WM-Absage beeinflusst auch Umbau des DEB
Die Unsicherheit der aktuellen Situation ist Franz Reindl anzumerken. Vor dem eigentlich geplanten WM-Start am 8. Mai wirkt der Präsident des Deutschen Eishockey Bundes (DEB) nervös.
„Das schneidet schon rein“, sagte der 65-Jährige der Deutschen Presse-Agentur zur wegen der Corona-Krise abgesagten Weltmeisterschaft in der Schweiz, die für Deutschland am 8. Mai mit einem Spiel gegen Kanada begonnen hätte. „Zum ersten Mal seit Jahrzehnten jetzt nicht irgendwo bei einer WM zu sein, ist irgendwie komisch“, meinte der frühere Nationalspieler und langjährige DEB-Funktionär.
Die Nervosität dürfte noch einen anderen Grund haben. Eigentlich hatte die Eishockey-Welt damit gerechnet, dass Reindl am Rande der WM seine Kandidatur für den Vorsitz des Weltverbandes IIHF bekannt gibt. Der soll im September ein neues Präsidium wählen, Amtsinhaber René Fasel, 70 Jahre alt, will abtreten. Ob wegen der Corona-Krise aber regulär gewählt wird, ist unklar. Noch steht der Termin, ebenso die Frist zur Kandidatur-Bekanntgabe Ende Mai.
Beim DEB laufen längst Planungen für die Zeit nach Reindl. Denn der gewiefte Netzwerker dürfte nur antreten, wenn die realistische Chance besteht, auch gewählt zu werden. Ob als Präsident oder dessen Vize scheint dabei egal.
So oder so wäre Reindls Zeit beim DEB dann vorbei. Und das hätte Folgen. Durch seine jahrzehntelange Präsenz in der Öffentlichkeit ist der Olympia-Bronze-Medaillengewinner von 1976 nicht nur weit über das Eishockey bekannt und als Imageträger wichtig, sondern inzwischen auch einer der größten Strippenzieher im deutschen Sport.
Der Freund von DOSB-Präsident Alfons Hörmann ist in der Sport-Funktionärsszene und der Politik bestens vernetzt. Den einst darniederliegenden DEB krempelte der Ex-Generalsekretär nach der damals überraschenden Wahl zum Präsidenten vor sechs Jahren sportlich und wirtschaftlich erfolgreich um. Ein Problem sieht man beim DEB trotzdem nicht.
Unabhängig von Reindls Zukunft gibt es schon länger Überlegungen zur Modernisierung des Verbands. Zukünftig könnte das Präsidium etwa die Funktion eines Aufsichtsrates übernehmen. Zwei hauptamtliche Geschäftsführer würden dann den Verband führen. Dass dann Stefan Schaidnagel, aktuell „Sportdirektor mit Generalverantwortung“, für den Sport zuständig wäre, gilt als unstrittig. Der 39-Jährige ist ehrgeizig und versteht Lobby-Arbeit, ist aber nicht ansatzweise so bekannt wie Reindl. An Selbstbewusstsein mangelt es ihm aber nicht.
Durch die Corona-Krise verzögert sich der Plan zur Umstrukturierung. Dies müsste eine Mitgliederversammlung mehrheitlich beschließen. Kurzfristig geht das aber nun wohl nicht. Sollte Reindl zur IIHF gehen, müsste zunächst ein kommissarischer Präsident den DEB führen. Aus dem aktuellen Präsidium kommt dafür eigentlich nur einer infrage: der Geschäftsführer der Adler Mannheim, Daniel Hopp.
Da der 39-Jährige nicht unbedingt in die Öffentlichkeit drängt, dürfte dies die Rolle Schaidnagels weiter stärken. Schon jetzt gibt der frühere Profi Richtung und Tempo in sportlichen Dingen vor. „Stefan ist für mich die wichtigste Kontaktperson“, sagte Bundestrainer Toni Söderholm im Home Office in der finnischen Heimat. Über zu wenig Arbeit kann sich der 42-Jährige dort nicht beschweren.
„Es gibt von mir die Verpflichtung an die Bundestrainer, sich weiterzubilden“, sagte Schaidnagel und führte eine Art Video-Coaching der DEB-Trainer mit Coaches aus anderen Sportarten durch. Unter anderem mit Angelique Kerbers Trainer Dieter Kindlmann gab es einen Austausch. Söderholm nutzt die Zeit zudem zur Mental-Analyse seiner aktuellen und potenziellen Nationalspieler per E-Mail-Fragebogen.
Auch die WM 2019 in der Slowakei analysierte der Bundestrainer noch einmal intensiv. Die für dieses Jahr geplante WM wäre Söderholm wohl deutlich forscher angegangen als seine Premiere, bei der sein Team das Viertelfinale erreichte. „Wir kommen näher und näher an die Top-Nationen“, meinte der Finne. Die Chance, den Beweis dafür anzutreten, bekam er nicht. Söderholm wollte bei seiner zweiten WM als Bundestrainer den finnischen Weg des Vorjahres gehen.
Sein Heimatland verzichtete 2019 auf etliche Stars und wurde am Ende mit einer unbekannten, aber eingespielten Mannschaft Weltmeister. „Wir haben auch verfolgt, was die Finnen gemacht haben. Da kann man viel lernen. Ich wollte die Mannschaft diesmal auch so wenig wie möglich vom Start der Vorbereitung an ändern“, sagte Söderholm. (dpa)
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