mResvia: Was man bisher über den zugelassenen RSV-Impfstoff weiß
Die EU-Kommission hat einen mRNA-Impfstoff gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) offiziell zugelassen. Bereits im Juni hatte die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA den Impfstoff zur Zulassung empfohlen. Das Präparat mit der Bezeichnung mResvia wurde von der Firma Moderna entwickelt und basiert auf dem gleichen Wirkprinzip wie ihr Impfstoff gegen COVID-19.
Für den neuen Impfstoff wurde die genetische Information eines Oberflächenproteins von RSV ausgewählt. Durch die Produktion dieses Proteins im Körper eines Geimpften sollen neutralisierende Antikörper generiert und die zelluläre Immunität aktiviert werden, die dann einen Schutz vor RSV-assoziierten Atemwegserkrankungen bieten sollen.
RSV-Infektionen: Verbreitung und Risikogruppen
Fast jeder Mensch kommt bereits in den ersten beiden Lebensjahren erstmals mit RSV in Kontakt. Das Virus verbreitet sich durch Tröpfcheninfektion und verursacht typischerweise Infektionen der oberen Atemwege mit Symptomen wie Husten, Schnupfen, Halsschmerzen und leichtem Fieber.
Bei Säuglingen, Kleinkindern, älteren Personen und immungeschwächten Menschen kann RSV auch schwerere Symptome hervorrufen. In seltenen Fällen kann das Virus zu einer Bronchiolitis, einer Entzündung der kleinsten Atemwege in der Lunge, oder einer Lungenentzündung führen.
Nach Schätzungen gehören RSV-Infektionen weltweit zu den häufigsten Ursachen für Atemwegsinfektionen. In der EU sind dabei mehr als 90 Prozent der hospitalisierten erwachsenen RSV-Patienten über 65 Jahre alt. Laut dem Europäischen Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) werden in der EU, in Norwegen und im Vereinigten Königreich jährlich neben rund 160.000 Erwachsenen auch über 200.000 Kinder wegen RSV-Infektionen im Krankenhaus behandelt.
Verlässliche Zahlen, insbesondere zu RSV-bedingten Todesfällen bei Erwachsenen, sind jedoch schwer zu ermitteln. Eine Analyse aus dem Jahr 2022 untersuchte 21 Studien zu Hospitalisierungsraten und Sterblichkeitszahlen bei RSV-Infizierten. Die Autoren errechneten daraus eine Sterblichkeitsrate von etwa sieben Prozent für Patienten über 65 Jahre. Auf Deutschland bezogen wären das etwa 25.000 RSV-bedingte Hospitalisierungen und rund 1.800 Todesfälle im Jahr.
Bisherige RSV-Impfstoffe kamen nach der Meldepflicht auf den Markt
Nach steigenden Fallzahlen im Herbst 2021 und 2022 wurde im Jahr 2023 in Deutschland eine Meldepflicht für RSV-Infektionen eingeführt. Kurz darauf erteilte die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) die Zulassung für die ersten Impfstoffe gegen RSV: Arexvy von GlaxoSmithKline (GSK) für Personen ab 60 Jahren und Abrysvo von Pfizer für Schwangere, um Säuglingen durch passive Immunisierung einen künstlichen Nestschutz zu bieten.
Beide Impfstoffe wirken als Proteinimpfstoffe direkt auf die Zellen des Immunsystems. Ihre Dosierung und Wirkdauer kann daher besser kontrolliert werden, als es bei mRNA bisher möglich ist. Allerdings ist die Herstellung von Proteinimpfstoffen aufwendiger und kostenintensiver als die Produktion von mRNA-Impfstoffen.
Für Neugeborene stehen zusätzlich passive Immunisierungen zur Verfügung, die kürzlich von der STIKO für alle Babys empfohlen wurden. Dabei handelt es sich um Antikörper, die direkt injiziert werden und nur vorübergehenden Schutz bieten können.
Wirksamkeit und Langzeitbeobachtung von mResvia
Seit 2024 ist nun auch ein genbasierter Impfstoff gegen RSV verfügbar. Im Mai hatte die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) Modernas Impfstoff mResvia gegen RSV zugelassen. Diese Genehmigung für Menschen ab 60 Jahren erfolgte im Rahmen des Breakthrough Therapy Designation-Programms, das die Entwicklung und Prüfung von Medikamenten für schwerwiegende oder lebensbedrohliche Erkrankungen beschleunigen soll.
