E-Roller können Versprechen nicht halten: „Keine Patentlösung für alte Probleme“

In nur drei Jahren haben abertausende E-Roller die städtische Mobilität erheblich gestört und verändert. Der gewünschte Erfolg, der emissionsfreie Transport auf dem ersten beziehungsweise letzten Kilometer, blieb jedoch aus. Eine Studie der Staatlichen Universität Portland präsentiert mögliche Gründe – und Lösungsansätze.
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E-Roller sind häufig nicht das Verkehrsmittel der ersten Wahl. Auch nicht in Verbindung mit dem ÖPNV oder wenn sie kostenlos wären.Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa/dpa
Von 4. November 2020

Seit dem ersten Erschienen vor etwa drei Jahren haben E-Roller in Deutschland nicht nur Einzug in die Straßenverkehrsordnung erhalten, sondern auch in Fahrschulen und Supermärkte. Bereits für wenige Hundert Euro lassen sich die versicherungspflichtigen Fortbewegungsmittel erwerben oder per App in nahezu jeder größeren Stadt mieten.

Trotz anfänglichem Hype blieb der erwünschte Erfolg bislang aus. Eine Studie der Staatlichen Universität Portland (Portland State University, PSU) kommt zu dem Schluss „dass es zwar Potenzial für eine verbesserte Mobilität gibt, […] aber die glänzenden Reihen von E-Rollern, in den Städten, keine Patentlösung für unsere seit langem bestehenden Probleme darstellen.“

Im Rahmen seiner Masterarbeit „Vergleich von Versprechen und Realität von E-Rollern“ befragte der Bau- und Umweltingenieur Michael McQueen fast 2.000 Studenten nach ihren Erfahrungen mit der urbanen Mikromobilität. Und was seine Kommilitonen davon abhält, E-Roller und Ähnliches häufiger nutzen.

Was sagt ein Uni-Campus über E-Roller in der Stadt aus?

Studenten sind einerseits eine leicht zugängliche und doch recht große Bevölkerungsgruppe. Andererseits reisen sie häufig zu einem bestimmten städtischen Ort, wie dem Uni-Campus in der Innenstadt von Portland.

Außerdem – in dubio pro reo – gelten Studenten „in der Regel als progressiver in ihren Transportwünschen“. Sie entsprechen damit der Zielgruppe für E-Roller oder Mobilitäts-Abos. Wenn E-Roller also etwas bewegt haben, dann zeigt es sich vermutlich in dieser Gruppe.

Diese Studenten fragte McQueen, wie sie derzeit E-Roller benutzen. Wie sie sie wahrnehmen und welches Transportmittel oder welche Kombination aus Transportmitteln sie wählen würden, um unter gegebenen Umständen zur Uni zu gelangen.

In verschiedenen hypothetischen Szenarien, in denen die Fahrzeiten und -kosten variierten, wählten die Teilnehmer ihr bevorzugtes Transportmittel. Anschließend entwickelte McQueen daraus ein Modell, welches Reisezeit und -kosten, Soziodemographie, die Gesundheit, das Reiseverhalten sowie die persönliche Einstellung gegenüber den verschiedenen Transportmitteln beinhaltet.

E-Roller + ÖPNV derzeit an keinem Ort der Stadt die erste Wahl

Die Auswertung ergab, dass es unter den momentanen Gegebenheiten in Portland keinen einzigen Ort gibt, an dem E-Roller und öffentliche Verkehrsmittel das Transportmittel der Wahl sind. Insbesondere die Preise sowie Reisedauer hielten demnach Studenten ab, diese Kombination zu nutzen. Daraus zieht McQueen den Schluss, dass sich „Städte nicht auf E-Roller als De-facto-Lösung für die erste und letzte Meile […] verlassen sollten.“ Insbesondere nicht ohne weitere Maßnahmen.

Während die Auto-„Reibung“, wie erhöhte Fahrzeit in Morgen- und Abendstunden und Parkkosten oder Kosten und Reisedauer der Stadtbahnen die Wahl zugunsten der Mikromobilität beeinflussen, wirken die gleichen Prinzipien bei erhöhter Roller-Reibung jedoch auch umgekehrt. So senken schlechte Verfügbarkeit, lange Laufwege zu den Rollern, die Fahrzeit sowie schlechtes Wetter die Wahrscheinlichkeit auf Elektroroller zurückzugreifen.

