Im Geist von Raum und Zeit
In diesem Zeitalter der Distanzierung und der Trennungen, mit der Tendenz, alles über den Computer zu entwerfen, macht Nili Portugali ihr Enwürfe noch draußen. Die ersten Abschnitte ihrer Planung finden nicht in Simulationen mit moderner Software statt, sondern direkt am Standort, an dem später das Gebäude stehen soll. Mit Hilfsmitteln wie Seilen steckt sie auf dem Gelände Grenzen ab, macht sich mit dessen Profil und Charakter vertraut und wie sich die wachsende Konstruktion in die Umwelt einfügen wird.
Gangbare Entwicklung heißt nicht nur Technologie
Wir dürften uns daran gewöhnt haben, dass sich unser gegenwärtiges Verständnis von Entwicklung auf eine Reihe von Normen reduziert hat wie Energie- und Wassereinsparung, minimales Eingreifen in die Umwelt oder welche Art Material man beim Bau einsetzen kann. Portugali erweitert diese Sicht, indem sie das Wohlergehen des späteren Nutzers des Objektes ins Zentrum ihrer Betrachtungen stell. Was gut für den Menschen ist, wird auch gut für die Umwelt sein. So ist es, um gleich ein konkretes Beispiel zu nennen, vorteilhaft für den Menschen, wenn auch der Treppenaufgang Tageslicht bekommt. Gleichzeitig ist man nicht vom elektrischen Strom abhängig.
Das Gelände, auf dem das Haus stehen soll, ist nicht einheitlich; seine Eigentümlichkeiten müssen für alle Teile des Gebäudes sowie die Aussicht einbezogen werden. Plant Portugali ein Fenster, macht sie das vom Bauplatz aus, denn es ist sehr wichtig, welche Eindrücke vor dem Auge des Betrachters auftauchen beim Blick aus dem Fenster oder einem Spaziergänger, der außen vorbeigeht.
Die Planung eines Gebäudes ist eine Kette von Details, angefangen bei der Form und den Farben der Außenwände, bis zum Innenausbau. Portugali plant eine Anlage in ihrer Gesamtheit, von der Außenansicht bis ins Detail.
„Wie setzen wir das Erleben, das wir an einem gegebenen Ort hervorrufen möchten, in Taten um?“ Portugali erzählt uns, dass in den 70er Jahren eine Forschergruppe einbrachte, an historischen Plätzen, an denen wir uns wohl fühlen, unabhängig davon, ob wir eine Verbindung zur jeweiligen Kultur haben, gäbe es ein gemeinsames Element, das etwas tief in uns reflektiert. „Könnten wir die Gestaltungsstrukturen, die dieses Gefühl erzeugen, identifizieren“, fügt sie hinzu, „dann könnten wir jene Plätze im jetzigen Zeitalter genauso gut wiedererstellen.“
Universalplätze und Tradition
„Es geht dabei nicht um Nostalgie“, sagt die Architektin, „sondern eher darum, wie wir etwas entwerfen, wenn wir zu einer rechten Einschätzung der Welt und den dafür geeigneten Gestaltungsstrukturen zurückkehren.“ Portugali sieht eine Verbindung zur Tradition. „In der Vergangenheit gab es für alle Aspekte des Lebens eine Tradition. Die Dinge waren klar. Es gab Bezugspunkte, die die Sprache diktierten. Heute haben wir keine reine Kultur und deshalb keine Sprache. Die Forschergruppe aus den 70ern sagte, um eine Umwelt schaffen zu können, in der sich alle Mitglieder verstehen, müsste man jene Gestaltungsstrukturen neu definieren.“ Es sei notwendig, starke Strukturen zu finden, die die verlorene Qualität ersetzen könnten.
Was sind Gestaltungsstrukturen?