Auch die europäische Zulassung wurde jetzt im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens erteilt. Laut der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) bietet der neue Impfstoff von Moderna einen signifikanten Nutzen bei der Prävention von durch RSV verursachten Erkrankungen der unteren Atemwege. Dies sei in randomisierten, Placebo-kontrollierten klinischen Studien nachgewiesen worden.
Die Zulassungsstudie für mResvia wurde im Dezember im medizinischen Fachmagazin „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht. In der Studie erhielten über 35.000 Teilnehmer entweder eine Dosis mRNA-Impfstoff oder ein Placebo (Kochsalzlösung). Die Wirksamkeit wurde daran gemessen, inwieweit RSV-assoziierte akute Atemwegserkrankungen in der Impfstoffgruppe verhindert wurden. Der Vergleich zwischen der Impfstoff- und der Kontrollgruppe zeigte dabei eine relative Effektivität des Impfstoffs von 68,4 Prozent in den ersten vier Monaten nach der Impfung.
Die Studie zu Wirksamkeit und Sicherheit war jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Inzwischen liegen auch Ergebnisse der Langzeitüberwachung vor: Über einen Zeitraum von 8,6 Monaten sank die Wirksamkeit auf nur noch 62 Prozent. Aktuellere Daten zeigen, dass die Wirksamkeit bereits nach einem Jahr auf unter 50 Prozent sinken kann.
Offene Fragen zur Wirksamkeit
In der Bevölkerung zirkulieren zwei verschiedene RSV-Stämme: RSV-A und RSV-B. Laut der Zulassungsstudie bietet mResvia zwar einen anfänglichen Schutz von 78,5 Prozent gegen Atemwegserkrankungen, die durch RSV-A verursacht wurden, jedoch nur einen Schutz von 51,7 Prozent gegen solche, die durch RSV-B hervorgerufen werden.
Langzeitbeobachtungen von mResvia zeigen zudem erhebliche Schwankungen in der Effektivität. Insbesondere bei über 80-Jährigen, die als besonders gefährdet für RSV-Infektionen gelten, konnte keine Wirksamkeit des Impfstoffs festgestellt werden. Tatsächlich waren in dieser Altersgruppe mehr Menschen in der geimpften Gruppe infiziert als in der Placebogruppe.
Auffallend ist, dass in der Zulassungsstudie nur RSV-assoziierte Atemwegserkrankungen berücksichtigt wurden. Das bedeutet, dass ausschließlich untersucht wurde, ob die Impfung Erkrankungen verhindert, die direkt durch das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) verursacht werden. Es wäre aber durchaus möglich, dass Infektionen mit anderen Atemwegserregern als RSV nach Impfungen häufiger auftreten.
Eine sogenannte „Erreger-Substitution“, bei der andere Viren die frei gewordene Nische besetzen, ist ein bekanntes Phänomen. Dies wurde aber in der Studie nicht überprüft. Ob die RSV-Impfung insgesamt zu einer geringeren Zahl von Atemwegserkrankungen beigetragen hat, lässt sich daher nicht beurteilen.
Erfahrungen aus der COVID-19-Pandemie
Der neue RSV-Impfstoff basiert auf dem gleichen Prinzip wie Modernas COVID-19-Impfstoff Spikevax. Die genetische Information für ein Oberflächenprotein des RSV, Glykoprotein F, welches für den Eintritt des Virus in die Zielzelle verantwortlich ist, wird als mRNA in Lipidnanopartikel (LNP) verpackt. Nach der Injektion wird die mRNA in den Zellen abgelesen, um das „virale“ Protein zu produzieren.
Bei den Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 hatte sich gezeigt, dass die mRNA und das Spike-Protein länger im Körper verbleiben und sich weiter verbreiten als ursprünglich angenommen. Darüber hinaus ist inzwischen bekannt, dass die Schutzwirkung der Impfstoffe nur vorübergehend war. Gegen neuere Varianten des Coronavirus erwiesen sich die Impfstoffe als weitgehend unwirksam. Inwieweit Ähnliches von den neuen mRNA-Impfstoffen gegen RSV zu erwarten ist, ist bislang unklar.
