Für jedes Unwohlsein eine Pille: Werden alte Menschen übertherapiert?
Das Altern bestimmt mittlerweile einen Großteil der Geschäfte der Pharmaindustrie und damit ist nicht die Schönheitsindustrie gemeint und der Kampf um Falten und einen strahlenden Teint.
Besonders ältere Menschen nehmen viele Pillen aus verschiedenen Gründen zu sich. Zuerst beginnt es, wenn die ersten regelmäßigen Alterserscheinungen ihren Tribut fordern, wie z. B. Bluthochdruck und weitere damit verbundene Herz-Kreislaufprobleme. Hinzu kommen Schlafstörungen, Gelenkentzündungen und Diabetes, insbesondere bei denjenigen, die nicht auf Ernährung und Bewegung achten. Der Arzt wird es schon richten. Irgendwann beginnen viele Patienten all die Rezepte und Verordnungen und Medikamente nicht mehr zu hinterfragen. Von Jahr zu Jahr folgt ein weiteres Medikament, oft aufgrund der Nebenwirkungen, die die anderen Medikament verursachen. Irgend etwas findet sich doch immer.
Die Zeiten der Großfamilie, in der jedes Familienmitglied seine Aufmerksamkeit erhält, sind längst passé und so sind auch die Kinder und Enkelkinder froh, wenn die Eltern oder Großeltern noch möglichst lange ohne ihre Hilfe ein einigermaßen „normales“ Leben meistern können – Dank all der Medikamente – und die Alten fügen sich. Es ist doch noch die Generation, die ihrem Arzt mehr vertraut als irgendjemand anderem, und somit verdienen viele Menschen an dem Irrgauben, dass jedes Medikament richtig und wichtig ist. Ist dem aber wirklich so?
Amerikaner im Ruhestand nehmen oft bis zu drei verschiedene Antidepressiva
Eine neue Analyse, veröffentlicht in „JAMA Internal Medicine“, warnt, dass es vielleicht an der Zeit wäre, einen genaueren Blick auf die Medikamenteliste zu werfen, die die älteren Lebenden zu sich nehmen. Dies gilt besonders, wenn es um Antidepressiva geht. Die Zahl der Amerikaner im Ruhestandsalter, die mindestens drei verschiedene Antidepressiva zu sich nehmen, ist in den Jahren zwischen 2004 und 2013 um das zweifache gestiegen. Ähnliche Zahlen werden auch hier in Deutschland registriert. Während dies allein schon für die Tatsache spricht, wie es um viele ältere Menschen hier in Deutschland steht, die besonders in Pflegeheimen, aber auch in den sogenannten „Seniorenstiften“ oft ein tristes Leben fristen, wurde nun aber erkannt, dass fast die Hälfte dieser Menschen an keiner einzigen wirklich psychischen Krankheit litten. Einsamkeit ist keine Krankheit. Sie ist für viele Menschen nur lästig und passt selten in ein Tagespensum von Job, Familie und Freizeit.
Psychiatrische Medikamente haben viele ernste Nebenwirkungen, und ältere Menschen sind besonders anfällig für häufige Nebenwirkungen wie Verwirrung und Schwindel. Die Überbeanspruchung von Medikamenten bei älteren Menschen ist seit langem ein Problem und jetzt gibt es mehr Beweise dafür, dass der Missbrauch von Psychopharmaka wächst.
Hausarzt der Gott in Weiß?
Die Analyse untersuchte Daten von mehreren Arztkonsultationen von Personen ab 65 Jahren, denen mindestens drei Schlaf-, Antidepressiva- und / oder eins der gängigen Schmerzmittel verschrieben wurden. Diese Besuche stiegen dann seltsamerweise um fast 150 Prozent während des untersuchten Zeitraums an. Das heißt konkret: Die Menschen wurden von Besuch zu Besuch kränker! Blind wurde dem Arzt vertraut, seine Diagnose weder hinterfragt, noch eine zweite Meinung eingeholt.
