China: Unkontrollierte Corona-Ausbreitung vor Ende der Reisebeschränkungen
Millionen Menschen in China sehnen bereits den kommenden Sonntag (8.1.) herbei. Im Zuge einer 180-Grad-Wende in seiner Corona-Politik hatte das herrschende KP-Regime verkündet, nach drei Jahren die Reisebeschränkungen ins Ausland aufzuheben. Der Schritt ist ein bedeutender Teilaspekt eines Abrückens von Jahren der strikten Null-COVID-Politik, die dem Virus nicht gewachsen war und gleichzeitig die Wirtschaft lähmte.
Keine genauen Daten mehr im Vorfeld des Endes der Reisebeschränkungen
Im Ausland sehen viele dem Datum mit Argwohn entgegen – sogar dort, wo man chinesische Touristen über die Corona-Jahre hinweg als Einnahmequelle vermisst hatte. Mehrere Faktoren, die kumulativ zusammenkommen, tragen in potenziellen Zielländern chinesischer Reisender zur Unsicherheit bei.
Einer davon ist der Umstand, dass China eine noch nie da gewesene Corona-Welle erlebt, vor der das Regime am Ende kapitulieren musste. Allein in der Zeit vom 1. bis 20. Dezember sollen etwa 248 Millionen Menschen oder 18 Prozent der chinesischen Bevölkerung mit dem Virus infiziert gewesen sein. Dies geht aus dem geleakten Memo eines führenden Funktionärs des Gesundheitswesens hervor.
Ein anderer ist, dass es längst keine exakten Angaben mehr über die tatsächliche Entwicklung des Virus gibt. Nach dem Wegfall von Testpflichten verbreitet sich dieses nun unkontrolliert über das Land – in einer Bevölkerung, die nach Jahren der Einschränkungen kaum natürliche Immunkräfte aufweist.
Infektionsraten nach wenigen Wochen höher als in Deutschland nach drei Jahren
Immer wieder schaffen es Bilder von überfüllten Krankenhäusern, Menschen an intravenösen Infusionen am Straßenrand und Leichenwagen-Staus vor Krematorien durch die Zensur. Regionale Daten von Gesundheitsbehörden lassen auf Infektionsraten von mehr als 50 Prozent in einigen Gebieten schließen.
Das Sichuan Center for Disease Control and Prevention aus der 84-Millionen-Provinz Sichuan im Südwesten des Landes sprach am 26. Dezember von mehr als 63 Prozent Infizierten.
Zum Vergleich: Für ganz Deutschland gab das Statistische Bundesamt den Anteil der bereits mit Corona Infizierten im November 2022 mit 43,5 Prozent an. Diese Infektionsrate erstreckt sich jedoch auf alle gemeldeten Fälle seit 2020.
Einer Studie im Auftrag des Bundesforschungsministeriums vom September 2022 zufolge haben 95 Prozent der deutschen Bevölkerung Antikörper gegen COVID-19 gebildet. Sie seien demnach entweder in irgendeiner Weise mit dem Virus in Kontakt gekommen, hätten diese infolge einer Impfung entwickelt oder beides. Allerdings sinkt der Antikörperspiegel nach einigen Wochen wieder ab.
WHO fordert Regime zur Transparenz auf
Den Angaben des Regimes in Peking, das die Ausbreitung im Griff haben will, schenkt im Ausland unterdessen kaum noch jemand Glauben. Seit der abrupten Kehrtwende soll es nur 12 Todesfälle gegeben haben. Die staatlichen Gesundheitsbehörden geben an, Personen als COVID-Tote zu zählen, die an einer durch COVID-19 verursachten Lungenentzündung oder Atemwegsversagen gestorben sei. Dies schließt Todesfälle aufgrund anderer COVID-bedingter Ursachen sowie den Tod von Personen mit Grunderkrankungen aus.
Michael Ryan, Leiter der Abteilung für gesundheitliche Notfälle bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärte gegenüber der „New York Times“, das Regime fasse die Kriterien bewusst eng. Auf diese Weise sei die tatsächliche Zahl der Todesfälle stark unterschätzt.