Wichtige Fragen zur Sicherheit noch ungeklärt
Vor diesem Hintergrund wäre eine detailliertere Untersuchung der Eigenschaften von mRNA-Impfstoffen gegen RSV zu erwarten gewesen. Daten zur Biodistribution – also zur Verteilung einer pharmakologischen Substanz im Körper – sind in normalen Zulassungsverfahren von Arzneimitteln von zentraler Bedeutung.
Jedoch wurden auch beim neuen RSV-Impfstoff mResvia keine Untersuchungen zur Biodistribution durchgeführt. Zudem gibt es keine Angaben darüber, wie lange der neue mRNA-Impfstoff im Körper verbleibt. Dies könnte potenziell problematisch sein, da eine lang anhaltende Antigenpräsenz mit möglichen immunologischen Langzeitfolgen oder Autoimmunerkrankungen in Verbindung gebracht wird.
Bei den mRNA-Impfstoffen gegen COVID-19 wurde ein breites Spektrum an Nebenwirkungen beschrieben, die während der Entwicklungs- und Zulassungsphase nicht identifiziert worden waren. Ob der nun zugelassene RSV-Impfstoff ähnliche Sicherheitsprobleme aufweist, wurde in den Zulassungsstudien nicht explizit überprüft. Das vollständige Sicherheitsprofil wird sich daher erst nach Anwendung der Impfstoffe in der breiten Bevölkerung zeigen.
Beschleunigte Zulassung wegen „öffentlichem Interesse“
Die Entwicklung von Impfstoffen einschließlich der klinischen Phasen zur Sicherstellung von Sicherheit und Wirksamkeit dauert normalerweise mehrere Jahre und erfolgt schrittweise.
Während der Corona-Krise wurden die klinischen Phasen erheblich verkürzt und teilweise parallel durchgeführt. Der neue RSV-Impfstoff von Moderna wurde nun in ähnlich kurzer Zeit entwickelt: Die Daten der klinischen Phase-1- und Phase-3-Studien wurden innerhalb nur eines Jahres veröffentlicht.
Laut dem Paul-Ehrlich-Institut genügt inzwischen bereits ein „großes Interesse an der öffentlichen Gesundheit“, um ein neues Produkt im beschleunigten Verfahren zuzulassen. Auch der RSV-Impfstoff Arexvy wurde aus diesem Grund deutlich schneller auf den Markt gebracht als vor der Corona-Zeit üblich. Für die Pharmaindustrie bedeutet dies geringere regulatorische Hürden, reduzierte Kosten und folglich auch schnellere Gewinne.
Ausständige Untersuchungen zur Sicherheit von mResvia
Wie bei den mRNA-Impfstoffen gegen COVID-19 wurde auch mResvia nicht auf potenzielle krebserzeugende oder erbgutverändernde Effekte untersucht. Ebenso wurden mögliche Beeinträchtigungen der Fruchtbarkeit nicht überprüft. Die Annahme, dass RNA-Impfstoffe keine Gefahr für das Erbgut darstellen, wird unter Experten intensiv diskutiert, insbesondere seit bei bisherigen mRNA-Impfstoffen Kontaminationen mit DNA nachgewiesen wurden.
Moderna erklärt, dass die Häufigkeit und Schwere der Nebenwirkungen in der mResvia-Gruppe laut den Zulassungsstudien höher waren als in der Placebogruppe. Die Mehrheit der Nebenwirkungen wurde jedoch als mild bis moderat und vorübergehend eingestuft. Dabei berichteten mehr als die Hälfte der Probanden über Schmerzen und lokale Reaktionen an der Einstichstelle. Auch Kopfschmerzen, Müdigkeit, Muskelschmerzen und Gelenkschmerzen traten in der Impfstoffgruppe deutlich häufiger auf als in der Placebogruppe.
Zu den potenziellen Risiken von mRNA-Impfstoffen gegen COVID-19, die erst nach der Zulassung identifiziert wurden, zählen Myokarditis und Perikarditis. Während der Zulassungsstudie von mResvia wurden laut Moderna keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Herzschäden gefunden. Todesfälle einschließlich Herzinfarkten traten in der Impfstoffgruppe und der Placebogruppe in vergleichbarer Zahl auf.
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