Alkohol und Demenz: Selbst geringe Mengen gefährlicher als gedacht?

Eine neue wissenschaftliche Untersuchung stellt bisherige Annahmen über den Zusammenhang zwischen Alkohol und Gehirngesundheit auf den Kopf.
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Selbst kleine Mengen Alkohol könnten das Risiko für Demenz steigern.Foto: Silberkorn/iStock
Von 30. Oktober 2024

Die Ergebnisse einer neuen Studie legen nahe, dass es keine sichere Menge an Alkohol gibt, wenn es darum geht, das Risiko für Demenz zu verringern. Selbst leichter Alkoholkonsum könnte demnach das Risiko für kognitive Beeinträchtigungen erhöhen.

Zunahme von Demenz weltweit

Die Studie kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Zahl der Demenzerkrankungen weltweit rapide ansteigt. Schätzungen zufolge wird die Zahl der Demenzpatienten von 57 Millionen im Jahr 2019 auf fast 153 Millionen im Jahr 2050 anwachsen. Dieser alarmierende Anstieg verdeutlicht die Dringlichkeit, wirksame Präventionsstrategien zu finden. Der Alkoholkonsum, der als modifizierbarer Risikofaktor gilt, rückt dabei immer stärker in den Fokus der Forschung.

In der aktuellen Studie, die in der Fachzeitschrift „eClinicalMedicine“ veröffentlicht wurde, fanden Wissenschaftler einen deutlichen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und einem erhöhten Demenzrisiko. Die Ergebnisse der aktuellen Studie deuten darauf hin, dass selbst bei leichtem bis moderatem Trinken das Risiko für eine Demenzerkrankung steigen kann.

Diskussion über moderate Mengen Alkohol

Während exzessiver Alkoholkonsum seit Langem als Risikofaktor für Demenz bekannt ist, war die Beziehung zwischen moderatem Trinken und Demenz bisher umstritten. Frühere Studien wiesen oft Verzerrungen auf, etwa durch den sogenannten „Abstinenz-Bias“, bei dem Nichttrinker mit Trinkern verglichen wurden, die eine bessere Gesundheit oder kognitive Leistung aufwiesen. Solche Ergebnisse konnten so zu falschen Schlüssen führen.

Claire Sexton, wissenschaftliche Leiterin der Alzheimer’s Association, betonte gegenüber Epoch Times, dass die Debatte über leichten bis moderaten Alkoholkonsum andauere. „Einige Studien deuten darauf hin, dass leichter bis moderater Alkoholkonsum bei älteren Erwachsenen mit einem geringeren Risiko für kognitive Beeinträchtigungen verbunden sei. Andere Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass auch moderate Mengen Alkohol negative Auswirkungen auf das Gehirn haben können, insbesondere auf das Volumen des Hippocampus, der für das Gedächtnis wichtig ist“, sagte sie.

Genetische Veranlagung zum Alkoholkonsum erhöht Demenzrisiko

Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen, die genetisch zu einem höheren Alkoholkonsum neigen, ein erhöhtes Risiko haben, an Demenz zu erkranken – insbesondere Frauen. Der Ausdruck „genetisch bedingter Alkoholkonsum“ stammt aus Forschungen, die zeigten, dass Jugendliche, bei denen Alkoholmissbrauch in der nahen Verwandtschaft vorkommt, die Wirkung von Alkohol positiver und stimulierender wahrnehmen als die Vergleichsgruppe ohne familiäre Fälle von Alkoholsucht. Die aktuelle Studie legt nahe, dass Alkohol direkt zur Entstehung von Demenz beitragen könnte, insbesondere bei Personen, die regelmäßig größere Mengen konsumieren. Bei Männern könnten die Auswirkungen des Alkohols durch andere Risikofaktoren wie das Rauchen verdeckt werden.

Die Wissenschaftler stellten fest, dass zwischen der Höhe des Alkoholkonsums und der Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken, ein linearer Zusammenhang besteht. Dieses Ergebnis widerspricht früheren Studien, die moderate Mengen Alkohol als potenziell schützend für die Gehirngesundheit angesehen hatten.

