5 Mythen über TTIP und CETA – Thilo Bode veröffentlicht Buch „Die Freihandelslüge“
„TTIP schafft Arbeitsplätze! Europäische Standards sind nicht in Gefahr! Ohne TTIP diktiert China die Regeln! Die falschen Argumente aus Politik und Wirtschaft werden durch ständiges Wiederholen nicht richtig“, sagte foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode. „TTIP und CETA bedrohen Verbraucherschutzstandards und beschneiden die Möglichkeiten, auf demokratischem Wege Regulierungsmaßnahmen umzusetzen. Wir sind keine Amerikafeinde und wir sind nicht gegen freien Handel – aber wir wehren uns gegen TTIP und CETA!“
Die fünf häufigsten Falschargumente, mit denen Politik und Wirtschaft für die EU-Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) bzw. den USA (TTIP) werben, entlarvt Thilo Bode in seinem Buch „Die Freihandelslüge“, das am 25. Juli 2016 in einer überarbeiteten Taschenbuchausgabe erscheint und die neuesten Entwicklungen berücksichtigt:
Mythos 1: „TTIP und CETA bringen Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze.“
Es war lange Zeit das wichtigste Argument aus Politik und Wirtschaft für die Freihandelsabkommen: TTIP bzw. CETA bringe Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze und Wohlstand. Doch viele Zahlen waren geschönt, Prognosen falsch dargestellt. So musste zum Beispiel der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) nach öffentlicher Kritik seine Aussagen korrigieren: Der Lobbyverband hatte positive wirtschaftliche Effekte zehnmal größer dargestellt als tatsächlich in einer Studie prognostiziert. Auch der Automobilverband VDA, die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) sowie die Europäische Kommission und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatten falsche Aussagen verbreitet – und mussten diese öffentlich zurücknehmen. Tatsächlich können kaum seriöse Prognosen über die wirtschaftlichen Effekte der geplanten Abkommen erstellt werden. Demgegenüber stehen ernste Gefahren für die Demokratie. (Mehr dazu unter: tinyurl.com/nnmswy8)
Mythos 2: „Wenn Europa und die USA nicht gemeinsam Standards setzen, diktiert China die Spielregeln der Globalisierung.“
Scheitern TTIP und CETA, werden Schutzvorschriften, zum Beispiel für Chemikalien oder zur Nahrungsmittelsicherheit, zukünftig von anderen Playern wie China festgesetzt, lautet das Bedrohungsszenario. Das ist Unsinn. Niemand kann die Europäische Union – mit einem Binnenmarkt mit einer halbe Milliarde Menschen – zwingen, derartige Schutzvorschriften oder Standards zu übernehmen und Errungenschaften im Verbraucher-, Gesundheits- oder Umweltschutz aufzugeben, weil das angeblich der internationale Handel diktiert. Bei der Angleichung technischer Standards, etwa im Maschinenbau, stocken die TTIP-Verhandlungen hingegen sowieso: Während die europäischen Unternehmen eine Angleichung der Standards wollen, lehnen die USA dies bisher ab. Außerdem gilt: Auch ohne das Mega-Abkommen TTIP können Europa und die USA jederzeit Standards gegenseitig anpassen, um den Austausch von Gütern zu fördern. Die beiden Handelspartner haben zum Beispiel in einem Abkommen die Zertifizierungsverfahren für ökologische Lebensmittel gegenseitig anerkannt und ermöglichen so den freien Handel zwischen Europa und den USA – ganz ohne TTIP.
Mythos 3: „Das europäische Vorsorgeprinzip ist gesichert.“
Vertreter der Bundesregierung und der Europäischen Union behaupten regelmäßig, die geplanten Handelsverträge mit den USA und Kanada würden das „Vorsorgeprinzip“ ohne Einschränkungen berücksichtigen. Ein internationales Rechtsgutachten im Auftrag von foodwatch belegt jedoch das Gegenteil: Das Prinzip des vorsorgenden Verbraucherschutzes ist in TTIP und CETA „nicht hinreichend verankert“, so das eindeutige Ergebnis der Juristen. Auf den 1.600 Seiten des bereits fertig ausgehandelten CETA-Vertrages zum Beispiel wird das Vorsorgeprinzip nicht ein einziges Mal erwähnt. Dabei bildet das Vorsorgeprinzip eine wesentliche Grundlage für die Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherpolitik in Europa – und unterscheidet sich fundamental von dem vielfach nur „nachsorgenden Ansatz“ in den USA und Kanada. (Mehr dazu unter: tinyurl.com/zxljkar)
Mythos 4: „Standards in Deutschland und Europa sind nicht in Gefahr.“
Dass der Grundsatz des vorsorgenden Gesundheits- und Verbraucherschutzes weder in CETA noch in TTIP ausreichend verankert ist, kann weitreichende Folgen haben. Bei zukünftigen Regulierungsvorhaben könnte sich die EU kaum mehr erfolgreich auf das Vorsorgeprinzip berufen. Standards, etwa im Verbraucher- und Gesundheitsschutz, würden dadurch in Frage gestellt. So könnten zum Beispiel in der EU bisher nicht zugelassene Chemikalien aus Nordamerika auf den Markt kommen oder die Pestizidbelastung von Lebensmitteln steigen. Doch Politiker in Brüssel und Berlin sowie Wirtschaftsvertreter versuchen zu beschwichtigen. So versicherte Bundeskanzlerin Angela Merkel, es werde „kein einziger Standard, der in der Europäischen Union oder in Deutschland gilt, abgesenkt“. Und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel versprach: „Eine Absenkung der erreichten Standards wird es nicht geben.“ (Mehr dazu unter:tinyurl.com/hytdzab)
Mythos 5: „Über TTIP und CETA entscheidet der Bundestag.“
Der Bundestag werde in die Entscheidung über TTIP und CETA eingebunden, betont die Bundesregierung gegenüber Kritikern. So versicherte etwa Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel: „Ohne Zustimmung von Bundestag und Bundesrat kann es deshalb kein Ja aus Deutschland geben.“ Doch ein Blick auf das Prozedere zum CETA-Vertrag zeigt ein anderes Bild: Die Europäische Kommission will das kanadische Abkommen am Bundestag und den nationalen Parlamenten vorbei durchdrücken. Die Kommission plant, dass der EU-Ministerrat noch dieses Jahr über CETA entscheidet und den Vertrag damit zugleich für „vorläufig“ anwendbar erklärt – noch bevor ein einziger Abgeordneter in den Mitgliedstaaten seine Zustimmung dazu erteilt hat. Bis dann in allen 28 nationalen Parlamenten abgestimmt würde, könnten Jahre vergehen und so Tatsachen geschaffen werden. foodwatch initiiert gemeinsam mit Campact und Mehr Demokratie eine Verfassungsbeschwerde gegen CETA. (Mehr dazu:tinyurl.com/zhppdyg)
Thilo Bode, „Die Freihandelslüge. Warum wir CETA und TTIP stoppen müssen“, aktualisierte und überarbeitete Taschenbuchausgabe, DVA 2015, 272 Seiten, 9,99 Euro. Seit heute (25. Juli 2016) im Handel. Das Honorar von Thilo Bode fließt ausschließlich der Arbeit von foodwatch zu.
(foodwatch/mh)
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