Erstmals Ozonloch über dem Nordpol
Während das Ozonloch über der Antarktis immer kleiner wird und sich im vergangenen Jahr erstmals schloss, klafft seit einigen Tagen ein Loch über dem Nordpol. Außergewöhnlich langanhaltende und starke Polarwinde begünstigten den Ozonabbau über einer vielfachen Fläche Grönlands.
Von einem Ozonloch sprechen Atmosphärenwissenschaftler, wenn der Ozonwert 220 Dobson Einheiten unterschreitet. Normalerweise kommt das in den Polarregionen nur im Frühling am Südpol in der Antarktis vor, nicht aber in der Arktis (am Nordpol).
Seit etwa zwei Wochen beobachten Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie des Alfred-Wegener Instituts (AWI) in Bremerhaven einen Rückgang der Ozonwerte über dem Nordpol. „Es ist im Moment ein wirkliches Ozonloch, wie wir es über der Arktis noch nie gesehen haben, aber wie wir es aus der Antarktis kennen. Das ist ein sehr besonderes Ereignis“, zitiert „heise“ Professor Martin Dameris vom DLR.
Orkanwinde und -80 °C bilden Grundvoraussetzung für Ozonabbau
Wie sich das Ozonloch an dieser ungewöhnlichen Stelle bilden konnte, erklärt das DLR in einer Pressemitteilung. Darin heißt es, dass verschiedene chemische und dynamische atmosphärische Vorgänge zusammenwirken müssen, damit ein klassisches Ozonloch über dem Polarkreis entsteht.
Ausschlaggebend sei vor allem eine extrem stabile Wetterlage in der Arktis. Der Polarwirbel, das jahreszeittypische stratosphärische Tiefdruckgebiet, war extrem stark, stabil und kalt. So maßen die Forscher in 30 Kilometer Höhe Windgeschwindigkeiten von mehr als 180 Kilometer pro Stunde. Zudem sanken die Temperaturen in 20 Kilometern Höhe auf etwa Minus 80 Grad Celsius.
Das fehlende Tageslicht der Polarnacht führte zu dieser extremen Abkühlung und zur Bildung sogenannter Perlmuttwolken. Steigt im Frühling erstmals die Sonne über den Horizont, laufen in diesen Wolken zahlreiche chemische Reaktionen ab. Diese bilden die Grundvoraussetzungen für die Verarbeitung des atmosphärischen Ozons, so die Forscher weiter. Die Energie der ersten Sonnenstrahlen und die Chlorkonzentrationen in der Atmosphäre greifen letztlich die Ozonschicht an. Das arktische Ozonloch ist demzufolge der außergewöhnlichen Dynamik der Stratosphäre in diesem Winter und der Zusammensetzung der Atmosphäre geschuldet.
Markus Rex, Leiter der Abteilung Atmosphärenphysik des AWI, erklärte das Ausmaß des arktischen Ozonlochs. Auf einer Fläche etwa dreimal so groß wie Grönland fehlen rund 90 Prozent des Ozons. Darüber hinaus ist eine Fläche von der zehnfachen Größe Grünlands betroffen. Da sich das Ozonloch innerhalb des Polarwirbels befinde, brauche momentan kein Europäer Angst haben, „dass er schneller als normal einen Sonnenbrand bekommt“, so Rex.
Trotz des erstmaligen Ausdünnens über dem Nordpol ist seit einigen Jahren eine generelle Erholung der Ozonschicht sichtbar. „Aus heutiger Sicht […] können wir davon ausgehen, dass sich bis Mitte dieses Jahrhunderts die Ozonschicht wieder vollständig erholen wird, auch in den Polarregionen“, sagt Prof. Dameris vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre. Die Forscher gehen zudem davon aus, dass sich das Ozonloch binnen zehn Tagen wieder normalisiert.
Ozonloch beeinflusst Klima – nicht anders herum
Auch auf der Erdhalbkugel beobachten Forscher die Ozonschicht. Forscher der Universität Colorado fanden nun heraus, dass der Ozonabbau die Luft abkühlt und die Winde des Polarwirbels verstärkt. Dies wiederum wirkt sich auf die Winde bis in die unterste Schicht der Erdatmosphäre aus. Daher beeinflusste das Ozonloch über der Antarktis das Wetter bis an den Rand der Tropen.
Die neuen in „Nature“ veröffentlichte Forschungen haben jetzt ergeben, dass diese Veränderungen innegehalten haben und sich möglicherweise sogar rückgängig machen. „Diese Studie ergänzt die wachsenden Beweise für die tief greifende […] Heilung der Ozonschicht“ und zeigt die jüngsten Veränderungen der Luftzirkulationsmuster auf der südlichen Hemisphäre, schrieb die Hauptautorin Antara Banerjee.
Frühere Studien hatten diese Zirkulationstrends mit Wetterveränderungen auf der Südhalbkugel in Verbindung gebracht. Regenfälle über Südamerika, Ostafrika und Australien und Veränderungen der Meeresströmungen und ihr Salzgehalt wurden untersucht.
Das Montrealer Protokoll von 1987 führte zum Produktionsstopp von Ozon-zerstörenden Substanzen wie Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW). Um die Jahrtausendwende begannen die Konzentrationen dieser Chemikalien in der Stratosphäre zu sinken und das Ozonloch begann sich zu erholen. In ihrer Studie zeigten Banerjee und Kollegen, dass um das Jahr 2000 die Zirkulation der südlichen Hemisphäre ebenfalls aufhörte, sich polwärts auszudehnen.
„Die Herausforderung bestand darin, zu beweisen, dass die Erholung des Ozons tatsächlich die Ursache für diese Veränderungen der atmosphärischen Zirkulation ist“, sagte Banerjee.
Koautor John Fyfe ergänzte, dass die realen Beobachtungen erstmals eine ozonbedingte Pause bei den Zirkulationstrends bestätigen konnten. – Eine Pause deshalb, weil die polwärts gerichteten Zirkulationstrends wieder stärker werden, konstant niedrig bleiben oder sich umkehren könnten, erklärte Banerjee. Es sei das Tauziehen zweier Kräfte, von CO2 und Ozon.
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