„Bovaer“ reduziert Methanausstoß – Verbraucher laufen Sturm gegen Zusatz im Futter von Kühen

Der Viehfutterzusatz Bovaer hat in der jüngeren Vergangenheit in den USA und Australien für Unruhe gesorgt. So gab es Warnungen, dass große Supermärkte Produkte anbieten könnten, die mit dieser Substanz in Verbindung stehen. Das schreibt die amerikanische Ausgabe der Epoch Times. Demnach reagierten Milcherzeuger schnell und warben in den sozialen Medien damit, dass sie diesen Zusatzstoff nicht verwenden.
Die Ursache für die Aktionen war die Ankündigung der größten britischen Molkereigenossenschaft, Arla Foods, das Futtermittel zu testen. Es soll die Methanproduktion bei Rindern verringern und somit die Belastung für die Umwelt reduzieren.
Verbraucher boykottierten Molkereiprodukte mit Zusatzstoff
Das Bovaer-Milch-Drama ist mittlerweile auch nach Europa herübergeschwappt. In Norwegen haben die beiden größten Hersteller von Molkereiprodukten, Tine und Q-Meieriene, den Zusatzstoff aus dem Futter gestrichen. Anlass waren massive Verkaufsboykotte, schreibt der Blogger Peter Imanuelsen auf seiner Internetseite. Die sogenannte „Klimamilch“ habe sich wirtschaftlich nicht gerechnet, begründet Q-Meieriene seine Maßnahme in einer offiziellen Stellungnahme. Imanuelsen merkte in seinem Artikel auch an, dass die Gates Foundation den Bovaer-Hersteller DSM-Firmenich – verteilt auf mehrere Projekte – mit bislang fünf Millionen Dollar unterstützt hat.
Doch was ist eigentlich Bovaer? Und warum gibt es darum so viel Aufregung?
Im Pansen eines Rindes helfen Mikroben, die Nahrung des Tieres zu zersetzen, erläutert ein Prospekt des Schweizer Herstellers DSM-Firmenich. Während des Verdauungsvorgangs werden Wasserstoff und Kohlendioxid freigesetzt. Ein Enzym kombiniert diese Gase zu Methan. Bovaer unterdrückt dieses Enzym, sodass weniger Methan entsteht. Das Präparat besteht aus Nitrat sowie einem Alkohol auf Bio-Basis. Nachdem es das Methan im Rindermagen unterdrückt hat, wird es auf biologische Weise in Verbindungen zerlegt, die im Pansen auf natürliche Weise vorhanden sind, heißt es weiter.
Auf diese Weise werde im Kampf gegen den Klimawandel die Kohlendioxidbelastung reduziert. Und diese Reduktion ist, so rechnet das Unternehmen vor, erheblich. Bei Zuchtrindern seien es 45 Prozent weniger, bei Milchkühen 30 Prozent (eine Tonne pro Jahr) weniger. Das Füttern von einer Million Milchkühe komme dem Pflanzen von 45 Millionen Bäumen gleich.
Methan ist laut dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen Hauptverursacher bei der Bildung von bodennahem Ozon. Dieses Treibhausgas sei ein gefährlicher Luftschadstoff, dessen Exposition jedes Jahr eine Million vorzeitige Todesfälle verursache. Methan ist ebenfalls ein starkes Treibhausgas. Über einen Zeitraum von 20 Jahren trage es 80 Mal stärker zur Erwärmung bei als Kohlendioxid. Die Initiative zielt darauf ab, die Methanproduktion zu reduzieren, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
Bis zu 85 Prozent geringere Methanemissionen
Bovaer ist weltweit zugelassen, unter anderem in der Europäischen Union, Australien, Kanada und den USA. In der EU wurde der Zusatzstoff gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 über Zusatzstoffe zur Verwendung in der Tierernährung im April 2022 zugelassen. Die EU-Staaten hatten den Futtermittelzusatz bereits im Februar 2022 auf Vorschlag der Europäischen Kommission genehmigt.