Allerdings verwiesen die Forscher auch auf einige Einschränkungen der Studie, etwa die Abhängigkeit von selbstberichteten Trinkgewohnheiten und die demografische Homogenität der untersuchten Teilnehmer aus der UK Biobank. Diese Faktoren könnten die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf eine breitere Bevölkerung einschränken.

Frühere Studien, die eine schützende Wirkung von leichtem bis mäßigem Alkoholkonsum auf Demenz nahelegten, könnten durch gesündere Lebensstilentscheidungen oder sozioökonomische Unterschiede bei moderaten Trinkern verfälscht worden sein. Das Trinkverhalten hängt stark von verschiedenen Lebensstilfaktoren ab, die in vielen epidemiologischen Studien schwer zu kontrollieren sind.

Erhebliche Auswirkungen auf die Gehirngesundheit

Dr. Asish Gulati, Neurologin am George Washington University Hospital in Washington, D.C., betonte die schwerwiegenden Auswirkungen, die Alkohol auf das Gehirn haben kann. In einer Stellungnahme erklärte sie, dass Alkohol insbesondere die Bereiche des Gehirns schädigt, die für Gedächtnis und Kognition verantwortlich sind.

Die in alkoholischen Getränken enthaltenen Substanzen Ethanol und Acetaldehyd seien neurotoxisch und könnten Entzündungen sowie strukturelle Veränderungen im Gehirn hervorrufen, so Gulati. Besonders betroffen sei der Hippocampus, der eine entscheidende Rolle bei der Gedächtnisbildung und räumlichen Orientierung spiele. „Schon moderater Alkoholkonsum kann zu einer Schrumpfung des Hippocampus führen“, erklärte sie. Langfristiger Konsum könne zudem die weiße Substanz im Gehirn schädigen und zu allgemeinen kognitiven Beeinträchtigungen wie Lern- und Gedächtnisstörungen führen.

Die negativen Effekte von Alkohol auf die Gehirngesundheit seien erheblich, so Gulati weiter. Dies unterstreiche die Bedeutung von Mäßigung und einem bewussten Umgang mit Alkohol.

Erholung des Gehirns nach Alkoholkonsum begrenzt

Dr. Asish Gulati, Neurologin am George Washington University Hospital, warnt vor den begrenzten Erholungsmöglichkeiten des Gehirns nach alkoholbedingten Schäden, insbesondere nach langjährigem und starkem Konsum. Laut Gulati sind Schäden an Neuronen und kritischen Gehirnstrukturen, vor allem jenen, die für Gedächtnis und kognitive Funktionen verantwortlich sind, oft irreversibel. Zwar verfüge das Gehirn über eine gewisse Fähigkeit zur Neuroplastizität, die eine teilweise Erholung bei moderatem Konsum oder in den frühen Stadien ermöglicht, doch „chronischer Alkoholkonsum kann zu dauerhaften Schäden führen“, betonte sie.

Ein vollständiger Verzicht auf Alkohol und ein gesunder Lebensstil könnten jedoch den Erholungsprozess fördern, so Gulati weiter. Die Bildung neuer Nervenzellen, besonders im Hippocampus, könne dazu beitragen, kognitive Funktionen zu verbessern. „Auch wenn eine vollständige Genesung möglicherweise nicht erreicht werden kann, sind durch eine Änderung des Lebensstils und Alkoholverzicht erhebliche Verbesserungen möglich.“

Gulati kommentierte außerdem die jüngste Studie, die eine lineare Beziehung zwischen jedem Alkoholkonsum und einem erhöhten Demenzrisiko feststellte. „Auch wenn die Fokussierung auf derzeitige Trinker weißer, britischer Herkunft die allgemeine Anwendbarkeit der Ergebnisse einschränken könnte, zeigen die Resultate doch deutlich, dass selbst geringe Mengen Alkohol negative Auswirkungen auf die kognitive Gesundheit haben können“, erklärte sie. Die Studie verdeutliche die Notwendigkeit, den Alkoholkonsum stärker zu hinterfragen und das Bewusstsein für die potenziellen Risiken zu schärfen.

Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.
Zuerst erschienen auf theepochtimes.com unter dem Titel „New Study Indicates No Level of Alcohol Consumption Is Safe for Brain Health“. (deutsche Bearbeitung kr)



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