Die WHO forderte am Freitag (30.12.) die Gesundheitsbehörden in Peking erneut zur Transparenz auf. Es seien regelmäßig spezifische Echtzeit-Informationen über die COVID-19-Situation im Land vonnöten, um den jüngsten Anstieg der Infektionen bewerten zu können.
Ex-Außenminister Pompeo fordert breitere Vorsichtsmaßnahmen
Der frühere US-Außenminister Mike Pompeo hat das Regime in Peking beschuldigt, durch die Grenzöffnung zum Zeitpunkt eines COVID-Rekords „wissentlich Menschen in aller Welt zu infizieren“.
In einem Interview mit Talkmaster John Catsimatidis warnte Pompeo vor einer Neuauflage chaotischer Szenen, wie man sie bereits vom Beginn der Pandemie aus Italien kenne.
Wenn man bedenkt, dass etwa 50 Prozent der dortigen Bevölkerung reisen, gibt es keinen Grund, warum wir den Chinesen das erlauben sollten, was 2020 geschah. Damals hatte Xi Chinesen, die infiziert waren, um die Welt geschickt und damit wissentlich Menschen auf der ganzen Welt infiziert.“
Aus Angst vor möglichen neuen und außerhalb Chinas noch nicht verbreiteten Mutationen haben mehrere Länder bereits Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Italien hat eine Testpflicht für alle aus China einreisenden Personen eingeführt. Ähnliche Maßnahmen gibt es in den USA, Indien, Südkorea, Japan und Malaysia.
Marokko verhängt Einreiseverbot für Ankömmlinge aus China
Mit Wirkung ab Mittwoch (3.1.) hat Marokko sogar ein Einreiseverbot für alle Reisenden aus China verhängt, da die COVID-19-Infektionsrate in dem Land sprunghaft angestiegen ist. Das marokkanische Außenministerium teilte in einer Erklärung mit, das Einreiseverbot gelte für alle Einreisenden aus China, unabhängig von ihrer Nationalität.
Auf diese Weise wolle man eine neue Welle der Ansteckung im Land verhindern, hieß es aus Casablanca. Marokko verfolge die Virussituation in China durch regelmäßige und direkte Kontakte mit der chinesischen Seite „genau“.
Marokko verlängerte außerdem seinen eigenen Ausnahmezustand bis zum 31. Januar, um den lokalen Behörden die Möglichkeit zu geben, Maßnahmen zur Bekämpfung der Virusausbreitung zu ergreifen. Das afrikanische Land hat seinen Ausnahmezustand seit seiner Verhängung im März 2020 immer wieder verlängert.
Streeck mahnt zu europäischer Koordination von Maßnahmen
Auf EU-Ebene hatte sich Italien vorerst vergeblich bemüht, am Donnerstag der Vorwoche gemeinsame Schritte zur Kontrolle aus China einreisender Personen zu beschließen. Dass eine solche Koordination europaweit sinnvoll wäre, hat auch Virologe Hendrik Streeck auf n-tv deutlich gemacht.
Es sei wenig sinnvoll, Tests für Einreisende nur in einzelnen Ländern vorzusehen. Diese seien schließlich auch Ziele von Binnenflügen aus anderen Mitgliedstaaten, die nicht testeten, aber die auch Reisende aus China nutzen könnten.
Bezüglich der möglichen Auswirkungen der aufgehobenen Reisebeschränkungen erklärt Streeck, die massive Ausbreitung von Corona in China könne ein „Nährboden für Fluchtmutationen“ sein. Allerdings gebe es mittlerweile auch in Europa eine „Variantensuppe“, die fast alles abdecke, was bislang im Umlauf gewesen sei.
Derzeit, so Streeck, sehe es nicht nach einer neuen Variante aus, allerdings müsse man die Lage beobachten. Es sei erforderlich, neue Mutationen rechtzeitig zu identifizieren. Neben dem Testen wäre ein Abwassermonitoring bei Flugzeugen ein möglicher Weg, um diese erkennen zu können.