Portugali kommt aus der Stadt Safed. Ihre Familie lebt hier seit sieben Generationen. Als Kind streifte sie oft durch die Straßen und Synagogen. Die Profile und Formen hinterließen bei ihr nachhaltige Eindrücke. Sie versteht es so: Jene Strukturen stehen in Verbindung mit dem physischen Ort Israel als Ergebnis der dort lebenden Juden. Das sind Werte, die heute genauso gut wiederbelebt werden können. Die Vorraussetzung dazu wäre ein Verstehen, dass jene Vorstellungen von Schönheit und Ästhetik nicht subjektiv, sondern eher objektiver Natur sind. Und, dass sie zur Diskussion offen stehen. „An Plätzen, wo die Tradition stark ist, wie in Fernost, Paris, London oder Italien“, führt Portugali auf, „ist moderne Architektur ebenso gut möglich.“
Strukturen, die einem Gebäude eine Sprache verleihen
Den Eingang festlegen. Das Tor und der Eingangsbereich eines Gebäudes verbinden es mit der äußeren Welt. Sie sollten klar definiert und präsent sein.
Der Hof oder Innenhof. Gestaltungsstrukturen, die uns etwas über zeitweilige Trennung und Wiederzusammenführung des Bauwerkes mit der Außenwelt erzählen. Das Gebäude ist nicht losgelöst von der Außenwelt. Im Zentrum des Hofes (der nicht das geometrische Zentrum des Gebäudes bilden muss) kann sich ein Springbrunnen befinden. Wasser steht in vielen Kulturen als Symbol für das Leben. Vor Eingängen zu heiligen Plätzen oder Tempeln kann sich eine kleine Baulichkeit mit einem Wasserlauf befinden, die sich von Ort zu Ort unterscheidet.
Der Hauseingang. Er unterscheidet sich von allen andern Örtlichkeiten im Gebäude. Er kann mittels eines Deckengewölbes, das ihn vom Rest des Gebäudes abtrennt, hervorgehoben werden.
Die Arkade. Sie ist fester Bestandteil vieler Kulturen, verbindet das Gebäude und trennt es von Außenhöfen und Gärten. Man findet Bogengänge in Europa und Japan.
Platzbegrenzungen. Portugali fällt keine Bäume. Sie nutzt zwei Möglichkeiten, sollten sich auf der zu bebauenden Fläche Bäume befinden. Im ersten Fall, einer alten Pflegeeinrichtung in Rashi St, in Tel-Aviv, benutzte sie zwei alte Eukalyptusbäume um den Eingang zu markieren. Im anderen Fall, bei dem sich eine Baumreihe in einem zu bebauenden Gelände befand, setzte sie das Gebäude in die Mitte der Baumreihe, lies die Fenster direkt auf die Bäume hin ausreichten und erzeugte so den Eindruck, als befände man sich neben einem Wald. Ihr Buch gewann den Architekturpreis der prestigeträchtigen englischen Architektenvereinigung (RIBA).
Einige ihrer Arbeiten sind in Tel Aviv das Felizia Blumenthal-Musikzentrum und die Stadtbücherei Ariela. Sie plante ein Wohnviertel im Kibbutz Ma‘agan Michael, und das Haus des Schriftstellers David Shaytz in Jerusalem.
Zum Buch:
Nili Portugali‘s Buch „The Act of Creation and the Spirit of a Place“, ist eines von 20 ausgewählten Bü-
chern der englischen Architektenvereinigung (RIBA) in der Kategorie Architekturbücher in der Welt. In ihren Büchern legt sie ihre Sicht dar, wie sie einen neuen Weg findet, eine physische Umwelt zu kreieren, in der der Mensch von zentraler Bedeutung ist. „Nicht jeden Tag kommt ein Buch auf den Markt, das die Welt einer israelischen Architektin zeigt. Portugalis Arbeit integriert Architektur mit Spiritualität, Hoffnung und Essenz. Es gibt kein vergleichbares Buch. Es ist ein sui generis.“ So beschreibt es die RIBA. Portugali berichtet nicht nur von 30 Jahren Architektur, ihr Buch beinhaltet zudem über 700 Farbfotos.
Text erschienen in Epoch Times Deutschland Nr. 17 (23. Apr. – 29. Apr. 2008)
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