Sportchef Gießen 46ers: Sehen, dass Verein am Leben bleibt
Die Basketball-Bundesliga entscheidet am 27. April in einer Video-Schalte über den weiteren Verlauf der Saison in der Corona-Krise. Ex-Nationalspieler Michael Koch, seit dem 1. März Manager und Sportdirektor bei den Gießen 46ers, fordert von der Liga eine Entscheidung.
„Eine weitere Nichtaussage der BBL wird schwierig sein“, sagte der 54 Jahre alte Europameister von 1993 im Interview der Deutschen Presse-Agentur. „Wir werden das Szenario unterstützten, mit dem wir finanziell über die Runden kommen.“ Der Spielbetrieb in der BBL ruht seit Mitte März.
Vor der Entscheidung der Basketball-Bundesliga am Montag – wie ist die Lage in Gießen?
Michael Koch: Wir sind im Augenblick in der Schwebe, weil wir nicht genau wissen, wo der Zug hinfährt. Wir warten sehnsüchtig darauf zu erfahren, wie es weitergeht. Die BBL muss endlich eine Entscheidung treffen, damit die Vereine planen können – auch für die nächste Saison. Eine weitere Nichtaussage der BBL wird schwierig sein.
Welche Entscheidung wäre die Richtige?
Koch: Das ist schwierig zu sagen. Für die kleinen Vereine, auch für uns, geht es darum, wie wir finanziell am wenigsten belastet werden. Die Liga war vor der Pause nicht auf dem gleichen Stand. Für viele Vereine stehen noch bis zu zehn Heimspiele an. Für manche nur noch vier, wie für uns. Da hatten wir Glück – aber es fehlen auch so extrem viele Einnahmen. Für uns ist es finanziell enorm wichtig, die Sommermonate zu überstehen. Deshalb werden wir das Szenario unterstützten, mit dem wir finanziell über die Runden kommen.
Was wäre das beste Szenario?
Koch: Die Handballer habe ihre Saison gerade erst abgebrochen, die Fußballer wollen es mit Geisterspielen versuchen. Die Basketballer werden sich an diesen Entscheidungen orientieren. Aber man muss bedenken, dass der Fußball extrem von den Fernsehgeldern lebt, da geht es um ganz andere Summen. Im Handball, im Eishockey, im Basketball sind die TV-Einnahmen nicht so exorbitant wie im Fußball. Wir finanzieren uns sehr stark durch lokales Sponsoring, durch Dauerkarten und solche Sachen. Deswegen ist es eine Frage von Optionen.
Was sind die Optionen?
Koch: Durchgesprochen wurden Geisterspiele, Saisonabbruch, Spiele an drei verschiedenen Standorten. Der Hauptthemenpunkt wird sein: Bei welchem Szenario werden die Vereine wie belastet. Man muss da eine kluge und eine clevere Entscheidung treffen.
Was wäre die clevere Entscheidung für Sie persönlich?
Koch: Ich bin Sportler, und ich habe vor 20.000 Zuschauern bei Panathinaikos gespielt. Und auch in Hallen, wo nur wenige Zuschauer waren. Wir sind Entertainer, wir bieten Unterhaltung. Und da gehören Zuschauer einfach dazu. Ich bin gespannt, ob das beim Fußball umsetzbar ist, die Fans außen vor zu lassen. Zuschauer gehören zum Sport einfach dazu.
Also wäre der Saisonabbruch für Sie die beste Variante?
Koch: Noch einmal: Es geht um die beste Option. Es kann sein, dass uns ein Saisonabbruch viel mehr weh tut als Spiele ohne Publikum. Es geht nicht darum, was ich machen würde oder was für mich der beste Weg wäre. Ich bin Geschäftsführer eines BBL-Vereins, und ich muss sehen, dass der Verein am Leben bleibt, dass das Herz weiter schlägt.
Wie schwer ist es denn für einen Sportler sich für Geisterspiele zu motivieren?
Koch: Ich vergleiche das immer mit der Summer League – da ist morgens um acht das erste Spiel. Da sieht man dann, wer Basketball spielen möchte, wer Charakter hat, sich auch in solchen Spielen den Allerwertesten aufzureißen. Das kannst Du vielleicht ein oder zweimal machen. Aber wenn noch 14 Spiele zu spielen sind, dann ist das eine Herkulesaufgabe. Spieler werden dann einfach zumachen. Ein Level wie bei einem Ligaspiel mit vielen Zuschauern wird bei Geisterspielen nie erreicht werden.
Auch, weil viele Teams ihre Legionäre schon nach Hause geschickt haben?
Koch: Wir waren einer der ersten Vereine, die Spieler nach Hause geschickt haben. Und das war richtig, weil wir so Kosten eingespart haben. Sonst wäre die Lage noch viel schwieriger. Wir stehen im ständigen Kontakt mit unseren Amerikanern. Wenn die Liga anlaufen sollte und wenn die Reisebeschränkungen aufgehoben werden, dann würden die Spieler zurückkommen. Wir wären dann konkurrenzfähig. Aber es kann auch sein, dass wir und viele Vereine nicht mehr mit der Mannschaft auflaufen werden wie noch im März.
Wenn die Saison abgebrochen wird, sollte dann ein Meister gekürt werden?
Koch: Ich glaube, die Statistiker wären froh, wenn da ein Meister stehen würde. Aber wenn wir ehrlich sind: Der Meister in diesem Jahr wird für immer Corona-Meister heißen. Und für immer mit einem Sternchen versehen sein. Diese Meisterschaft ist nicht gleichzusetzen mit einer Meisterschaft, die unter normalen Umständen gewonnen wurde.
Würden Sie so einen Meister-Titel ablehnen?
Koch: Das muss jeder Einzelne für sich entscheiden. Die Handballer aus Kiel haben sich gefreut, dass sie Meister geworden sind. Das wird dann für die Öffentlichkeit auch so verkauft. Die Wertschätzung eines solchen Titels, die würde bei mir in der untersten Schublade liegen bleiben. Das ist bestimmt auch bei vielen anderen Sportler so. Einen Corona-Titel will doch keiner.
Zur Person: Michael Koch (54) ist seit dem 1. März Manager und Sportdirektor bei Basketball-Bundesligisten JobStairs Giessen 46ers. Der Europameister von 1993 ist einer der erfolgreichsten deutschen Basketballer. Seine Bundesliga-Karriere begann er in Gießen, der 140-fache Nationalspieler gewann mit Leverkusen und Bayreuth sechs Meisterschaften. Mit Panathinaikos Athen wurde er viermal Meister und gewann 2000 den Europapokal der Landesmeister. Als Trainer saß Koch in Bonn, Bayreuth und Limassol/Zypern auf der Bank. (dpa)
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