Der umstrittene Vogel des Jahres 2010
Schauen wir uns den vom Naturschutzbund (NABU) und Landesbund für Vogelschutz Bayern (LBV) zum Vogel des Jahres 2010 gekürten Kormoran (Phalacrocorax carbo) an, könnte man meinen, die Natur mache zuweilen auf cool – jedenfalls als sie diesen Wasservogel erschaffen hat: Schwarze Ruderfüße, schwarzes Gefieder, das in der Sonne metallisch blaugrün schimmert.
Die Deckfedern der Flügel wirken wie ein bronzefarbener Umhang. Dazu smaragdgrüne Augen und am Hinterkopf ein abstehender Schopf – ein Edelpunk der Gewässerszene. Zur Balzzeit sind Kragen und Scheitel mit weißen Federsträhnen geschmückt. Mit 80 bis 100 Zentimetern Länge ist er etwa so groß wie eine Gans, er hat eine Spannweite von knapp eineinhalb Metern und eine erhabene Haltung: fast hochnäsig hält er den langen gelben Schnabel mit dem markanten Haken am Ende in die Höhe. Er darf auch ein wenig hochnäsig sein: dank dieses Hakens und seiner Tauchkunst – er taucht bis zu 30 Meter tief – ist er ein erfolgreicher Fischjäger.
Fischjäger oder -räuber?
Und genau dieser Erfolg bringt dem Kormoran etliche Feinde ein: Menschen – Fischer und Angler.
Nach dem Grund für diese Feindschaft befragt antwortet der Generalsekretär des Deutschen Fischereiverbandes, Dr. Peter Breckling: „Er ist ein Fischfresser, verursacht den Fischereibetrieben wirtschaftliche Schäden und er gefährdet einheimische Fischarten.“
Sündenbock für Artensterben
Diese Aussage lassen die Freunde des Kormorans nicht gelten. „Kormorane vernichten keine natürlichen Fischbestände und gefährden langfristig auch keine Fischarten. Vielmehr kommt es darauf an, sich für die ökologische Verbesserung unserer Gewässer einzusetzen – damit alle Fische und Wasservögel Raum zum Leben haben“, sagt der Vorsitzende des LBV, Ludwig Sothmann.
„Wenn ein Bestand zurückgeht, ist es schwierig so genau zu sagen, ob es an fehlenden Laichmöglichkeiten liegt, an stofflichen Belastungen oder daran, dass der Kormoran so viel frisst“, gibt auch Breckling zu. Die Erfahrung zeigt, dass der Mensch die Ursache für Artensterben lieber bei sich selbst suchen sollte. „Doch wenn 40 bis 50 Kormorane in einen Teich einfallen, da bleibt nichts mehr übrig, das sind sofort sichtbare Schäden von tausenden von Euro“, sagt Breckling.
Ohne Teichwirt kein Naturschutzgebiet
Einen Teich verwechsle man nicht mit einem See, den die Natur geschaffen hat, klärt Deutschlands einziger Öko-Teichwirt
Michael Bothstede auf. Ein Teich sei ein „Stall für Fische“. Und an einem offenen „Stall“ voller zarter Jungkarpfen lassen sich Kormorane gern nieder. „Der Kormoran wirkt in einem Fischteich wie ein Fuchs im Hühnerstall“, sagt er. Und die Verluste durch den Kormoran haben dazu geführt, dass es kaum noch Teichwirte gibt.
Was die Freunde des Kormorans besonders aufregt, ist, dass in einigen Bundesländern zugunsten der Fischer mit Hilfe von „Kormoran-Verordnungen“ erlaubt wird, den eh geschützten Vogel sogar in ausgewiesenen Naturschutzgebieten zu schießen. Muss man als Teichwirt in einem Naturschutzgebiet nicht den Kormoran als ein Stück Natur betrachten, die man mit einplanen muss? Gemäß Lars Dettmann, Geschäftsführer des Landesfischereiverbandes Brandenburg, gäbe es diese Naturschutzgebiete ohne die Teichwirte gar nicht: „Es wurde immer so gewirtschaftet, dass diese Artenvielfalt dort existiert. Und dann kommen die Naturschützer, finden das toll und erklären es zum Naturschutzgebiet. Plötzlich bekommt der Teichwirt die Naturschutzverordnung übergestülpt, wo drin steht, was er jetzt alles nicht mehr machen darf.“
Abschießen geht nach hinten los
Doch selbst wenn ein Teichwirt wie Bothstede zum Erhalt seines Broterwerbs dann doch die Lizenz zum Abschuss des Kormorans erhält: Das Töten der geschützten Kormorane bringt nicht den gewünschten Erfolg. „Wir haben in einem Jahr über 1000 Vögel totgeschossen und trotzdem waren 99 Prozent der Fische weg“, sagt der Schleswig-Holsteiner Bothstede. Man müsse schon den gesamten Bestand Europas vor die Flinte nehmen. Das und Ähnliches wurde in früheren Jahrzehnten auch gemacht, weshalb der Kormoran in Mitteleuropa fast ausgerottet war.
Schuss ins Schwarze: Netze
Bothstede hat eine andere Lösung gefunden: Seit zwei Jahren spannt er Netze über seine Teiche. In Norwegen wird das schon lange gemacht, doch stieß er zunächst bei den Behörden auf Widerstand, weil sich ein Vogel im Netz verfangen kann. „Im Alten Land über den Obstbäumen vertüdelt sich auch mal ein Piepvogel und krepiert. Das ist ein einkalkuliertes Risiko!“
Florian Möllers, Mitautor des Buchs „Kormoran: Schwarzer Peter oder harmloser Vogel“ (erschienen im Oktober 2009) hat sich die Netzanlage angesehen: „Bothstede hat extra solche Netze ausgesucht, die so konzipiert sind, dass die Vögel darin eine relativ weiche Landung haben. Und die Fischer sind jeden Tag mehrmals an ihren Gewässern und können das kontrollieren.“
Derzeit überspannt Bothstede Teich Nummer zehn: „Wir haben jetzt keine Kormoranprobleme mehr.“ Allerdings: „Wenn Sie jetzt einen Fisch kaufen wollten: wir haben keine. Mit so vielen Vögeln im Teich ist das so.“ Die Fische unter den Netzen sind zwar sicher, „aber ein Fisch muss vier Jahre alt werden – in der Qualität, so wie wir das machen.“ Alle seine 44 Teiche zu überspannen wird so viel kosten wie ein Einfamilienhaus, weshalb sich der Teichwirt dringend nach Fördertöpfen umschaut – auch für jene, die die Idee kopieren wollen: „Was die Teiche angeht, haben wir die Kuh vom Eis geholt. Wir haben das vorgebaut und rechtlich durchgeboxt. Jeder kann das jetzt nacheifern, wenn er möchte.“
Ist mit den Netzen das Kormoran-Problem gelöst? Möllers sagt: „Das ist sicher keine Universallösung, aber für viele Fischereibetriebe wird das funktionieren.“
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