Bayern: „Grüne triumphieren als Partei des autoritären deutschen Charakters“
In der alten Bundesrepublik war Bayern noch das Dunkeldeutschland-Surrogat, von dem aus finstere Gestalten wie Franz Josef Strauß, Franz Schönhuber oder Gerhard Frey den Faschismus über den Rest des Landes zu tragen drohten. Protesttouristen aus ganz Europa stießen in Wackersdorf auf locker sitzende Schlagstöcke, die „Memminger Hexenprozesse“ machten den Freistaat zum potenziellen Inspirationsort für das spätere „Handmaid’s Tale“ und Peter Gauweiler wollte das Bundesseuchengesetz auf AIDS-Kranke anwenden.
Heute jedoch ist Bayern eine der großen Hoffnungsregionen für das moralisch Gute im Land. Die CSU hat im Zeichen des weltoffenen und fortschrittlichen Nachkonzils-Katholizismus eine Domestizierung erlebt – mit der Folge, dass auch für das kirchlich engagierte Publikum der Weg zu den Grünen kurz geworden ist. Bei den bevorstehenden Landtagswahlen könnte die einstige Staatspartei, die über Jahrzehnte hinweg mit absoluter Mehrheit regiert hatte, deutlich unter 40 Prozent fallen.
Aber der Schmerz darüber ist gleich nicht mehr ganz so groß, wenn man bedenkt, dass die Grünen mit bis zu 20 Prozent der Stimmen den freien Fall der Christlichsozialen auffangen könnten. Außerdem wird es ihnen Umfragen zufolge gelingen, die AfD als den Gottseibeiuns aller billig und gerecht Denkenden im Lande deutlich auf die Plätze zu verweisen. Am Ende könnte auch im Freistaat jenes schwarz-grüne Experiment stehen, das ein Strauß, Streibl und sogar noch Stoiber nicht einmal als theoretisches Gedankenexperiment toleriert hätten.
„Nach oben kuschen und nach unten treten“
Wolf Reiser, nach eigenem Bekenntnis der politischen Linken mindestens bis hinein in die Schröder-Ära zugetan, hat sich jüngst auf „Cicero“ mit den bevorstehenden Landtagswahlen im Freistaat auseinandergesetzt. Er macht für den absehbaren Wahlausgang und den zu erwartenden Erfolg der Grünen das Wirken eines „Juste Milieus“ verantwortlich – für das er allerdings nur bedingt freundliche Worte findet.
Reiser sieht dieses Milieu, das sich selbst als Speerspitze des Fortschritts begreift, eher als Garant für den ewigen Stillstand. Zudem will er in diesem Konglomerat, das beseelt von den Ideen der 68er Generation aus dem Volk mit dem „Mördergen“ (Rainer Langhans) ein moralisches Modell für die Menschheit schaffen wollte, genau das nicht erkennen. Er schreibt:
„Wenn im Folgenden öfters die Rede vom Juste Milieu ist, dann meint dies eine urbane Schicht aus selbstgerechten, überheblichen und kleinbürgerlichen Laienpredigern. In deren Schrebergarten blüht der deutsche autoritäre Charakter – dessen vornehmste Tugend es laut Marx ist, nach oben zu kuschen und nach unten zu treten. Neben den Grünen mischen Teile der Kirchen mit wie fast alle der herumspukenden NGO’s und eine Menge „Linke“ innerhalb von SPD und Linkspartei.“
Dieses Milieu repräsentiere nicht nur landesweit mehr als 20 Prozent der Wählerschaft, es bilde auch die Kampfreserve für die Weltkanzlerin Angela Merkel, deren Tugendhaftigkeit und visionäre Stärke in ihrer eigenen Koalition nicht immer die Wertschätzung erführen, die sie verdient hätten.
