Harvard-Forscher: Die Wurzel psychischer Leiden erkennen

Ein Harvard-Professor hat möglicherweise eine fundamentale Ursache für psychische Erkrankungen identifiziert, die deren Behandlung eine neue Richtung weisen könnte.
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Die unsichtbare Kraft hinter psychischen Leiden: Mitochondrien unter dem Mikroskop.Foto: iStock
Von 4. April 2024

Seit Jahren versuchen Experten zu verstehen, was psychische Erkrankungen verursacht, doch trotz medizinischer Fortschritte bleibt diese Frage oft unbeantwortet.

Viele Patienten, die nach Erklärungen suchen, bekommen zu hören, dass ihre Probleme genetisch bedingt oder auf einen Serotoninmangel zurückzuführen seien. Es ist allerdings klar, dass verschiedene Erfahrungen, wie zum Beispiel das Gefühl der Isolation, Abhängigkeiten oder erlebte Traumata, zu psychischen Erkrankungen beitragen können. Zusätzlich ist bekannt, dass auch biochemische Prozesse im Körper, insbesondere im Gehirn, eine Rolle spielen.

Dr. Christopher Palmer, Psychiatrieprofessor an der Harvard Universität, hat in seiner Forschung Verbindungen zwischen psychischen Krankheiten und Problemen mit den Mitochondrien, also den Kraftwerken unserer Zellen, beleuchtet. Seine Arbeit und die vieler anderer Forscher stellen die Wirksamkeit der herkömmlichen Behandlungsmethoden für psychische Erkrankungen infrage und fordern ein Umdenken in der Behandlung.

Unerwartete Entdeckung

Dr. Palmer leitete seine Forschungen im Jahr 2016 ein, als er einen Patienten mit schizoaffektiver Störung dabei unterstützte, Gewicht zu verlieren. Der Patient litt nicht nur unter schweren psychischen Problemen, sondern auch unter Selbstwertproblemen, die durch die Gewichtszunahme infolge der Einnahme psychotroper Medikamente entstanden waren. Überraschend führte der Gewichtsverlust zu einem signifikanten Rückgang seiner psychischen Symptome.

Dr. Palmer äußerte, dass er anfangs kaum glauben konnte, dass eine Umstellung auf eine kohlenhydratarme ketogene Diät die chronischen Hörhalluzinationen und paranoiden Wahnvorstellungen des Patienten beenden könnte. Er setzte diese Methode rasch auch bei anderen Patienten ein und beobachtete ähnliche – teilweise sogar noch eindrucksvollere – Ergebnisse.

Diese Erfahrungen motivierten ihn dazu, tiefer zu erforschen, wie eine Veränderung der Ernährung bei schweren psychischen Erkrankungen hilfreich sein könnte.

Puzzleteile zusammenfügen

Aufbauend auf der jahrzehntelangen Forschung im Bereich des Stoffwechsels und der Mitochondrien glaubt Dr. Palmer, dass psychische Störungen auf metabolische Störungen des Gehirns zurückzuführen sind. Dies bedeutet, dass diese Zustände keine unveränderlichen Defekte darstellen und durch die Identifikation und Behandlung ihrer Ursachen korrigiert werden können. Diese Einsicht fordert die gängige Ansicht heraus, dass Zustände wie Schizophrenie und bipolare Störung lebenslange Erkrankungen sind.

Im November 2022 veröffentlichte er sein Buch „Brain Energy“ (deutsche Ausgabe: „Psychische Erkrankungen neu verstehen: Warum Stoffwechsel und Mitochondrien die Schlüsselrolle für unsere psychische Gesundheit spielen“), das seine Entdeckungen beleuchtet.

Energiezentralen in Gefahr

Mitochondriale Dysfunktion kennzeichnet einen Zustand, bei dem die Mitochondrien – fundamentale Elemente für die adäquate Arbeitsweise aller Zellen, einschließlich der Gehirnzellen – ihre Funktion nicht korrekt ausüben. Diese mikroskopisch kleinen Energiezentralen in unseren Zellen spielen eine entscheidende Rolle für die Energieversorgung.

