«Talentierter Junge»: Vettels neuer Teamkollege Leclerc
Zwischen den funkelnden Palmen im Fahrerlager von Bahrain muss man die Spuren von Charles Leclerc erst noch finden. Potenzial zu nachhaltigem Erfolg bescheinigt aber Sebastian Vettel seinem neuen Ferrari-Teamkollegen.
Trotz des enttäuschenden Formel-1-Saisonstarts der Scuderia hat Leclerc als Nachfolger von Vettels Wohlfühlpartner Kimi Räikkönen keinen Zweifel am Ferrari-Fortschritt im zweiten Grand Prix des Jahres am Sonntag (17.10 Uhr/RTL und Sky) in Sakhir.
„Ich denke nicht, dass wir irgendwelche grundlegenden Probleme mit dem Wagen haben, ich bin da ziemlich zuversichtlich“, sagte Leclerc im Fahrerlager, das von mit Lichterketten behangenen Palmen gesäumt ist. „Es geht einfach nur um die Feinabstimmung.“
Leclerc gehört zur Frischzellenkur der Scuderia. Die ist auch nötig. 2007 wurde Räikkönen vorerst letzter Fahrer-Weltmeister in Rot, 2008 holten die Italiener letztmals die Konstrukteurs-WM. Also löste der Schweizer Mattia Binotto, als Motoren-Ingenieur schon an Michael Schumachers Titelserie beteiligt, den Italiener Maurizio Arrivabene ab. Und Ferrari-Zögling Leclerc verdrängte Vettels Kumpel Räikkönen zu Alfa Romeo.
„Es ist noch ziemlich frisch, deshalb ist es noch nicht so sehr eine Beziehung“, sagte Vettel über sein Verhältnis zu dem 21-jährigen Monegassen Leclerc. „Er ist ein sehr junger und talentierter Junge. Ich bin mir sicher, dass er seine Spuren in diesem Jahr und in den nächsten Jahren hinterlassen wird.“
Eindruck hat Leclerc nicht zuletzt im vergangenen Jahr im unterlegenen Alfa-Romeo-Sauber gemacht. Das brachte ihm die Beförderung ein. In Australien, wo er erstmals für Ferrari an den Start ging, fanden die Italiener zwar nicht die optimale Abstimmung für den Wagen. Leclerc war in der Schlussphase jedoch so schnell, dass ihn der Kommandostand einbremste, um Vettel nicht noch vom vierten Platz zu verdrängen.
„Ich habe ziemlich viele Fehler in der Qualifikation und während des Rennens gemacht. Ich werde versuchen, dass sich das nicht wiederholt“, beteuerte Leclerc, der nicht nur überaus reif erscheint, sondern auch selbstkritisch und ehrgeizig ist. Der Nummer-eins-Status von Vettel beeindruckte ihn schon vor dem Saisonstart nicht sonderlich. „Wenn Mattia das Problem haben sollte, zwei schnelle Fahrer bändigen zu müssen, dann ist das ein gutes Zeichen für mich.“
Schon Leclercs Vater war Rennfahrer, Hervé Leclerc bestritt in den 90ern Formel-3-Rennen. Die Sehnsucht nach dem Tempo brachte in seinem Sohn dann Kreativität hervor. „Ich sagte meinem Vater, dass es mir nicht gut geht, dann konnte ich die Schule ausfallen lassen und bin mit Jules auf die Kartstrecke in Brignoles“, erzählte Leclerc einmal.
Jules war Jules Bianchi, der ehemalige Formel-1-Pilot. Auf dem zwischen Marseille und Nizza gelegenen Kartkurs von dessen Vater Philippe gab der junge Leclerc erstmals Gas, Jules wurde zu einer Art Mentor. Im Oktober 2014 verunglückte Bianchi beim Großen Preis von Japan schwer, neun Monate später erlag er seinen Verletzungen. Es war ein Schock für Leclerc.
„Selbst nach seinem Unfall in Suzuka hatte ich nie den leisesten Zweifel an meiner Zukunft“, betonte Leclerc. „Angst? Nein, die gibt es nicht. Ich bin mir bewusst, dass Gefahr Teil des Rennsports ist, aber wenn ich im Cockpit sitze, fühle ich nur den Adrenalistoß. Ich mag die Gefahr, ich mag das Adrenalin und ich muss Rennen fahren.“
Leclerc macht das mit Erfolg. 2016 wurde er GP3-Meister, 2017 Meister in der Formel 2 und war da schon längst Teil des Ferrari-Nachwuchsprogramms. So wie Bianchi vor ihm. Doch der Tod seines Freundes war nicht der einzige brutale Verlust. Im Sommer 2017 starb Leclercs Vater nach schwerer Krankheit. Nur drei Tage später saß der Junior wieder im Auto und raste in Baku zur Pole. Auf seinen Prema-Wagen hatte Leclerc den Schriftzug „Ich liebe dich Papa“ lackieren lassen.
„Für jeden ist es hart, seinen Vater zu verlieren. Ich konnte mich aber vor dem Rennwochenende nicht zerstören lassen, weil das Rennfahren alles für meinen Vater war, er war mein größter Fan“, erzählte der Sohn. So merkwürdig es auch klinge, räumte Leclerc ein, durch die Schicksalsschläge sei er „stärker“ geworden und „innerhalb kurzer Zeit gewachsen“. Dieser Entwicklungsprozess soll bei Vettels Teamkollege in der Formel 1 gerade erst begonnen haben. (dpa)
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