Während die alternde Bevölkerung für einen Teil des Anstiegs von Arztbesuchen verantwortlich ist, wird der Großteil an verschreibungspflichtigen Medikamenten auf genau diese Patientengruppe zurückgeführt. Trotz Warnungen von verschiedenen Gesundheitsbehörden: Die Kombination von Sedativa mit starken Schmerzmitteln, etwa mit Opiaten, ist extrem gefährlich. Die älteren Menschen, die Opiate zu sich nehmen, sind zudem gefährdet zwei oder mehr weitere andere Medikamente zu sich zu nehmen, als diejenigen, die keine Schmerzmittel nehmen.
Warum übertherapieren Ärzte gerade die Älteren?
Im vergangenen Jahr wurde aufgezeigt, dass etwas mehr als die Hälfte der Antidepressivum-Rezepte in den letzten zehn Jahren in Kanada für wirklich depressiv kranke Menschen verschrieben wurden. Nun stellt sich die Frage: Was ist mit dem Rest? Den knappen 45 % der anderen verschriebenen Rezepte? Ärzte verteilen diese Pillen wie Süßigkeiten für alle Arten von Ärgernissen und Krankheiten, einschließlich Schmerzen, Panikstörungen, Schlaflosigkeit und Fibromyalgie. Das heißt, dieses nicht ungefährliche Medikament wurde einfach für viele andere Symptome verschrieben, obwohl sie nichts mit Depressionen zu tun hatten.
Ärzte erhalten öfters einen Bonus von Pharma-Unternehmen, um ihre Medikamente weit zu streuen, so dass die Versuchung Geld zu verdienen und diese Überversorgung bei den Patienten stillschweigend akzeptiert wird.
Viele Patienten denken, dass ein Antidepressivum keine große Sache ist und lediglich einfach ihre Stimmung verbessern kann. Leider ist das Gegenteil der Fall. Zusätzlich zur Erhöhung ihres Risikos von Typ-2-Diabetes, Herzerkrankungen und bestimmten Krebsarten, erhöhen sie auch das Selbstmordrisiko und Wahnvorstellungen.
Ein großes Problem ist die aggressive Vermarktung der Pharmaunternehmen, die ganz bewusst Werbespots nutzen, die Menschen darstellen, wie sie glücklich über eine Wiese laufen, meisten noch mit einem niedlichen Welpen und suggerieren damit der Öffentlichkeit, dass nur diese kleine Pille einen glücklich machen kann. So wird der Arzt um genau diese Pille gefragt, um ihr Leben zu verbessern.
Darüber hinaus ist es Big Pharma gelungen, dass Krankheiten wie ein zu hoher Blutdruck als eine fast gängige Krankheit gesehen wird, so dass immer mehr Menschen Medikamente dafür verschrieben bekommen, auch wenn dieser Bluthochdruck nur eine vorübergehende Tatsache war und allein mit Ernährung und Sport hätte wieder aufgehoben werden können. Dann werden wieder weitere Medikamente verschrieben um die Nebenwirkungen zu behandeln und schon ist man in dem Medikamentenkarussell gefangen.
Das System ist zutiefst fehlerhaft, und zwar weltweit. Eine komplette Umkehrung müsste geschehen um diesen Wahnsinn ein Ende zu bereiten. Aber wer will wirklich den Anfang machen? Denn bis jetzt profitiert doch jeder davon – nur nicht der Patient, und der zählt nicht. In der Zwischenzeit müssen ältere Menschen wachsam sein und dafür sorgen und selber überprüfen, ob sie wirklich all die verschriebenen Medikamente benötigen. Auch sollte man sich eine zweite und sogar dritte Meinung einholen, wenn nötig.
In vielen Fällen können Veränderungen im Lebensstil und alternative Medizin den Menschen ermöglichen viele Pillen mit ihren beängstigenden Nebenwirkungen zu umgehen.
(Übersetzt und bearbeitet von Jacqueline Roussety)
Quellen:
NY-Times: Sharp Rise Reported in Older Americans’ Use of Multiple Psychotropic Drugs
NaturalNews: Report: Doctors caught overprescribing drugs to older people as profits overtake ethics
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