In den bürgerlichen Lebenswelten des wohlstandsverwöhnten Bayern ist die moralisch gute Gesinnung mittlerweile zum Statussymbol geworden, wie einst das Haus auf dem Land, der BMW, die Rolex, der Maßanzug oder das katholische Eliteinternat für die Kinder. Im urbanen Mikrokosmos ist es auch sie, die notfalls mit dem Knüppel gegen die ungewaschenen Massen verteidigt werden will. Und Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulz ist dafür genau die richtige:
„Von ihr weiß man, dass sie für Obama schwärmt und Eleanor Roosevelt für die erste Menschenrechtsaktivistin hält. Darüber hinaus ist sie ‚gegen Ausgrenzung und Rassismus‘ sowie für präventive Maßnahmen gegen Rechts. ‚Ein Stuhlkreis gegen die AfD‘, so ihre Homepage, ‚wird aber nichts nutzen. Man muss mit Härte reagieren. Repression volle Kanne!‘“
Hysterische Verhöre und kriecherische Rechtfertigungen
Pluralität und Redefreiheit gelten in Vierteln wie Schwabing als überbewertet. Plakate anderer Parteien seien dort übermalt oder zerstört. „Hier wird geradelt, mobil telefoniert, man schiebt doppelt besetzte Kinderwägen oder Biogemüsekörbe durch die idyllischen Straßen und inszeniert sich irgendwie als postmodernes Bildungsbürgertum“, schreibt Reiser. Von den zwei bis drei Millionen Flüchtlingen sei in diesem Mikrokosmos seit Ende 2015 hingegen noch kein einziger zu sehen gewesen, Falschparker seien für die Polizei die gravierendste Herausforderung.
Umso mehr hat jedoch die Gesinnungspolizei zu tun, deren ehrenamtliche Abschnittsbevollmächtigte sich an jeder Kaffeetafel finden:
„Indessen gibt es im Freundes- oder Bekanntenkreis kein noch so heiteres Thema – wie etwa Truffaut-Filme, neue Schrittzähler-Apps oder Pro- und Kontra der Hobbyimkerei – das nicht umgehend in der Flüchtlings- und Migrationsdebatte feststeckt. Wie es einem abstrakten Afro-Orientalen geht, ist im dritten Jahr der kollektiven nervösen Erschöpfung zum absoluten Gesinnungsbarometer geworden. Langjährige Beziehungen gehen im Schnellverfahren zu Bruch. Gespräche landen im Schraubstock des Entweder-Oder oder degenerieren zu hysterischen Verhören und kriecherischen Rechtfertigungen. Im Herzen Schwabings steht eine gigantische Guillotine.“
Die fortschrittlichen Kräfte haben es augenscheinlich in den letzten 50 Jahren ihres Siegeszuges durch die Institutionen mittlerweile geschafft, die einst selbstgeschaffene Komplexität und Uneindeutigkeit wieder aus dem Leben der Menschen herauszunehmen. Es gibt endlich wieder die so lange vermissten klaren Fronten, entlang derer sich die Spreu vom Weizen sondert: Moralisch gut gegen moralisch böse, Liebe gegen Hass, Demokraten gegen an gut gelaunten Tagen „Rechtspopulisten“, sonst einfach nur „Nazis“ und „Faschisten“.
„Mehrheitsgarantie für politischen Wahnsinn“
Das „Wir schaffen das“ der Weltkanzlerin im September 2015 und ihr Bekenntnis „Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen, dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land“ hat Merkel Schwabing und ähnliche Viertel im Sturm erobern lassen. Die Konsequenz beschreibt Reiser wie folgt:
Seit jenem Bonmot wird die farbenfröhliche Freiheitsstatue von eben jenem Juste Milieu hofiert und von einer noch nie dagewesenen medialen Querfront aus selbsternannten Haltungsjournalisten von jeder Realität abgeschottet.“
Es sei eine „von politischer Ratio befreite grünromantische Gefühligkeit“, die nun dafür sorge, dass die mürbe und müde Republik zum dauerhaften Privateigentum des Kanzleramts mutiert ist.