Wie es in einer Pressemitteilung der EU heißt, hatte eine wissenschaftliche Bewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zuvor bestätigt, dass das Produkt für Kühe und Menschen sicher ist und die Qualität der Milchprodukte nicht beeinträchtigt. „Die Verringerung der landwirtschaftlich bedingten Methanemissionen ist entscheidend für unseren Kampf gegen den Klimawandel, und die heutige Zulassung ist ein sehr gutes Beispiel dafür, was wir durch neue landwirtschaftliche Innovationen erreichen können“, erklärte Stella Kyriakides, damals EU-Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.
In Kanada ist Bovaer seit Januar 2024 zugelassen, die USA folgten vier Monate später.
Ende November 2024 gab Arla Foods, dem die größte Molkereigenossenschaft Großbritanniens gehört, auf X bekannt, dass es Bovaer testet. Eigenen Angaben zufolge arbeitet die Genossenschaft mit den europäischen Supermarktriesen Morrisons, Aldi und Tesco zusammen, um das Nahrungsergänzungsmittel auf 30 britischen Farmen zu testen. In der Mitteilung heißt es, dass Forschungsergebnisse darauf hindeuten, dass Bovaer „die Methanemissionen von Kühen um etwa 27 Prozent reduzieren könnte“. Offen blieben jedoch Fragen über die langfristige Wirksamkeit des Nahrungsergänzungsmittels und die Auswirkungen auf die Gesundheit von Tieren und Verbrauchern.
Der australische Supermarktriese Coles testet Bovaer ebenfalls, so die englischsprachige Epoch Times weiter. Coles verwendet den Zusatz seit 2022. Dr. Steve Wiedemann, leitender Wissenschaftler und Geschäftsführer von Integrity Ag and Environment, arbeitete mit Coles zusammen und spricht sich für eine Ausweitung der Verwendung von Bovaer. Es sei „ein hochwirksames Produkt“. Forschungen belegten eine Emissionsminderungsrate von 50 bis 85 Prozent, sagte Wiedemann.
Milch im Ausguss, Butter im Mülleimer
Die Verbraucher reagierten jedoch skeptisch auf den Einsatz von Bovaer. Viele Käufer drohten mit einem Boykott der drei Supermärkte (Morrisons, Aldi und Tesco) und der Arla-Marken, insbesondere von Lurpak, einer großen dänischen Buttermarke, die weltweit angeboten wird. Auf TikTok tauchten Videos auf, in denen Menschen Kannen mit Milch in die Toilette oder den Abfluss schütteten. „Ich sage nein“, hört man eine weibliche Stimme in einem weiteren Video. Ein Mülleimer öffnet sich, hineinfliegt eine Packung Lurpak-Butter.
Kritiker behaupteten, Bovaer enthalte „giftige Chemikalien“, könne für den Verzehr gefährlich sein und Fortpflanzungsprobleme verursachen. Vor allem der Wirkstoff 3-Nitrooxypropanol (3-NOP) stand im Mittelpunkt. Ein Nutzer auf „X“ zitierte eine Sicherheits- und Wirksamkeitsstudie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aus dem Jahr 2021. So zeigte der genannte Wirkstoff schädliche Wirkungen bei Ratten: „Die Behandlung mit 500 mg 3-NOP/kg pro Tag verursachte unerwünschte Wirkungen in den Hoden und Nebenhoden, die durch eine starke Reduzierung der Spermatogenese gekennzeichnet waren.“
Als Folge des Protestes distanzierten sich zahlreiche australische Molkereibetriebe in den sozialen Medien von dem Futtermittelzusatz. Norco Milk, Gippsland Jersey und Maleny Dairies teilten mit, dass sie kein Bovaer verwenden. So schrieb etwa Gippsland Jersey, „dass wir stolz darauf sind, Australiens beste echte Milch zu produzieren“. Die sei natürlich und frei von jeglichen Zusatzstoffen. „Wir sind wahre Puristen, wenn es um Milch geht!“, betonte das Unternehmen. Und weiter hieß es: „Keine mRNA. Kein Bovaer. Nur gesunde, preisgekrönte Jersey-Milch von Landwirten, denen ihre Kühe, ihr Land und Ihre Gesundheit sehr am Herzen liegen. (…)“.
Sogar Metzgereien wie der in Queensland ansässige Großformat-Metzger Super Butcher stellten Kunden auf ihrer Internetseite Rindfleischmarken vor, die den Zusatzstoff nicht verwenden.
