Wie „smarte Spielzeuge“ Ihre Kinder ausspionieren

„Toniebox“, „Tiptoi“ und „Tamagotchi“ sind sogenannte Smart Toys, die dank Software und Internetzugang interaktives Spielen ermöglichen. Bei einigen dieser Spielzeuge hapert es jedoch beim Schutz der Privatsphäre und sie sammeln mitunter umfangreiche Verhaltensdaten von Kindern und Eltern.
So spionieren „smarte Spielzeuge“ die Kinder aus
Bei einigen Spielzeugen mit Internetanbindung hapert es beim Schutz der Privatsphäre.Foto: Irina Esau/iStock
Von 10. September 2024

Die „Toniebox“ und die dazugehörigen Figuren sind vor allem unter den Kleinsten beliebt und kaum mehr aus Kinderzimmern wegzudenken. Viel einfacher zu bedienen als klassische Musik-Player, erlauben sie Kindern, Musik und Hörspiele jederzeit selbstständig anzuschalten.

Um beispielsweise die Geschichte des Räubers Hotzenplotz von Otfried Preußler zu starten, müssen die Kinder die Plastikversion der Hauptfigur auf die Box stellen. Möchte das Kind die Geschichte stoppen, nimmt es die Figur herunter. Zum Vor- und Zurückspulen kippt es die Box nach links beziehungsweise rechts.

Tolles Produkt, denken wohl viele Eltern. Allerdings registriert die Toniebox genau, wann sie mit welcher Figur aktiviert wird, wann das Kind stoppt und wohin es spult – und sendet die Daten an die Herstellerfirma.

Häufige Spielzeuge im Fokus

Die Toniebox ist eins von zwölf smarten Spielsachen, welche die Forscher um Professorin Dr. Isabel Wagner von der Universität Basel untersucht haben. Darunter waren auch andere bekannte Spielzeuge wie der Lernstift Tiptoi und seine optionale Ladestation, die Lern-App „Edurino“ oder das virtuelle Haustier Tamagotchi.

Zwölf smarte Spielzeuge standen im Fokus der Studie.

Zwölf smarte Spielzeuge standen im Fokus der Studie, darunter Toniebox (violett mit Figur, hinten Mitte) und Tamagotchi (pink/hellgrün/hellblau, vorn links). Foto: Céline Emch/Universität Basel

Außerdem untersuchten die Wissenschaftler auch weniger bekannte Spielzeuge wie den sogenannten Moorebot, einen beweglichen Roboter mit Kamera und Mikrofon, oder Kidibuzz, ein Smartphone für Kinder mit elterlicher Kontrollfunktion.

Der Fokus der Analyse lag zum einen auf Fragen der Sicherheit, etwa ob und wie gut der Datenverkehr verschlüsselt wird. Weiterhin ging es um Datenschutz, Transparenz – also wie einfach Nutzer Einblick in die über sie gesammelten Daten beantragen können – sowie die Einhaltung der Europäischen Datenschutzgrundverordnung.

Offline sammeln, online versenden

In Sachen Sicherheit schneiden die Toniebox und die Tiptoi-Ladestation laut Studie schlecht ab, da sie den Datenverkehr nicht sicher verschlüsseln. Auch bei der Wahrung der Privatsphäre erkennen die Forscher Mängel bei der Toniebox, da sie Daten sammelt und an den Hersteller sendet. Der Tiptoi-Stift erfasst hingegen nicht, wie und wann ein Kind ihn nutzt. Es werden lediglich Audiodateien zu den gekauften Produkten heruntergeladen.

Auch wenn die Toniebox offline betrieben und nur temporär beim Laden neuer Audioinhalte mit dem Internet verbunden würde, könnte das Gerät gesammelte Daten lokal speichern und bei nächster Gelegenheit an den Hersteller senden, vermutet Isabel Wagner.

Keines der geprüften Spielzeuge ist datenschutzrechtlich bedenkenlos.

Keines der geprüften Spielzeuge ist datenschutzrechtlich bedenkenlos. Foto: Feldbusch et al. (2024) in Privacy Technologies and Policy

„Bei einem anderen Spielzeug, das wir im Moment noch untersuchen und das ChatGPT integriert hat, sehen wir, dass Log-Daten regelmäßig verschwinden“, so Prof. Wagner. Die Forscher vermuten, dass das System so eingerichtet ist, dass es die gesendeten Daten lokal wieder löscht, um den internen Speicher optimal zu nutzen.

Unternehmen behaupten oft, die gesammelten Daten würden ihnen helfen, ihre Geräte zu optimieren. Wozu die Daten noch dienen könnten, ist für Nutzer aber kaum absehbar. „Begleit-Apps einiger Spielzeuge verlangen völlig unnötige Zugriffsrechte, wie etwa auf den Standort oder das Mikrofon des Smartphones“, hält die Forscherin fest.

Und das ChatGPT-Spielzeug, dessen Analyse derzeit noch läuft, sende einen Datenstrom, der nach Audiodaten aussehe. Vielleicht wolle das Unternehmen damit die Spracherkennung von Kinderstimmen optimieren, vermutet die Professorin für Cyber Security.

Ein Label für Datenschutz

„Die Privatsphäre von Kindern ist besonders schützenswert“, betont Julika Feldbusch, Erstautorin der Studie. Spielzeughersteller sollten deshalb die Privatsphäre und Sicherheit ihrer Produkte entsprechend ihrer jungen Zielgruppe höher gewichten, als sie es bisher tun.

Die Forscherinnen empfehlen, dass die Einhaltung von Sicherheits- und Datenschutzstandards mit einem Label auf der Verpackung kenntlich gemacht werden sollte, ähnlich wie Nährwertangaben auf Lebensmitteln. Es werde Eltern bisher zu schwer gemacht, die mit smarten Spielzeugen verbundenen Sicherheitsrisiken für ihre Kinder zu durchschauen.

Smarte Spielzeuge wie die modernen Tamagotchis

Ein altes Tamagotchi aus den 2000er Jahren – noch ohne Internetanbindung. Foto: Gorlov/iStock

„Wir sehen jetzt schon Anzeichen für eine Zwei-Klassen-Gesellschaft beim Schutz der Privatsphäre von Kindern“, so Feldbusch. „Gut informierte Eltern setzen sich damit auseinander und können Spielzeuge wählen, die keine Verhaltensprofile ihrer Kinder erstellen. Aber vielen fehlt das technische Vorwissen oder sie haben keine Zeit, sich vertieft damit auseinanderzusetzen.“

Man könne zwar optimistisch davon ausgehen, dass den Kindern im Einzelfall keine negativen Konsequenzen entstehen, wenn Spielzeughersteller Profile von ihnen erstellen – Zweifel schwingen dennoch mit. „Wirklich sicher weiß man das nicht. Umfassende Überwachung kann sich zum Beispiel negativ auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirken“, so Isabel Wagner abschließend.

Die Studie erschien am 1. August 2024 im Fachmagazin „Privacy Technologies and Policy“.



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