Achtung Demenz! Ärzte warnen zur Vorsicht bei Abführmitteln

Eine neue Studie aus Großbritannien zeigt, dass regelmäßiger Gebrauch von Abführmitteln das Risiko von Demenz steigern kann. Dabei gibt es Alternativen.
Demenz kann viele Ursachen haben, beispielsweise Abführmittel. Foto: iStock
Demenz kann viele Ursachen haben, beispielsweise Abführmittel.Foto: iStock
Von 20. April 2023

Rund 1,6 Millionen Menschen leiden in Deutschland an Demenz, Tendenz steigend. Wie die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) berichtet, sollen es bis 2025 schätzungsweise 2,8 Millionen Menschen beziehungsweise knapp 3,5 Prozent der Bevölkerung sein. Eine neue Studie lässt aufhorchen. Demnach besteht ein Zusammenhang zwischen Demenz und Abführmitteln.

Auch in Großbritannien beschäftigt Demenz Ärzte und Patienten. Eine große prospektive, populationsbasierte Kohortenstudie mit mehr als einer halben Million Freiwilligen im Alter von 40 bis 69 Jahren lieferte genauere Daten. Von den insgesamt 502.229 Teilnehmern nahmen 18.235 (3,6 Prozent) regelmäßig Abführmittel ein. Zu Studienbeginn war keiner der Teilnehmer an Demenz erkrankt. Über einen Nachbeobachtungszeitraum von durchschnittlich 9,8 Jahren erhielten 1,3 Prozent der Teilnehmer, die regelmäßig Abführmittel eingenommen hatten, eine Demenzdiagnose. Im Gegensatz dazu waren es bei der Gruppe ohne Abführmittel nur 0,4 Prozent.

Statistisch errechneten die Forscher bei regelmäßigem Gebrauch von Abführmitteln ein signifikant erhöhtes Demenzrisiko von 50 Prozent.

Als wichtigste Risikofaktoren für eine Demenzerkrankung führt die DGN einen niedrigen Bildungsstand, Bluthochdruck, Schwerhörigkeit, Rauchen, Übergewicht, Depressionen, körperliche Inaktivität, Diabetes mellitus, wenig Sozialkontakt, exzessiver Alkoholkonsum, Schädel-Hirn-Traumata und Luftverschmutzung an. Auch Schlaf scheint eine wichtige Rolle zu spielen.

Wie können Abführmittel Demenz beeinflussen?

„Über die sogenannte Darm-Hirn-Achse (zum Beispiel der Vagusnerv, aber auch Millionen weiterer Nervenverbindungen) ‚kommunizieren‘ Darm und Gehirn“, heißt es von der DGN.

Bekannt sei, dass eine gestörte Darmflora (Dysbiose) diese Signalübertragung und sogar die Produktion von Neurotransmittern beeinflussen kann. Bereits 2018 ergab eine Studie, dass osmotisch wirksame Abführmittel das Mikrobiom verändern.

Abführmittel können auch die Epithelbarrieren des Darms stören und den Übergang von aus dem Darmmikrobiom stammenden neurotoxischen Stoffwechselprodukten in das zentrale Nervensystem erleichtern sowie inflammatorische Prozesse begünstigen.

„Die Studie ist keine randomisierte-kontrollierte Studie“, erklärte DGN-Generalsekretär und Pressesprecher Prof. Dr. Peter Berlit. Sie könne daher nicht beweisen, dass Abführmittel das Demenzrisiko tatsächlich erhöhen. Insoweit seien weitere Untersuchungen notwendig. „Dennoch raten wir angesichts des Ergebnisses zur Vorsicht im Umgang mit Laxanzien [Abführmitteln], gerade vor dem Hintergrund, dass Demenzerkrankungen immer weiter zunehmen.“

Ernährungsumstellung als Ausweg

Nach Mitteilung der DGN nehmen derzeit etwa 20 Prozent der Allgemeinbevölkerung und 70 Prozent der Pflegeheimbewohner regelmäßig Abführmittel ein. Mit zwei von drei Patienten ist der Anteil Demenzkranker in Pflegeheimen laut AOK-Daten ähnlich groß.

Nach Ansicht der DGN könnten indes viele Menschen auf Abführmittel verzichten. Voraussetzung sei, dass sie ihre Ernährung umstellten und mehr Ballaststoffe – enthalten in Obst, Gemüse und Vollkornprodukten – und vor allem auch ausreichend Flüssigkeit in Form von Wasser oder ungesüßtem Tee zu sich nehmen.

„Eine solche Ernährungsumstellung hat womöglich gleich eine doppelte Schutzwirkung gegen Demenz: Zum einen lässt sich in vielen Fällen auf Abführmittel verzichten, die einen potenziell schädigenden Einfluss auf die Hirngesundheit haben, zum anderen gilt eine gesunde Ernährung per se als wichtige Säule der Demenzprävention“, so Berlit. „Für den Erhalt der geistigen Funktion bis ins hohe Alter lohnt es sich in jedem Fall, seine Ernährung umzustellen!“



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