Klimawandel im Ozean
Ozean und Klima stehen in einem sensiblen Wechselspiel: Meeresströmungen verteilen große Wärmemengen zwischen Äquator und polaren Breiten. Zudem speichert das Weltmeer große Mengen Kohlendioxid und mildert so den globalen Treibhauseffekt. Dass der vom Menschen verursachte Klimawandel umgekehrt das Geschehen im Meer beeinflusst, belegt jetzt eine Untersuchung von Bremer Wissenschaftlern, die das Fachblatt Science in der kommende Ausgabe (2. Februar) veröffentlicht. Demnach hat sich das Aufquellen kalter Wassermassen vor Nordwest-Afrika in jüngster Zeit deutlich intensiviert.
Die Wissenschaftler des Bremer MARUM – Forschungszentrum Ozeanränder und des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung Bremerhaven untersuchten zwei Sedimentkerne, die sie vor Marokko erbohrten. In den Ablagerungen vom Meeresgrund ist die Klimaentwicklung der Region von 520 vor Christus bis heute archiviert. Die Untersuchung der Kerne zeigt: während der letzten zweieinhalb Tausend Jahre waren die klimabedingten Veränderungen vor der Küste Nordwest-Afrikas nie größer als in den letzten Jahrzehnten. Demnach ist dieser Teil des Atlantiks im Lauf des 20. Jahrhunderts um 1,2 Grad Celsius abgekühlt.
„Der scheinbar paradoxe Zusammenhang zwischen mehr Treibhausgas, höheren Temperaturen in der Atmosphäre und sinkenden Wassertemperaturen lässt sich leicht erklären“, sagt Geowissenschaftler Dr. Stefan Mulitza, einer der Autoren der Science-Studie. Mehr Kohlendioxid bedeutet ansteigende Temperaturen über Nordafrika. Das verstärkt das dort liegende Sahara-Tief. Weil über dem angrenzenden Atlantik ein Hoch liegt, verschärfen sich die Luftdruckgegensätze zwischen Kontinent und Meer und die äquatorwärts wehenden Winde nehmen an Stärke zu. „Dies hat zweierlei Folgen: zunehmende Winde und Erdrotation (Corioliskraft) sorgen dafür, dass verstärkt küstennahes Oberflächenwasser auf das offene Meer verdriftet wird. Diese Wassermassen werden sodann durch aufquellendes kühles Wasser aus tieferen Ozeanstockwerken ersetzt“, erklärt MARUM-Forscher Mulitza. „Wir bezeichnen solche Meeresregionen als Auftriebsgebiete. Dort gilt: Je stärker der Treibhauseffekt, desto stärker arbeitet die Kaltwasserpumpe; desto mehr kühlt das Meerwasser ab.“
Die Beobachtungen des Bremer Forscherteams decken sich mit Erkenntnissen aus Auftriebsgebieten in der Arabischen See, vor der Iberischen Halbinsel, vor Kalifornien und Peru. Allerdings decken diese Untersuchungen lediglich kurze Zeiträume ab. „Unsere küstennahen Sedimentkerne, die wir in 355 Meter Wassertiefe erbohrten, zeichnen sich durch ungewöhnliche hohe Ablagerungsraten von 210 Zentimetern pro 1.000 Jahren ab“, sagt Dr. Mulitza. Zum Vergleich: Im offenen, tiefen Ozean wächst der Meeresboden in diesem Zeitraum nur um etwa zwei Zentimeter an. „Deswegen können wir die Klimaentwicklung einerseits über einen langen Zeitraum von zweieinhalb Tausend Jahren, andererseits dennoch zeitlich sehr genau analysieren. Unsere Beprobungspunkte im Sedimentkern lagen teilweise nur wenige Jahre auseinander, was für Meeresablagerungen ungewöhnlich gut ist.“
Auftriebsgebiete wie das vor Nordwest-Afrika sind wirtschaftlich sehr bedeutsam: Obwohl sie weniger als ein Prozent der globalen Meeresoberfläche einnehmen, erfolgt dort etwa 20 Prozent des globalen Fischfangs. „Daher tun wir gut daran, diese sensiblen Ökosysteme weiterhin aufmerksam zu beobachten“, meint Dr. Mulitza. „Da der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre vorerst weiter ansteigt, müssen wir auch zukünftig mit einem weiter verstärktem Auftriebsgeschehen an der nordwestafrikanischen Küste – aber nicht nur dort – rechnen.“
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