Hersteller betont Sicherheit und stützt sich auf zahlreiche Studien
Als Reaktion auf den Protest in den sozialen Medien gaben sowohl Arla als auch DSM-Firmenich öffentliche Erklärungen ab. DSM-Firmenich bekräftigte, dass Bovaer von den britischen und den EU-Behörden für Lebensmittelsicherheit zugelassen und als sicher eingestuft worden sei. Das Unternehmen wies auch darauf hin, dass der Zusatzstoff in einem Verhältnis von einem Gramm pro 20 Kilogramm Futter beigemischt wird. Die Tiere verstoffwechselten Bovaer vollständig. Daher gelange er nicht in die Milch oder ins Rindfleisch. Eine Gefahr für die Verbraucher bestehen somit nicht.
Das Unternehmen betonte die umfangreichen wissenschaftlichen Beweise für die Sicherheit und Wirksamkeit von Bovaer. Es zitiert mehr als „130 landwirtschaftliche Versuche in 20 Ländern und über 80 von Experten begutachtete wissenschaftliche Studien“, in denen sich das Präparat „als sicher für Verbraucher, Landwirte und Tiere erwiesen hat“. Auswirkungen auf die Milchproduktion oder die Fortpflanzung habe es nicht.
Arla Foods bekräftigte diese Aussagen ebenfalls und versicherte, dass das Nahrungsergänzungsmittel umfangreichen Tests unterzogen worden sei. Es stelle weder für Kühe noch für Menschen eine Gefahr dar.
Inwiefern die auf der Firmenwebseite verlinkten Studien und Versuche eine neutrale Datengrundlage liefen, ist ungeklärt. Ein näherer Blick auf zwölf stichprobenartige von Epoch Times ausgewählte Quellen zeigt, dass an fünf Studien Autoren mitwirkten, die im Zusammenhang mit dem Bovaer-Hersteller DSM stehen. In den sieben übrigen Fällen wurden zwar Versuche oder Studien erwähnt, deren Ergebnisse aber nicht verlinkt waren. Soweit ersichtlich, wurden alle Studien von DSM finanziell unterstützt. Mögliche Interessenkonflikte wurden in nur drei der vier vollständig zugänglichen Studien explizit erwähnt.
Wissenschaftler sehen angesichts geringer Dosierungen keine Probleme
Professor Alastair Hay von der University of Leeds, Großbritannien, kommentierte die Kontroverse in einem Beitrag im Science Media Centre:
„Die Nachweisgrenze betrug fünf Mikrogramm pro Kilo Milch. Studien deuten darauf hin, dass die möglichen 3-NOP-Werte in Milch bei den vorgeschlagenen Dosierungen etwa 100-mal niedriger sind als bei der Dosis, die von der FSA als sicher akzeptiert wird.“
In Krebsstudien mit Nagetieren hätten Forscher zudem festgestellt, dass die Chemikalie „bei einigen wenigen getesteten männlichen Tieren mit einigen gutartigen Veränderungen der mesenchymalen Zellen verbunden ist“. Diese Zellen kämen im Gewebe vor und könnten in andere Gewebeformen wie Bindegewebe, Lymphgewebe, Knochen oder Knorpel umgewandelt werden.
Ian Musgrave, Dozent für Pharmakologie an der Universität von Adelaide (Australien), betonte ebenfalls, dass Bovaer in der verwendeten Dosierung unbedenklich sie. Er merkte an, dass „3-NOP in den in Sicherheitsstudien verwendeten Dosen von bis zu 600 Miligramm 3-NOP pro Kilogramm Körpergewicht nicht tödlich war“.
„Bei 100 Miligramm pro Kilogramm Körpergewicht bei Ratten hatte es keine nachteiligen Auswirkungen“, schrieb er in „The Conversation“. Untersuchungen an Ratten und Kühen hätten ergeben, dass Dosen von 300 bis 500 Miligramm pro Kilogramm Körpergewicht zu einer Schrumpfung der Eierstöcke und Hoden führten. „Um das ins rechte Licht zu rücken: Um die gleiche Exposition beim Menschen zu erreichen, müsste ein 70 Kilogramm schwerer Mensch wochenlang täglich 21 bis 35 Gramm reines 3-NOP (etwa zwei Esslöffel) reines 3-NOP pro Tag zu sich nehmen, um diesen Effekt zu sehen.“
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