Die politische Linke, so diagnostiziert ihr langjähriger Mitstreiter, habe es geschafft, „aus einem linken Humanismus die Mehrheitsgarantie für politischen Wahnsinn zu formen“. In Ermangelung irgendeines echten Wertes oder eines Markenkerns habe sich das ökoliberale Milieu dazu entschlossen, die Migration zu ihrem Fetisch zu erklären. Umflort werde das scheinheilige Relikt von einem Bekenntnisnebel aus Multikulti, Antifa-Retro, Regenbogenmystik und christlichem Geist. Den gemeinsamen Nenner innerhalb dieser Erlösungssekte bilde ein gebetsmühlenhaftes „Gegen Rechts!“.
Der Preis, den das Juste Milieu für seine Selbst- und Welterlösungssehnsucht und für seinen Drang, der Welt 24/7 seine Tugendhaftigkeit zu signalisieren, zu bezahlen bereit ist, ist hoch. Mit den hunderttausenden Menschen aus dem Nahen und Fernen Osten und vielen Teilen Afrikas seien auch „IS-Mörder, Schwerstkriminelle und mitunter ganze Knastbesatzungen“ geordnet über die Grenzen gelangt. 65 Prozent aller seither eingereisten „Notfälle“ seien allein reisende Männer unter 30 Jahren, eine Anzahl, die jene von Bundeswehr- und DDR-Soldaten im Jahre 1988 weit übertreffe.
„Mitgefühl verbraucht in Projektionen des seelischen Ablasshandels“
Für die moralisch Guten stellt dies lediglich einen Impuls dar, die eigene Gesinnung noch entschlossener den allgegenwärtigen „Rassisten“ und „Hetzern“ entgegenzustellen und den Konformitätsdruck gegenüber den „verbohrten, gehässigen und rassistischen alten Männern“ zu verstärken. Die Folge:
Wie ein böser Krebs wuchert eine Angst in diesem Land. Universitäten, Firmen, Kultur und Medien sind Brutplätze von Paranoia und Überwachung geworden und selbst im Freundeskreis muss jedes Wort sorgfältig abgewogen werden – ein Zustand, den die sensibilisierten Ostdeutschen noch von den Jahren 1933 bis 1989 her kennen.“
Dass der offensive moralische Maßregelungsdrang und die allgegenwärtige Sozialrhetorik mit einem verstärkten Engagement für den eigenen Mitmenschen im Alltag einhergingen, sieht Wolf Reiser hingegen nicht. Arme, vereinsamte, kranke oder alte Menschen, wie sie einem in der Tram, am Altglascontainer oder im Park begegnen, profitieren nicht vom gefühlten Zuwachs an Tugendhaftigkeit. Man rede viel davon, sozial zu sein.
„Doch das Mitgefühl der guten Bürger hat sich verbraucht in Integrationsmythen und anderen Projektionen des seelischen Ablasshandels. Der Nächste, präsent in seiner Schieflage, ist unerwünscht. Das Reale ist lästig und verstörend, deswegen wird das Abstrakte zum gültigen Maß erklärt.“
Machtgarantie für Merkel
Reiser zieht in Zweifel, dass das Juste Milieu, das sich gerne als linke Avantgarde inszeniere, tatsächlich jenseits von Parolen eine linke Überzeugung habe:
„De facto stehen die Politiker des Milieus für rücksichtlose Lobbykonzepte der Großkonzerne, Banken und Fonds. Rot-Grün hat mit Hartz IV Millionen Menschen in die garantierte Dauerverarmung geschoben. Man hat unter tosendem Applaus von Union und FDP den ersten Angriffskrieg seit 1945 gestützt und getragen und ist bei jedem Kriegswirken der NATO dabei – wie eben jetzt bei der Planung weiterer Syrienattacken. Und niemand quatscht unverblümter über die Nach-Assad-Ära als grüne Politiker.“
Das Juste Milieu sei im Kern weder links noch pazifistisch, pluralistisch oder im authentischen Sinne liberal. Solange Angela Merkel amtiere, werde ihr das Milieu aber die Treue halten und ihre „immer absurder ausufernde Macht“ sichern.
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