Ein deutlicher Unterschied zeigte sich zudem zwischen den Geschlechtern. Frauen gaben demzufolge 27 Prozent seltener an, E-Roller nutzen zu wollen. Außerdem zeigen sich erfahrene Autofahrer seltener bereit, auf Mikromobilität umzusteigen, als Studenten, die bereits Fahrräder, Roller oder den ÖPNV positiver wahrnahmen.

Kostenlos … aber erfolglos

McQueen wandte sein Modell räumlich auf Portland an, um Einzugsgebiete zu verstehen, in denen Befragte unter welchen Bedingungen welche Verkehrsmittel bevorzugen würden. Die Farbe zeigt das Mittel der Wahl, die Intensität die Wahrscheinlichkeit, mit dem es gewählt wurde.

Bleibt alles beim Alten, entscheiden sich Studenten in Portland meist gegen die Fahrt mit dem E-Roller … Foto: Michael McQueen, Portland State University

Gegenwärtig gibt es im Einzugsgebiet der U-Bahn keinen Ort, an dem Elektroroller + ÖPNV die erste Wahl ist. Daran ändert auch die kostenlose Bereitstellung von E-Rollern nichts.

… daran ändert auch die kostenlose Bereitstellung der Mikromobilität nichts. Bleiben die anderen Umstände gleich, sinkt jedoch die Wahrscheinlichkeit, das Auto zu nehmen minimal. Foto: Michael McQueen, Portland State University

Erst die Kombination mehrerer Maßnahmen, einschließlich erhöhter Parkgebühren, kostenfreie E-Roller und eine Menge Werbung für Mikromobilität und ÖPNV bringen den erwünschten Effekt.

Dabei nicht aus den Augen lassen dürften jedoch Verkehrs- und Städteplaner, aber auch E-Roller-Vermieter, die Tatsache, dass derartige Maßnahmen auch der Entscheidung für das Fahrrad, Mitfahrgelegenheiten und Carsharing oder einem Spaziergang zugutekommen und dafür entsprechende Räume wie Fahrrad- und Gehwege oder Haltepunkte vorgesehen werden müssen.

Daraus folgt aber auch, dass sich Verkehrsexperten nicht auf die Elektromobilität versteifen dürften, um das Problem der ersten/letzten Kilometer zu lösen.

Umfassende Maßnahmen einschließlich erhöhter Parkgebühren könnten E-Roller in Portland zum Transportmittel der Wahl machen. Zumindest in der Innenstadt. Foto: Michael McQueen, Portland State University

E-Roller ohne Mehrheit unter Studenten

Zum Zeitpunkt der Umfrage, bevor COVID-19 das öffentliche Leben ab März weitgehend einschränkte, hatten nur 6 Prozent der Befragten in den vorangegangenen sieben Tagen mindestens eine Fahrt mit dem E-Roller unternommen. Warum sie nicht häufiger die neue Mobilität nutzten, gaben die Studenten wie folgt an:

  • 52 Prozent haben noch nie zuvor versucht, einen E-Roller zu fahren.
  • 49 Prozent fühlen sich im Verkehr nicht wohl.
  • 45 Prozent wollen bei schlechtem Wetter nicht fahren.
  • 39 Prozent können sich nicht darauf verlassen, dass ein Elektroroller da ist, wenn sie ihn brauchen.
  • 35 Prozent können es sich nicht leisten, regelmäßig mit einem E-Roller zu fahren.
  • 21 Prozent fehlen genügend dedizierte Fahrspuren.

Dabei nannte ein signifikant größerer Anteil der Frauen als der Männer Unerfahrenheit mit Elektrorollern, Unwohlsein beim Fahren im Verkehr und schlechtes Wetter als Hindernisse. Darüber hinaus unterscheiden sich die Gruppen bezüglich dieser Kriterien nicht, weder anhand ihrer Herkunft noch anhand ihrer finanziellen Situation. Mit anderen Worten: E-Roller taugen für den Sonntagsausflug auf leeren Radwegen, aber nicht für das tägliche Pendeln.

(Mit Material der Staatlichen Universität Portland)



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