Uli Hoeneß geht durchs große Tor
Uli Hoeneß wollte den FC Bayern immer „durchs große Tor“ verlassen. Und den Wunsch erfüllt ihm sein Verein. Die Münchner Olympiahalle hat der FC Bayern angemietet, um den 67-Jährigen nach 40 Jahren als Manager und Präsident auf großer Bühne zu verabschieden.
Es wird eine emotionale Jahreshauptversammlung werden, speziell für Hoeneß, der sich intensiv auf diesen Freitag (19.00 Uhr) vorbereitet. „Ich habe gehört, dass die Olympiahalle auseinanderplatzen wird. Wir sind gut beraten gewesen, das dort zu machen. Es werden um die 10.000 Mitglieder erwartet“, sagte Hoeneß. „Da ist einiges zu erwarten!“
Speziell von ihm. Auf die Abschiedsrede warten alle gespannt. Wie üblich will sie Hoeneß – nach unruhigen Nächten davor – in freier Rede vortragen. „Am Freitagmorgen weiß ich, was ich sage.“ So, wie Hoeneß den Satz vor einer Woche „total euphorisiert“ vom 4:0 gegen Borussia Dortmund aussprach, ist Wortgewaltiges zu erwarten. Denn Uli Hoeneß war und ist ein Bauchmensch – und damit unberechenbar.
Ein kurzes Resümee seines Schaffens gab er vorab. „Ich habe diesen Job wahnsinnig gerne gemacht. Ich habe mich immer reingehängt und alles gegeben. Und ich glaube, das Ergebnis ist so schlecht nicht.“
Zwei große Fragen stellen sich. Wie wird es dem FC Bayern ohne Hoeneß ergehen? Und wie Hoeneß ohne sein Lebenswerk? „Über meine Zukunft werde ich am Samstag nachdenken, wenn ich am Tegernsee aufwache“, entgegnete Hoeneß. Er hat noch keine Antwort auf die Und-nun-Frage. „Ich werde zum ersten Mal am 16. November ohne Plan sein und ohne große Verantwortung. Das ist eine spannende Geschichte.“
Und der FC Bayern? Der deutsche Fußball-Rekordmeister hat schon mal eine kurze Zeitspanne ohne den polarisierenden Frontmann erproben müssen, als Hoeneß von Juni 2014 bis Februar 2016 eine Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung absaß und dafür seine Ämter niedergelegt hatte. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge führte den Verein durch diese schwierige, aber für den Club trotzdem erfolgreiche Zeit.
„Das war’s noch nicht“, lautete damals Hoeneß‘ legendärer Satz auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung. Das war’s immer noch nicht, könnte und müsste er eigentlich fünf Jahre später lauten. Denn ein Uli Hoeneß geht niemals so ganz, auch wenn er in den vergangenen, kraftraubenden Monaten die Weichen für die Zukunft des FC Bayern ganz nach seinem Willen und seinen Vorstellungen gestellt hat.
Seinen Freund Herbert Hainer (65) hat er zu seinem Nachfolger erkoren. Der ehemalige Adidas-Chef versprach Hoeneß vor seiner Wahl am Freitagabend: „Wir werden den Verein in Deinem Sinne weiterführen.“
Ex-Kapitän Oliver Kahn wird Anfang Januar in den Vorstand einziehen und Ende 2021 Karl-Heinz Rummenigge (64) als Chef an der Club-Spitze ablösen. Als finale Personalie drückte der scheidende Präsident und Aufsichtsratchef Hoeneß in dieser Woche noch die Beförderung von Sportdirektor Hasan Salihamidzic zum Sportvorstand durch. Als „großartig gelungen“ bewertet Hoeneß die Zukunftsgestaltung.
Hoeneß geht – und geht doch nicht. Sein Mandat im Aufsichtsrat bis November 2023 will er weiter wahrnehmen, wenn auch nicht mehr als Vorsitzender des Kontrollgremiums. Diesen Posten bekommt Hainer.
„Der ist noch da, keine Sorge“, antwortete Rummenigge auf die Frage, ob er Hoeneß an seiner Seite vermissen werde, und zwar nicht nur bei Spielen in der Allianz Arena. Das spezielle Spannungsverhältnis zwischen Hoeneß und Rummenigge hemmte und trieb den Verein in den vergangenen Jahren. „Wir werden uns noch gegenseitig ausreichend austauschen und auch Dinge entscheiden“, erklärte Rummenigge. Die Trainerfrage – nach der Trennung von Niko Kovac momentan noch übergangsweise mit Hansi Flick gelöst – ist die dringendste.
Hoeneß wird sein Büro an der Säbener Straße an Hainer übergeben. Und Siege will er mit dem Fanschal am Hals künftig auf einem anderen Sitzplatz der Arena bejubeln. Aber den Verein will er öffentlich auch als Präsident a.D. „wie eine Glucke bewachen“. Hoeneß wird nicht mehr überall mitmischen, aber sich im Hintergrund weiterhin einmischen.
So war’s auch bei Franz Beckenbauer, dessen kaiserliche Worte den FC Bayern noch lange aufschreckten, nachdem dieser vor einem Jahrzehnt den Präsidentenposten für Hoeneß geräumt hatte. Die Medien werden weiter nach Hoeneß-Aussagen lechzen, weil sie Quote, Klickzahlen und Schlagzeilen garantieren. Hoeneß hat angekündigt, auch „mal wieder Gast bei einer politischen Talkrunde“ sein zu wollen. Darauf hatte er nach der Steueraffäre, die er seinen „allergrößten Fehler“ nannte, als Präsident des FC Bayern bewusst verzichtet.
An Hoeneß lässt sich gut die Entwicklung des Fußballs ablesen. Als junger Manager setzte er gezielt auf „Polarisierung“. Hoeneß erkannte Trends. Er hatte Visionen. Das Geldverdienen lag ihm als Schwabe im Blut. Mit zwölf Millionen Mark Umsatz und sieben Millionen Schulden legte er als 27-Jähriger beim FC Bayern los. 40 Jahre später kann der Bundesliga-Krösus einen Rekordumsatz von 750,4 Millionen Euro und einen Rekordgewinn nach Steuern von 52,5 Millionen Euro vorweisen.
„Ich wollte meine Position aufgeben in einem super Zustand des FC Bayern“, betonte Hoeneß. Aber die Zeiten haben sich verändert. Man muss Dinge machen, die seien „gewöhnungsbedürftig“. Im Fußball mischen neue Player mit. Investoren, Firmen und sogar Staaten, denen es nicht in erster Linie um den Sport geht. Fans sind längst zu Kunden geworden. Topspieler kosten 100 Millionen Euro und mehr.
Hoeneß hat die Fußballszene gespalten. Er hat zahlreiche Fehden ausgetragen, aber auch Retterspiele für Vereine wie den Klassenfeind FC St. Pauli initiiert. Er war in der Not da für Ex-Mitspieler wie Gerd Müller oder Sepp Maier, sein soziales Engagement ist groß. Der Spagat zwischen Tradition und Moderne war ihm stets wichtig. Kurz vor Weihnachten besuchen die Bayern-Profis auch heute noch Fanclubs.
Hoeneß wirkt bisweilen aus der Zeit gefallen. Die Sprache ist roher geworden, das einst untrügliche Gespür für Trends und Attacken hat ihn häufiger verlassen. Er werde sicherlich „kein Golf spielender, älterer Rentner“ werden, hat er angekündigt. „Mir wird schon etwas einfallen.“ War’s das wirklich? Kaum vorstellbar bei Uli Hoeneß. (dpa)
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