Die Wirkung traditioneller Hausmittel: Wickel, Auflagen und Kompressen (Teil 2)
Ein altes Hausmittel: Der Wickel. Die Weitergabe von Hausmitteln gegen diverse Beschwerden ist eine globale Tradition. Früher hatte jede Familie ihre individuellen kostengünstigen Maßnahmen zur Selbsthilfe bei harmlosen Beschwerden und als Prophylaxe zu bestimmten Jahreszeiten. Der erste Teil der Serie kann hier nachgelesen werden.
Wickel und Kompressen zählen unter anderem zur anthroposophischen Medizin, welche vom österreichischen Philosophen Rudolf Steiner (1865-1925) und der Schulmedizinerin Ita Wegmann entwickelt wurde.
Steiner meinte, dass auch die spirituelle Welt ihre Gesetzmäßigkeiten habe, welche sich systematisch erforschen lassen: „Unter Anthroposophie verstehe ich die wissenschaftliche Erforschung der geistigen Welt, welche die Einseitigkeit einer bloßen Naturerkenntnis ebenso wie diejenige der gewöhnlichen Mystik durchschaut…“ Die ursächlichen Gründe einer Krankheit liegen nach anthroposophischer Ansicht tiefer als die Erscheinung an der Oberfläche vermuten lässt: „Die Krankheit des Menschen ist nicht, was sie scheint, ein Maschinendefekt – sie ist nichts als er selbst, besser: eine Gelegenheit, er selbst zu werden.“
Demnach seien Krankheiten eine Chance zur Weiterentwicklung auf körperlicher, geistiger und auf psychischer Ebene. Im Fokus steht die Autonomie und Würde des Patienten und die Unterstützung zur Selbsthilfe. Wickel und Kompressen können den natürlichen Umgang mit physischen Erkrankungen unterstützen, jedoch könnten sie ihre Grenzen je nach Intensität der Krankheit aufzeigen. Daher ist eine Absprache mit einem Arzt empfehlenswert.
Wirkungsweisen von Wickel und Kompressen
Bitte lassen Sie sich von der Vielfalt des Einsatzes nicht abschrecken. Die Menschheit wickelt schon jahrtausendelang. Grundsätzlich kann für den heimischen Gebrauch gesagt werden: „Was gut tut, wird selten schaden“. Das Wirkungsspektrum ergibt sich auch aus thermischen Einflüssen.
Jede der folgenden Anwendungen regt die Ausscheidungsfunktion der Haut an, sie wirken auf diese auch beruhigend und entspannend. Spezielle Zusätze wie Tees, Salben oder ätherische Öle intensivieren die Wirkung. Wickel und Kompressen wirken sowohl auf körperlicher Ebene als auch auf emotionaler und in den seelischen Bereichen. Wickel vermitteln Geborgenheit, Sicherheit und lassen Menschen zur Ruhe kommen.
Thermische Wickel
Heiße Wickel sollten so warm wie möglich aufgelegt werden. Daher eignen sie sich nicht für kreislaufinstabile Menschen, kleine Kinder, Menschen mit Gefühlsstörungen oder für gelähmte Körperteile.
Ein heißer Wickel wirkt wärmestauend, er kann jedoch bei längerer Anwendung zu einem schweißtreibenden Medium werden. Er eignet sich bei allen chronisch-degenerativen Prozessen wie chronisch-rheumatischen Erkrankungen sowie bei Arthrose, aber auch zur Entspannung. Wärme wirkt entspannend auf die Muskulatur und verringert Schmerzreize. Zusätzlich regt die Wärme den Schadstoffabtransport an und verbessert die Nährstoffversorgung des Areals.
Das Kneipp Haus in Bad Wörishofen empfiehlt die Anwendung auch bei Erkrankungen des Bewegungsapparats, Bandscheibenschäden, statisch bedingten Kopfschmerzen, Hexenschuss, Neuralgien des Armes u.a., Koliken im Bereich des Darms, der Galle, der Niere, chronischen Bronchitiden, Asthma bronchiale (nicht während des Anfalls) und chronischen Entzündungen der Unterleibsorgane.
Wärme bewirkt eine vermehrte Durchblutung, daher werden heiße Wickel auch bei Störungen der Blutzirkulation angewendet. Die Verweildauer des Wickels ist relativ kurz, sobald er ausgekühlt ist, wird er von der Haut genommen.
