Bundesregierung ringt bis zuletzt um Haltung zu EU-Taxonomie
Die Bundesregierung hat bis zuletzt um die Stellungnahme Deutschlands zu den Plänen der EU-Kommission zur Einstufung von fossilem Gas als „nachhaltig“ gerungen.
Auch zum Abschluss der Kabinettsklausur am späten Freitagnachmittag lag offensichtlich noch kein abschließender Text vor. „Der Tag ist ja noch lang“, sagte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Die Frist für die Abgabe der Stellungnahme ist am Freitag um Mitternacht abgelaufen.
„Wir sind da sehr geschlossen“, sagte auch Habeck. Es gebe die gemeinsame Auffassung, dass die Vorlage der EU-Kommission zur Einstufung von Atomkraft und Erdgas als nachhaltig „nicht nötig gewesen wäre“. Auch sei sich die Regierung einig, „dass die Einstufung von Atomkraft als nachhaltig falsch ist“.
Zum Gas sagte Habeck, es sei richtig, dass Infrastruktur für Gaskraftwerke benötigt werde. Diese müsse allerdings auf den Einsatz von Wasserstoff statt Erdgas vorbereitet sein. „Wir brauchen eine Infrastruktur, die gasförmige Stoffe verfeuert“, sagte der Grünen-Minister. Mangels Wasserstoff werde das zunächst Erdgas sein, „dann wird so schnell wie möglich umgestellt“.
„Die Bundesregierung wird in ihrer Stellungnahme die feste Überzeugung vertreten, dass Kernenergie nicht als nachhaltig einzustufen ist“, hatte auch Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann bereits am Mittag gesagt.
„Wir halten die Technologie für zu gefährlich“, sagte sie; zudem sei die Endlagerfrage weiterhin nicht geklärt. Vorsichtiger äußerte sich Hoffmann zur Einstufung von Gas. „Grundsätzlich betrachtet die Bundesregierung diese Technologie als Brückentechnologie“, sagte die Regierungssprecherin.
Vor allem die Grünen drängen darauf, fossiles Gas unabhängig von dessen Brückenfunktion nicht als „nachhaltig“ einzustufen. Vor allem Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat sich wiederholt in diesem Sinne geäußert.
Ebenfalls noch offen war zunächst, ob die Stellungnahme, wenn sie denn vorliegt, veröffentlicht wird. Eigentlich sei dies nicht üblich, sagte Hoffmann. In diesem konkreten Fall sei aber noch nicht entschieden, ob es doch eine Veröffentlichung geben werde.
Umweltverbände drängten erneut darauf, weder Atomkraft noch fossilem Gas ein Nachhaltigkeitssiegel zu geben. „Olaf Scholz muss Farbe bekennen, wie ernst es ihm mit echten Klima- und Umweltschutz ist“, forderten BUND, Campact, Deutsche Umwelthilfe (DUH), Greenpeace, Nabu und weitere Organisationen den Bundeskanzler auf.
Ein Aufruf der Verbände wird bisher nach deren Angaben von 330.000 Bürgern unterstützt. Sie pochten auch auf die Veröffentlichung der Stellungnahme der Regierung.
Unabhängig vom Inhalt der deutschen Stellungnahme ist fraglich, ob die Bundesregierung die EU-Pläne stoppen kann. Bislang haben sich nur wenige EU-Staaten öffentlich gegen die Einstufung von Atomkraft und Erdgas als nachhaltig gestellt.
Allerdings drohen mehrere Staaten mit Klagen vor allem hinsichtlich der Atomkraft und auch im EU-Parlament wird über die Vorlage der Kommission kontrovers diskutiert. (afp/dl)
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