fordert einen Abbau von Überkapazitäten.
Die Krankenhausreform soll Kliniken mehr von wirtschaftlichem Druck lösen.
Die Krankenhausreform soll Kliniken mehr von wirtschaftlichem Druck lösen.Foto: Marcus Brandt/dpa
Von 15. März 2023

Im Februar hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ein Treffen der „Bund-Länder-Arbeitsgruppe für die Krankenhausreform“ einberufen. Dabei ging es unter anderem um Mindestangebote einzelner Krankenanstalten im Zeichen eines flächendeckend ausreichenden Versorgungsangebots. Nun spricht der Chef der Kassenärzte von einer weitreichenden Umstrukturierung, die auf das deutsche Gesundheitswesen perspektivisch zukomme. Diese werde auch viele Kliniken treffen.

„Zu viele Kliniken mit zu wenig Personal“

Ein vielfach befürchtetes Kliniksterben werde sich nicht in allen Fällen vermeiden lassen, meint Andreas Gassen, der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Dienstagsausgabe) äußerte er:

Im Zuge der Krankenhausreform werden wir selbstverständlich Krankenhäuser abbauen oder umwandeln müssen.“

Wer etwas anderes sage, „verschließt die Augen vor der Wirklichkeit“. Deshalb müsse man Überkapazitäten abbauen und Personal bündeln. Es gebe „historisch deutlich zu viele Krankenhäuser mit in der Regel deutlich zu wenig Personal“, so Gassen.

Zudem ließen sich dem Chef der Kassenärzte zufolge auch etwa fünf Millionen von insgesamt etwa 20 Millionen stationärer Operationen in Deutschland auch ambulant erbringen – immerhin 20 Prozent.

Trend zur ambulanten Operation zu schleppend?

In Deutschland würden „Operationen im Krankenhaus vorgenommen, die im Rest der Welt seit Jahren ambulant gemacht werden“. Zu den Operationen, die in anderen Ländern deutlich häufiger als in Deutschland ambulant erfolgen, gehören unter anderem Hüft- und Kniegelenkersatzoperationen. In Österreich ist ein solcher Eingriff 2021 erstmals nicht stationär erfolgt.

Erst allmählich zeichnet sich bei Operationen an der Gallenblase oder wegen Hernien auch in Deutschland ein Trend zur ambulanten Behandlung ab. Beim Grauen Star ist eine stationäre Behandlung mittlerweile die Ausnahme.

In anderen Ländern – insbesondere in den USA und in einigen europäischen Ländern – werden diese Eingriffe bereits seit Längerem im Regelfall ambulant durchgeführt.

Welche Faktoren Überkapazitäten begünstigen

Die Anzahl der stationären Operationen, die sich auch ambulant durchführen ließen, ist jedoch nur einer von mehreren Aspekten, die zu Überkapazitäten beitragen. Einige der Faktoren sind dabei weniger beeinflussbar als andere.

Zur stärkeren Inanspruchnahme der Krankenanstalten, die der Chef der Kassenärzte anspricht, trägt etwa der demografische Wandel bei. Eine ältere Bevölkerung benötigt tendenziell mehr Gesundheitsversorgung, was entsprechend zu einem höheren Bedarf an stationären Aufenthalten führen kann.

Anpassen lässt sich hingegen das Finanzierungssystem: Derzeit belohnt das deutsche Krankenhausfinanzierungssystem Krankenhäuser tendenziell für eine höhere Belegung ihrer Betten und Anzahl der Behandlungen. Auch das kann zu Überkapazitäten und einem erhöhten Ressourceneinsatz beitragen.

Die Effizienz der Nutzung vorhandener Kapazitäten lässt sich durch eine optimierte Bettenplanung verbessern. Ein weiterer wesentlicher Faktor ist außerdem jener der Technologie. Fortschritte in diesem Bereich ermöglichen es den Krankenhäusern, immer mehr Behandlungen durchzuführen. Dies trägt zwar auch zu einem Anstieg der Kapazitäten bei, allerdings erleichtert diese Entwicklung auch die Verkürzung der Aufenthaltsdauer.

Lauterbach will „gewachsene Strukturen erhalten“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will mit seiner Krankenhausreform ein flächendeckend gutes Versorgungsangebot gewährleisten. Allerdings sollen manche Einrichtungen bestimmte Abteilungen nicht mehr zwingend vorweisen müssen.

So sollen beispielsweise Krankenhäuser für ein bestimmtes Einstufungslevel nicht mehr alle bisher erforderlichen Abteilungen innehaben müssen. Voraussetzung dafür ist, dass bereits ein benachbartes Krankenhaus entsprechende Abteilungen hat. Dies soll nach der Vorstellung Lauterbachs funktionsfähige und gewachsene Strukturen erhalten.

Aus Ländern und Gemeinden ertönt zudem der Ruf nach einer stärkeren Beteiligung des Bundes an den Transformationskosten.

Kommunale Kliniken im Interessenskonflikt mit Unikliniken

Dazu kommen vielfach auch Konflikte zwischen Ländern und Kommunen. So gibt es etwa in Potsdam Streit um die finanzielle Ausstattung des kommunalen Klinikums. Dieses weise ein weitgehend identisches Leistungsprofil wie die Unikliniken im Land aus, deren Existenz aber über die Landeshaushalte gesichert werde. Als Maximalversorger entstünden dem Potsdamer Klinikum dreistellige Millionendefizite, für die am Ende der städtische Haushalt geradestehen müsse.

In Magdeburg wiederum hat die Stadt eine Ausfallbürgschaft für das kommunale Klinikum in Höhe von 20 Millionen Euro übernommen. Gleichzeitig befürchtet man Druck vonseiten des Landes hin zu einer Fusion mit der Uniklinik.

Dies wäre nach dem Willen einer breiten Mehrheit der Stadtvertreter nicht im Interesse der Qualität der Gesundheitsversorgung in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt. Das kommunale Klinikum steht finanziell auf weitgehend sicheren Beinen, wohingegen die Uniklinik wegen mehrerer Skandale ins Gerede gekommen war.

(Mit Material von AFP)



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