Temperierte Wickel mit nur milder Wärmezufuhr sind bei alten Menschen und kleinen Kindern zu bevorzugen, sie sind die sanfte Variante der heißen Wickel.
Kälte ist wirksam bei Schwellungen und Schmerzen, aber auch um anregende Effekte zu erzielen. Der Wärmeverlust der behandelten Region aktiviert das vegetative Nervensystem. Dieses ist unter anderem für die Verengung und Weitstellung der Blutgefäße zuständig.
So lange der Wickel kühler als die Haut ist, ist dieser Vorgang aktiv, normalerweise zehn bis fünfzehn Minuten lang. Danach setzt der Parasympathikus ein, welcher genau die gegenteilige Reaktion verursacht. Durch ihn kommt es zur Entspannung und Weitstellung der Blutgefäße, somit ist verständlich, dass die Wirkung eines kalten Wickels abhängig von der Dauer des Wärmeentzugs ist.
Liegen thermische Wickel kurz an, können sie dem Körper Wärme entziehen und aktivieren. Liegen sie lange an, wirken sie beruhigend auf das vegetative Nervensystem. Daher kann ein Wadenwickel beispielsweise auch am Abend zur Schlafförderung angelegt werden.
Wie lange und wie oft
Zwei Anwendungen pro Tag, zwischen denen ein paar Stunden Abstand liegen, sind durchaus ausreichend. Es gibt aber auch die Möglichkeit, kleinere Wickel als Serienwickel aufzulegen.
Diese werden als wärmeentziehend bei akuten Erkrankungen angewendet. Anschließend sollte man für eine Ruhephase sorgen, das optimiert die Wirkung des Wickels. Die Anwendung sollte nur so lange dauern, wie es dem Patienten angenehm ist. Grundsätzlich ist die Anwendung zu jeder Tageszeit möglich.
Wichtig bei den Materialien: Keine chemische oder synthetische Zusätze verwenden
Leinen, Baumwolle, Seide oder Wolle sind schon über Generationen erprobt worden und wurden als empfehlenswert weitererzählt. Ein Wickel besteht grundsätzlich aus einem Innen- und einem Außentuch, bei Bedarf kann jedoch noch ein Zwischentuch zusätzlich erforderlich werden. Es gibt auch verschiedene Anbieter für den Einkauf von fertigen Sets.
Wichtig: Stoffe mit chemischen und synthetischen Zusätzen sind ein No-Go! Für feuchte Zusätze wie Quark sind Verbandsmull oder Kompressen gut geeignet. Der verwendete Stoff sollte sich angenehm auf der Haut anfühlen.
Die Renaissance des Topfen, auch Quarkwickel genannt
Der Topfen/Quarkwickel wird seit Jahrhunderten als Heilmittel angewendet. Mitunter sind es heute auch Institutionen wie Rehabilitationszentren und Geburtsstationen (Brustentzündungen), die auf das traditionelle Hausmittel zurückgreifen – denn der Topfen/Quarkwickel ist unschlagbar bei Entzündungen, Schwellungen und bei Schmerzen. Doch warum?
Die heutige Wissenschaft weiß darauf die Antwort. Wenn der Quark mit der Haut in Berührung kommt, werden die darin enthaltenen Milchsäurebakterien aktiv. Sie öffnen zuerst die Hautporen. Durch das saure Milieu werden Entzündungsstoffe abgeleitet und im Quark gespeichert. So wirkt der Wickel abschwellend und schmerzlindernd. Zusätzlich ist der Quark gut hautverträglich und eignet sich auch für empfindliche Hauttypen.
Linderung oder Heilung bringt der Topfen/Quarkwickel bei vielen Beschwerden, wie Gelenkentzündungen, Insektenstiche, Schwellungen oder bei Brustentzündung nach der Geburt.
Wichtig: Da der Quark Entzündungsstoffe herauszieht, darf der Quark nach der Anwendung als Wickel nicht mehr gegessen werden!