Belgien will Abwässer von Flugzeugen auswerten
Auf diesen Schritt wird Belgien zurückgreifen. Das Land wird Abwässer aus Flugzeugen, die aus China eintreffen, auf neue COVID-Varianten testen. Dies sei Teil neuer Schritte zur Überwachung des Virus, da die Infektionen in China stark zunehmen, gab die Regierung am Montag bekannt.
Steven Van Gucht vom Nationalen Institut für öffentliche Gesundheit (Sciensano) erklärte gegenüber Reuters:
Dies wird ein zusätzliches Überwachungsinstrumentarium sein, um zu überprüfen, ob die Daten, die wir aus China erhalten, korrekt sind.“
Belgien sei sich bewusst, dass einige COVID-infizierte Passagiere während ihrer Flüge möglicherweise nicht die Toilette benutzen, fügte er hinzu. Deshalb sei die neue Maßnahme „nicht dazu gedacht, Menschen zu verfolgen, sondern um unabhängig zu verfolgen, was in China passiert“.
Belgien fordere auch Reisende aus China auf, sich selbst auf COVID-19 zu testen, wenn sie sieben Tage nach ihrer Ankunft Symptome zeigen. Eine verpflichtende Maßnahme in dieser Richtung werde es jedoch nicht geben.
Ampel-Parteien blicken entspannt auf Wegfall der Reisebeschränkungen
Die Ampel-Koalition in Deutschland gibt sich derweil entspannt mit Blick auf die Aufhebung der Reisebeschränkungen. Alle drei Koalitionsparteien haben sich gegen Corona-Restriktionen zu Lasten aus China einreisender Personen ausgesprochen.
Heike Baehrens, Gesundheitssprecherin der SPD, hält es der „Welt“ zufolge „zum jetzigen Zeitpunkt nicht für angezeigt“, die Einreise zu beschränken oder gar Flugverbote zu verhängen. Einem Bericht von n-tv zufolge hält es auch Grünen-Gesundheitssprecher Janosch Dahmen für „unrealistisch“, die Einschleppung von Corona aus China zu verhindern.
Selbst Reisebeschränkungen oder das Einstellen von Direktflugverbindungen nach Deutschland würden diese angesichts der Wucht der Welle in China nicht aufhalten. Stattdessen solle man sich in Deutschland auf „wirkungsvolle Instrumente“ verlassen. Zu diesen zählt er „das Tragen von Masken im Innenraum, das Testen vor Zusammenkünften mit Risikogruppen und die verlässliche Umsetzung bewährter Hygienekonzepte“.
Auswärtiges Amt noch ohne Update zum bilateralen Reiseverkehr
FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus warnt davor, „Panik zu schüren“. Es gebe keinen Grund mehr für zusätzliche Schutzmaßnahmen, weil die Grundimmunisierung in Deutschland bei 95 Prozent liege. Es reiche aus, die Entwicklung aufmerksam zu beobachten. Zudem stünden effektive Impfstoffe zur Verfügung. Der Politiker erklärt zudem:
Führende Virologen gehen davon aus, dass durch die Coronavirus-Welle in China kein neues Virus entsteht. Virusvarianten entstehen überall auf der Welt, es gibt aber keinen Hinweis auf eine gefährliche Mutation.“
Auch das Auswärtige Amt hat im bevorstehenden Ende der Reisebeschränkungen noch keinen Anlass gesehen, seine Reisehinweise mit Blick auf China zu überarbeiten. Der aktuelle Stand des Eintrags datiert auf den 14. Dezember 2022. Bezüglich COVID-19 richtet sich die Seite nur an Personen, die nach China einreisen wollen:
Angesichts der weltweiten COVID-19-Pandemie bestehen weiterhin Risiken bei internationalen Reisen, insbesondere für Personen ohne vollständigen Impfschutz. Hierzu mehr unter COVID-19.
Die Infektionszahlen in China befinden sich derzeit auf dem höchsten Stand seit Beginn der Pandemie 2020. Das chinesische Gesundheitssystem ist stark belastet.“
(Mit Material von AFP)
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