Vettel und Ferrari in Monza in Schieflage
In Monza schritt Sebastian Vettel noch einmal die legendären Steilkurven ab. Fast 40 Grad ist die Betonwand steil. Wenn man dort hoch- und wieder runterläuft, hat es ein bisschen was vom Bergsteigen.
Seit 1970 ist dieser Abschnitt aber gesperrt, er ist nur noch etwas für Nostalgiker. Für Nostalgie hat Vettel einen Sinn. Und so dürfte sein Rundgang mit den Ingenieuren auf dem alten Oval noch einmal etwas Besonderes gewesen sein. Es ist Vettels letztes Mal als Ferrari-Pilot auf dem Formel-1-Kurs. Ende des Jahres muss er die Scuderia verlassen. Die Schieflage bei Ferrari aber bleibt.
Um „mehrere Jahre“ könne es sich handeln, bis man wieder um Siege mitkämpfe, hatte Vettels Teamchef Mattia Binotto schon vor dem achten Grand Prix der Saison am Sonntag (15.10 Uhr/RTL und Sky) eingeräumt. Wenn man sich vor Augen führt, wie stolz dieser Traditionsrennstall doch ist, und wie hoch die generellen Erwartungen beim 16-maligen Konstrukteurschampion sind, dann ist diese Aussage desaströs. Es ist das Eingeständnis, dass sich Ferrari mit seinem aktuellen Wagen, dem SF1000, völlig vertan hat. In puncto Motor, in puncto Aerodynamik.
Vettel war ja 2015 bei Ferrari angetreten, um als viermaliger Weltmeister die Zeiten eines Michael Schumacher wieder aufleben zu lassen. Mit deutscher Präzision wollte die Scuderia wieder an die Spitze zurückkehren. Mehr als zwei Vize-Weltmeisterschaften 2017 und 2018 waren für Vettel aber nicht drin. Aktuell liegt er auf Rang 13 der Fahrerwertung. Vor ihm liegt Pierre Gasly, direkt hinter ihm Nico Hülkenberg. Der fuhr aber auch nur ein Rennen.
Fällt einem Spitzenpiloten der Abschied eigentlich leichter, wenn man weiß, dass der Wagen ohnehin unterlegen ist und kaum etwas in dem Rennstall vorangeht? „Die Situation ist, wie sie ist“, meinte Vettel. „Ich muss auf meine eigene Zukunft schauen und bin nur auf dieses Jahr konzentriert. Ich versuche, das Beste daraus zu machen und meinen Job zu erfüllen.“ Deutsche Zuverlässigkeit eben.
Vettel wird die Fans im Autodromo Nazionale di Monza vermissen. Auf den Tribünen des Kurses sind in Corona-Zeiten nur Pappaufsteller mit den Gesichtern einiger Tifosi. Ferrari will immerhin 250 Ärzten und Krankenschwestern am Rennsonntag den Zugang als Ehrengäste erlauben. „Wir sind hier, um zu kämpfen. Wir kämpfen für die Tifosi“, betonte Vettel. Die Stille auf den Rängen beschäftigt ihn. „Es war schon das ganze Jahr sehr ruhig“, meinte der 33-Jährige über die Umstände in diesem Pandemie-Jahr. „Hier wird es uns aber wahrscheinlich noch mehr auffallen, weil es vor allem für uns das lauteste Rennen ist.“
Charles Leclerc weiß das längst, und dabei fährt der Monegasse erst in seinem zweiten Jahr für die Italiener. In der vergangenen Saison gewann er, der neue Frontmann bei Ferrari, erstmals nach neun Jahren wieder dieses Heimspiel in Rot. Auf eine Dürreperiode muss sich Leclerc, der künftig Carlos Sainz von McLaren an seiner Seite hat, gleichwohl einstellen. „Ich habe ja keine andere Wahl“, meinte der 22-Jährige über die von Binotto prognostizierte Talsohle. „Ich werde aber bestimmt geduldig sein und bin bereit zu warten.“
Vettel macht das auch – auf seine Art. Denn seine Zukunft bleibt ungeklärt. Macht er in der Formel 1 weiter? Bei Aston Martin? Legt er eine Pause ein? Oder verabschiedet er sich komplett aus der Königsklasse des Motorsports, in der ihm die WM-Krönung mit Ferrari versagt geblieben ist? „Es ist ganz normal, dass ich mir eine Menge Gedanken mache“, sagte Vettel und bat noch um eine Weile Geduld. (dpa)
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