Das Gehirn benötigt für eine effiziente Funktion eine beträchtliche Menge an Energie. Fehlt diese Energie, können Struktur und Funktion des Gehirns beeinträchtigt werden, was psychische Erkrankungen wie Angst, Depression, bipolare Störung und Schizophrenie nach sich ziehen kann.

Außerdem kann die beeinträchtigte Funktion der Mitochondrien eine breite Palette weiterer Gesundheitsbeschwerden nach sich ziehen, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Übergewicht und Typ-2-Diabetes.

Dr. Palmer, dessen klinische Erfahrung sich über mehr als zwei Jahrzehnte erstreckt und der sich auf besonders behandlungsresistente Fälle psychischer Erkrankungen spezialisiert hat, stellte fest, dass viele Patienten mit psychischen Erkrankungen auch Anzeichen einer mitochondrialen Dysfunktion aufweisen.

Die Behandlung der zugrundeliegenden mitochondrialen Störung kann oft zu einer Verbesserung des psychischen Zustandes führen. Einige seiner Patienten erlebten eine Remission (Nachlassen) von leichten bis schweren Symptomen, einschließlich Depression, Psychose und Halluzination, und konnten ihre Medikamente reduzieren oder ganz absetzen.

Psychiatrische Medikamente können zwar kurzfristig für einige Patienten hilfreich sein, doch führen sie oft zu Nebenwirkungen wie verringerter Libido, erhöhtem Suizidrisiko und Gewichtszunahme. „Wir müssen die Risiken und Vorteile dieser Behandlungen auf lange Sicht sorgfältig abwägen“, sagte Dr. Palmer.

Er warnte davor, die Einnahme von Medikamenten ohne Absprache mit medizinischem Fachpersonal zu beenden.

Low-Carb ketogene Ernährung zeigt vielversprechende Ergebnisse

Dr. Palmer hat aufgrund seiner Forschung und praktischen Erfahrungen zahlreiche Maßnahmen vorgeschlagen, um die negativen Auswirkungen einer mitochondrialen Dysfunktion abzumildern. Zu diesen Maßnahmen zählen Veränderungen im Lebensstil wie regelmäßige körperliche Betätigung, eine ausgewogene Ernährung, Stressabbau und genügend Schlaf.

Besonders hervorzuheben ist dabei die ketogene Diät. Ursprünglich in den 1920er-Jahren zur Behandlung von Epilepsie entwickelt, zeichnet sich diese Diät durch einen hohen Fettanteil, einen moderaten Proteingehalt und einen niedrigen Kohlenhydratanteil aus. Sie fördert nachweislich die Vermehrung der Mitochondrien in den Zellen sowie deren Funktionsfähigkeit.

Ein wesentlicher Vorteil der ketogenen Diät für die Gesundheit der Mitochondrien liegt in der Produktion von Ketonkörpern. Im Zustand der Ketose verwendet der Körper gespeichertes Fett, um Ketone als alternative und effizientere Energiequelle zu produzieren. Diese Ketone können den Zellen, insbesondere den auf Mitochondrien angewiesenen Gehirnzellen, Energie liefern.

Mitochondrien spielen eine wichtige Rolle bei der Produktion von Neurotransmittern, den chemischen Botenstoffen, die unsere Stimmung und unser Verhalten beeinflussen, wie beispielsweise Serotonin und Dopamin.

Darüber hinaus trägt die ketogene Diät zur Verbesserung der Insulinresistenz bei, da sie arm an Zucker und Kohlenhydraten ist. Eine Insulinresistenz kann auch die Bildung neuer Mitochondrien behindern, was zu mitochondrialer Dysfunktion, verringerter Energieproduktion und Zellschädigung führt – auch bei Gehirnzellen.

Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.
Zuerst erschienen auf theepochtimes.com unter dem Titel „A Root Cause of Mental Illness: Harvard Professor“. (deutsche Bearbeitung kr)



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