Der kalte Halswickel nach Kneipp
Der kalte Halswickel findet seine Anwendung bei Entzündungen im Halsbereich. Die Kälte sorgt dafür, dass die Hitze entzogen wird und reguliert die Zirkulation der Schleimhaut des Kehlkopfes und der Nase. Er wird auch bei leichten Rachenkatarrhen empfohlen, da er eine ableitende, beruhigende und kräftigende Wirkung bei Stauungen im Kopf wie Kehlkopf hervorrufen kann.
Technik: Sie nehmen einen der oben empfohlenen Stoffe, tränken ihn im kalten Wasser und wickeln das feuchte, gut ausgewundene Tuch locker zweimal um den Hals. Es kann aber auch vorne von Ohr zu Ohr aufgelegt werden. Wichtig dabei ist ihr Wohlbefinden.
Kartoffel-Wickel
- Kartoffel–Wadenwickel: Diese Wickelart wird gern bei Muskelschmerzen und Muskelverspannungen verwendet.
- Kartoffel-Brust-Bauch- oder Nackenwickel: Bei Nackenschmerzen, Husten oder einer Bronchitis hat sich dieser Wickel bewährt.
Technik + Rezept
4 – 5 Kartoffeln kochen und schälen. Die noch heißen Kartoffeln werden in ein Baumwolltuch gelegt, das Tuch wird zusammengefaltet und danach die Kartoffeln im Tuch zerquetschen. Empfehlenswert ist, die Kartoffeln so heiß wie möglich auf die betroffene Stelle zu legen. Die Kunst hierbei ist, ein gutes Mittelmaß zwischen heiß und zu heiß zu finden. Der Wickel bleibt solange aufliegen, bis er erkaltet ist.
Bei Husten kann die Wirkungskraft verstärkt werden, indem vorher ein Eukalyptusöl aufgetragen wird. Nicht empfehlenswert bei Kindern!
Ohrenwickel und Ohr-Säckchen mit Zwiebel
Schon in der Antike wusste man über die Heilwirkung der Zwiebel (Allium cepa) bescheid. Obwohl sie damals schon ein Grundnahrungsmittel wahr, hat sie sich auch als Heilpflanze bestens bewährt. Das Zwiebelsäckchen, Zwiebelwickel, Zwiebelsocken sowie der Zwiebel-Hustensaft sind altbekannte Hausmittel.
Technik + Rezept für ein Zwiebelsäckchen
- Zwiebel in 1cm dicke Scheiben schneiden
- in Mullkompresse oder Baumwoll- oder Leinentuch einwickeln
- mit Frischhaltefolie umwickeln und zwischen 2 Wärmeflaschen erwärmen oder das Leinen-Päckchen auf einen Kochtopfdeckel über Wasserdampf leicht erwärmen
- Zwiebelpäckchen auf das Ohr legen (vorher Temperatur überprüfen)
- Schafschurwolle darüber legen (damit die Düfte weder in die Augen noch Nase kommen)
- Fixierbinde oder Mütze zum befestigen benutzen
- Ca für 1 Stunde max 3x täglich anwenden
Kräuterkissen
Kräuterkissen sind erfolgreiche Hilfen beim Heilungsprozess und werden schon seit langem angewendet. Bekannter sind wohl eher die Dinkel- und Kirschkernkissen, doch auch die Befüllung mit Heilpflanzen kann Wunder wirken.
Wer an Kopfschmerzen leidet, kann ein Kissen mit Hopfen, Lavendelblüten und ein paar Tropfen vom Lavendelöl wählen, um die überreizten Nerven zu beruhigen und erholsamen Schlaf zu finden.
Die Schafgarbe wurde schon in der Antike als Allheilmittel verehrt und fand auch ihre Anwendung bei depressiver Verstimmung.
Die Brennnessel und Birkenblätter können schmerzenden Gelenken und Gliedern Linderung schenken.
Bei einem Kräuterkissen ist zwar der Aufwand beim Füllen ein wenig größer, doch wenn das Kissen einmal fertig ist, entfaltet dieses beim Dämpfen über dem kochenden Wasser seine Wirkstoffe und kann das Einschlafen unterstützen.
Wenn Sie sich ein wenig Zeit nehmen, um sich mit den Pflanzen bekannt, zu machen, könnte es sein, dass Sie die Wunder der Pflanzen am eigenen Leib wahrnehmen können.
Der Artikel erschien zuerst bei visiontimes.net
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